Das erste Heft mit normalen Frauen vor der Kamera. Mit der BRIGITTE-Initiative „ohne Models“ will sich die Zeitschrift vom Magerwahn distanzieren, indem sie Mode ab sofort von normalen Frauen präsentieren lässt.
„Die neue Diät“ steht auf dem Titelblatt der neuen BRIGITTE. Das verwirrt zunächst ein wenig, denn das erste Heft, das im Jahr 2010 an die Frau beziehungsweise den interessierten Mann gebracht werden soll, wurde im Vorfeld reichlich mit einem ganz anderen Thema beworben: Ab sofort soll bei der BRIGITTE eine neue Ära beginnen, in der die Mode- und Beauty-Fotoproduktionen auf professionelle Models verzichten. Stattdessen werden ganz normale Frauen vor die Kamera treten, um zu zeigen, dass es auch ohne Schlankheitswahn möglich ist, schön zu sein. Passend dazu zeigt die Dove-Werbung auf den ersten sechs Seiten schöne Frauen mit Kurven und zwar nicht nur ganz junge. Ein überzeugender Einstieg für die folgenden Modefotos.
Die neuen Darsteller bei der BRIGITTE
Von Beruf sind sie Gastronomin, Gymnasiallehrerin, Künstlerin, Verkäuferin, Studentin, Rezeptionistin oder Schauspieler und haben eins gemeinsam: Die Frauen (und Männer) haben keine Erfahrung im Modeln. Das ist die Voraussetzung für die Teilnahme an dieser Initiative, für die sich jeder bewerben kann. Mode soll so präsentiert werden, wie sie vom Verbraucher getragen wird, nämlich an normalen Menschen, die keine Standardmaße haben müssen. Dass es manchmal länger dauert, bis die Fotos gemacht sind, nimmt das Team gerne in Kauf, denn schließlich wissen die wenigsten, wie man sich vor der Kamera optimal in Szene setzt. Hierbei soll allerdings mehr als eine schöne Fassade gezeigt werden, nämlich Persönlichkeit und Individualität – Faktoren, die man bei Models zunehmend vermisst.
Überzeugende Resonanz auf die BRIGITTE-Aktion
Bisher gibt es vorwiegend begeisterte Zuschriften zu dieser Initiative. Das war vorauszusehen: Frau kann sich besser mit Frauen identifizieren, die durchschnittliche Figuren und eine natürliche Ausstrahlung haben, als mit magersüchtigen Models. Auch Prominente äußern sich in dieser Richtung. So meint Schriftsteller Frank Schätzing, dass Mode etwas mit Lebensfreude zu tun hat, die kaum durch „tapezierte Skelette“ vermittelt werden kann. ARD-Nachrichtensprecherin Judith Rakers begrüßt die Aktion, weil BRIGITTE als beliebte Frauenzeitschrift eine Vorbildfunktion hat und sich hier deutlich von dem Magerwahn distanziert. Damit soll auch den jungen Mädchen signalisiert werden, dass das Nachahmen der vermeintlichen Schönheitsideale der falsche Weg zu einem gesunden Selbstwertgefühl ist. Gefragt sind vielmehr Charakter, Ausstrahlung und ein gesunder Körper.
Fashion-Shows ohne Models?
Doch nicht jeder ist der Meinung, dass die Modebranche ohne Models auskommen kann. Modedesigner Michael Michalsky kann sich kaum vorstellen, wie die Musterteile der Kollektionen mit normalen Frauen fotografiert werden können, da sie nur in kleinen Größen hergestellt werden. Außerdem sieht er seine Mode lieber an großen dünnen Frauen, unterscheidet aber streng zwischen schlanken und krank gehungerten Models. Eine Fashion-Show braucht seiner Meinung nach eine professionelle Präsentation, um sie ansprechend zu vermitteln, daher möchte er nur erfahrene Models einsetzen. Trotzdem findet Michalsky, dass auch mollige Frauen sich toll anziehen können, und kann sich durchaus vorstellen, Kollektionen für sie zu entwerfen.
Und zum Schluss: Die neue BRIGITTE-DIÄT
Schlank ins neue Jahr mit neuen Rezepten – so wird der Leserin am Ende des Hefts die neue BRIGITTE-Diät schmackhaft gemacht, nachdem das neue Selbstbewusstsein der Frauen auf den Seiten zuvor in den Vordergrund gerückt wurde und die Kleidergröße keine große Rolle mehr spielen soll. Dass dies sehr wohl zusammenpasst, meint die Redaktion vorbeugend im Editorial, denn die Diät soll lediglich überflüssige Pfunde schmelzen lassen oder krank machendes Übergewicht abbauen. Schaut man sich die Rezepte genauer an, verliert das Wort „Diät“ auch schnell selbst an Gewicht, denn die appetitlichen Vorschläge haben nichts mit Hungern oder Verzicht zu tun, sondern fördern eine gesundheitsbewusste Ernährung. Vielleicht ein Grund mehr, einen neuen Begriff dafür zu finden!