Seit dem Börsengang der Telekom im Herbst 1996 kennt der deutsche Aktienmarkt eine neue Art, den Emissionspreis neuer Aktien zu ermitteln: das Bookbuilding. Anleger bestimmen den Emissionspreis.
Heute ist das Bookbuilding internationaler Standard. Beim früher angewendeten Festpreisverfahren vereinbarten Börsenkandidat und das emissionsbegleitendeKreditinstitut oder ein Bankenkonsortium einen festen Platzierungspreis. Dieserwurde aufgrund einer Unternehmensbewertung ermittelt. Dabei spielten Markteinflüsse eine eher untergeordnete Rolle. Da die tatsächlich vorhandene lnvestorennachfrage erst nach der Verkaufsfrist ermittelt wurde, war der Emissionskurs nicht immer marktgerecht. Die Konsequenz daraus waren abrutschende Kurse. Die zunehmenden Kursschwankungen, also die Volatilität der Aktienmärkte, und die teilweisen Fehleinschätzungen beim Festlegen des Neuemissionspreises machten ein neues Verfahrens überfällig.
Marktgerechte Preise
Bookbuilding verläuft in mehreren Abschnitten: In der Marketing-Phase wird versucht, potentielle Investoren auf das Unternehmen und die Emission mit Research-Berichten, Gesprächen mit der Presse und institutionellen Investoren, sogenannten Road-Shows, Zeitungsanzeigen oder Fernsehspots aufmerksam zu machen. Da es sich beim Bookbuilding um ein Platzierungsverfahren handelt, das die Anleger in die Preisgestaltung der Aktie miteinbezieht, ist ein Ziel der Unternehmenspräsentation Hinweise auf Preisvorstellungen der Investoren zu erhalten.
Orderwünsche beeinflussen den Emissionspreis
Die Preisindikationen bilden die Grundlage für die anschließende Festlegung der Preisspanne, innerhalb der die Anleger für die neuen Aktien ihre Zeichnungsgebote abgeben können. Dann schließt sich das eigentliche Bookbuilding an. Institutionelle wie private Anleger haben meist zwei Wochen Zeit, ihre Orderwünsche abzugeben. Dazu lassen sich die Anleger bei dem Konsortialführer der Emission in einer Art elektronischem Zeichnungsbuch eintragen, zu welchem Preis sie welche Anzahl der Aktien ordern. Die abgegebenen Zeichnungen beeinflussen – auch durch entsprechende Limitierung – die Preisgestaltung der neu zu emittierenden Aktien. Dadurch ergibt sich eine Schichtung der Aktiennachfrage in verschiedenen Preisstufen mit den unterschiedlichen Mengen.
Analyse der Kaufaufträge
Nach Abschluss der Bookbuilding-Phase werden alle eingehenden Kaufaufträge gesammelt und analysiert. Schließlich wird der endgültige Emissionspreis bestimmt. Dabei bewegt sich der Preisrahmen in engen Grenzen. Meist betragen die Spannen bei mittleren Preisen zwischen 12 und 20 Prozent. Aus den eingegangenen Orders wird in Abstimmung mit dem Emittenten und unter Berücksichtigung der aktuellen Marktverhältnisse der einheitliche Platzierungspreis innerhalb der bekannten Preisspanne festgelegt.
Mehr Transparenz bei der Preisbildung
Das Bookbuilding-Verfahren erreicht durch seine Transparenz und Qualitätsanalyse der Zeichnungen einen Emissionspreis, der sich an der tatsächlichen Nachfrage orientiert. Dadurch kommt es nach der Börseneinführung der Aktie seltener zu einem sofortigen Kursrutsch. Für den Börsenkandidaten bedeutet das Bookbuilding im Vergleich zum Festpreisverfahren einen erheblich höheren Aufwand. Die Investor-Relations-Aktivitäten verursachen zusätzliche Kosten und personelle Kapazitäten für die Unternehmenspräsentation und Einzelgespräche mit Analysten und Anlageberatern sind frei zu stellen. Doch damit signalisiert der Börsenneuling potentiellen Investoren seine Bereitschaft, eine offene und auf die Bedürfnisse der Aktionäre ausgerichtete Informationspolitik im Sinne des Shareholder-Value-Gedankens zu betreiben. Für die Anleger schmälert das Bookbuilding das Risiko, Neuemissionen zu einem überhöhten Kurs zu zeichnen. Denn das Verfahren führt zu einem weitgehend marktgerechten Platzierungspreis, der sich stabil in seinem Umfeld behaupten sollte.