Operative Eingriffe bei schwerem Übergewicht werden von Jahr zu Jahr mehr. Hier ein Überblick über die gängigsten Methoden.
Es ist ja eine bekannte Weisheit normalgewichtiger Menschen, dass Sport und gesunde Ernährung ausreichen, um ebenjenes zu erhalten beziehungsweise wieder zu erreichen. Was den meisten nicht klar ist, ist der Suchtcharakter, der adipöse (fettsüchtige) Menschen wider besseres Wissen zur Schokolade und ihren Freunden greifen lässt. Einige schaffen es mit purer Willenskraft. Andere jedoch können sich einer Operation unterziehen, die langfristig gewaltige Abnahme verspricht. In den letzten Jahren nehmen diese Operationen ständig zu. Es gibt verschiedene Arten, die mit ihren Vor- und Nachteilen hier kurz ausgeführt werden sollen. Die Details sind selbstverständlich mit dem Arzt des Vertrauens abzusprechen, dieser Artikel soll nur eine Orientierungshilfe aus Betroffenensicht sein.
Zuerst einige allgemeine Punkte. Bei Operationen am Magen – egal, ob Sleeve, Bypass oder Band – gibt es keine zwei Geschichten, die sich ähneln. So sind zum Beispiel beim Bypass die Lebensmittelverträglichkeiten vollkommen unterschiedlich. Manche bekommen nach dem Anblick einer Rippe Schokolade Magenkrämpfe (genannt Dumping). Andere können auch ‚nachher‘ noch maßlos in sich hineinstopfen. Manche können von Anfang an alles essen, manche vertragen ihr Leben lang Lebensmittel X überhaupt nicht mehr. Die Folgen können vorher nicht festgestellt werden, da Körper äußerst komplexe Maschinen sind. Das muss jeder Kandidat, jede Kandidatin, für sich entscheiden.
Die bekanntesten Operationsmethoden bei Adipositas
1. Das Magenband
Die wahrscheinlich bekannteste und am weitesten verbreitete Operationsmethode. Der Magen wird durch ein variables Band, das vom Arzt je nach Bedarf enger oder weiter gestellt werden kann, ca. im oberen Drittel zusammengeschnürt. Im Idealfall wird dadurch die Essensmenge auf die Größe des oberen Magenteils reduziert und eine entsprechend kleinere Kalorienzufuhr ermöglicht eine schöne Abnahme.
Vorteile:
- Die Operation ist jederzeit rückgängig zu machen.
- Das Magenband kann variiert werden, das bedeutet, bei Bedarf kann die Öffnung mit relativ wenig Aufwand vergrößert und verkleinert werden.
- Der Eingriff ist im Vergleich zu den anderen Op-Methoden unaufwändig.
Nachteile:
- Das Magenband kann leicht ausgetrickst werden, vor allem bei Süßessern. Es ist vollkommen wirkungslos, wenn sich Zuckersüchtige zum Beispiel flüssige Schokolade zuführen oder auch pure Sahne trinken.
- Außerdem kann es durch Verwachsungen zu Komplikationen kommen.
- Es kann zu Verätzungen in der Speiseröhre kommen, da Reflux noch möglich ist.
- Im Extremfall ist das Band vollkommen wirkungslos.
2. Sleeve Resection / Schlauchmagen
Dabei handelt es sich wahrscheinlich um den rabiatesten, aber auch am wenigsten komplexen aller Eingriffe. Dabei wird einfach ein relativ großer Teil des Magens weggeschnitten und der Rest vernäht. Sie ist die seltenste der drei ‚großen‘ Operationsmethoden und wird bevorzugt dann eingesetzt, wenn die knifflige Bypass-Operation aus irgendeinem Grund (wie zu massivem Übergewicht) nicht möglich ist. Die Folgen sind ähnlich wie beim Magenband, jedoch ohne die Möglichkeit, es rückgängig zu machen.
3. Roux-en-Y Magenbypass
Die wirkungsvollste, aber auch operationstechnisch aufwändigste der drei Methoden. Dabei wird der Magen im oberen Drittel durchtrennt und der Zwölffingerdarm an den neu entstandenen kleinen ‚Pouch‘ angeschlossen. Das hat zwei Effekte. Erstens kann der neue, viel kleinere Magen nur sehr kleine Mengen aufnehmen. Zweitens wird bei der Operation selbst der Darm verkürzt, sodass auch vom Aufgenommenen nur ein relativ kleiner Teil in den Kreislauf gelangt (Malabsorption). Die Wirkung ist enorm: Chirurgen garantieren den Verlust von 80 Prozent des Übergewichtes. Viele Patienten erreichen mit dieser Methode auch ihr Idealgewicht, sprich, sie verlieren 100 Prozent des Übergewichtes.
Vorteile:
- Die Abnahme geht praktisch von selbst, zumindest in den ersten zwölf bis 18 Monaten. Eine Zunahme ist nachher möglich, hält sich aber im Extremfall zwischen zehn und 15 Prozent des verlorenen Gewichtes.
- Ein weiterer Vorteil ist, dass sich der Organismus gegen falsche Ernährung zur Wehr setzt und damit ein pädagogischer Effekt eintritt. Zu schnell, zu viel oder zu schlecht gekaut essen bedeutet einen Trip auf die Toilette, da die falsche Nahrungsaufnahme umgehend retour kommt.
- Bei sehr vielen Bypass-Patienten kommt es auch zum sogenannten Dumping-Effekt mit starken Schmerzen: Der tritt auf, wenn zu viel Fett und/oder Zucker aufgenommen wird. Die physiologischen Details können im Internet nachgelesen werden.
- Nach einiger Zeit ist eine normale Nahrungsaufnahme in wesentlich geringeren Mengen wieder möglich.
Nachteile:
- Die Operation ist komplex und kann – wie jede andere auch – schief gehen. Interessierte sollten unbedingt im Vorfeld recherchieren.
- Es gibt im deutschen Sprachraum nur wenige Chirurgen, die als Experten auf dem Gebiet gelten. Man sollte sich hier nicht auf Experimente einlassen.
- Ein weiterer Nachteil ist, dass nicht nur die ungesunden Nahrungsbestandteile nicht aufgenommen werden. Dadurch können ohne (lebenslange) Zufuhr von Vitaminsupplementen schwere Vitaminmängel entstehen. Auch Eisen, Magnesium und Calcium müssen zugeführt werden. Vitamin B12 muss in regelmäßigen Abständen vom Hausarzt gespritzt werden; das kann überhaupt nicht mehr aufgenommen werden.
- Sehr viele Hausärzte müssen erst recherchieren, worum es sich bei dieser Operation eigentlich handelt. Sehr gerne wird sie mit einem einfachen Magenband verwechselt.
Allgemein werden Operationen dieser Art übrigens wenn möglich laparoskopisch durchgeführt. Das bedeutet, dass kein Bauchschnitt notwendig ist. Bei einer Bypass-Operation bleiben daher nur fünf bis sechs rund einen Zentimeter lange Narben zurück, die kaum sichtbar sind.
Für Interessierte gibt es sowohl in Deutschland als auch in Österreich sehr informative Foren, die jede Menge persönlicher Erfahrungsberichte bieten. Eine ärztliche Kosultation und Hilfe bei der Entscheidungsfindung ist jedoch auf jeden Fall unumgänglich! Auch muss man sich bewusst sein, dass eine solche Operation nur bei schwerem Übergewicht (BMI > 40) Sinn macht. Es handelt sich nicht um Schönheitsoperationen, sondern um schwere Eingriffe, die der Vorbeugung vor schweren Erkrankungen dienen. Auch die Krankenkassen richten sich bei der Genehmigung nach Schwere der Adipositas und bisherigen Erfolgen des Patienten, wobei österreichische Krankenkassen deutlich liberaler sind als ihre deutschen Kollegen. Adipositas-Operationen sind grundsätzlich als letzter Ausweg für schwer Übergewichtige betrachtet werden. Die Entscheidung darüber sollte man sich nicht leicht machen, da sich in jedem Fall das Leben danach stark verändern wird.