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Biokraftstoffe – Schwindel im grünen Gewand?

Biokraftstoffe

Biotreibstoffe sind meist nicht umweltfreundlicher als Benzin – zu dieser ernüchternden Bilanz kommt eine neue Studie aus der Schweiz.

Rund 43 Millionen PKW tummeln sich auf bundesdeutschen Straßen, dazu noch fast 10 Millionen LKW, Busse und Motorräder. Weltweit sind gar über eine Milliarde Autos unterwegs – und es dürften in den kommenden Jahren wohl noch mehr werden. Das schafft ungeahnte Freiheiten für jeden von uns – und ungeahnte Probleme für die Umwelt.

Denn die Mobilität, der wir uns erfreuen, stützt sich auf einen einzigen Pfeiler: das Erdöl. Doch das Erdöl geht zur Neige – die meisten Experten rechnen damit, dass die Welterdölreserven noch für 50 Jahre reichen könnten, andere gehen von weit kürzeren Zeiträumen aus. Zudem wird es immer schwieriger – und damit teurer – das noch in der Erde lagernde Öl an die Oberfläche zu holen. Vor allem aber: Beim Straßenverkehr und auch bei der Verbrennung werden riesige Mengen des Klimakillers CO2 freigesetzt. Da sie aus fossilen Treibstoffen stammen, steigt dadurch der CO2-Gehalt auf der Erde an.

Treibstoffe aus erneuerbaren Quellen – Die Lösung!?

Wenn wir schon auf unsere Autos nicht verzichten können oder wollen, dann sollten wir wenigstens solche Treibstoffe verwenden, die aus erneuerbaren Quellen stammen – denn die sind klimaneutral und haben auch sonst jede Menge ökologische Vorteile. Solche flüssigen und auch gasförmigen Biokraftstoffe lassen sich aus nachwachsenden Rohstoffen, etwa Raps, Getreide, Zuckerrüben, Zuckerrohr, aus Holz und Holzabfällen, aber auch aus tierischen Abfällen gewinnen. Da die Pflanzen während ihres Wachstums exakt soviel CO2 aufnehmen wie bei der Verbrennung oder der Zersetzung wieder frei werden, ist der CO2-Kreislauf geschlossen.

Bei 5,6 Prozent lag der Biospritanteil 2011 auf bundesdeutschen Straßen, 2007 waren es sogar schon einmal 7,4 Prozent gewesen. Biodiesel etwa stammt zu 80 Prozent aus Raps und zu 15 Prozent aus Altfetten wie etwa Pommes-Frites-Öl. Bioethanol dagegen wird zu etwa einem Drittel aus Weizen und zu je einem Viertel aus Mais und Zuckerrüben hergestellt.

Und genau da liegt auch das Problem: Darf man Treibstoff aus Nahrungsmitteln herstellen, wo doch auf der Welt noch immer Abermillionen Menschen hungern? Wird für den Anbau dieser Pflanzen nicht Dünger benötigt, dessen Herstellung viel Energie braucht? Kann dieser Dünger nicht auch den Boden schädigen? Was ist mit dem Traktoren, die die Felder bestellen, und was mit dem Transport – entsteht dabei etwa kein CO2?

Neue Studie aus der Schweiz erstellt Ökobilanzen für Biotreibstoffe

Exakt diesen Fragen ging eine neue Studie der schweizerischen Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) nach, die gerade veröffentlicht wurde. Die Schweizer Forscher unter der Leitung von Rainer Zah untersuchten dabei auch neue Energiepflanzen, die erst seit einigen Jahren auf den Markt drängen, etwa die Purgiernuss (Jatropha curcas), die einen Ölanteil bis zu 50 Prozent erreichen kann. Die Forscher berücksichtigten auch, dass mittlerweile einige Herstellungsverfahren und Verarbeitungsprozesse erheblich verbessert wurden. Die Methode, nach der die Schweizer ihre Daten erhoben und auswerteten, war ebenfalls auf dem neuesten Stand.

Die Wissenschaftler untersuchten nicht nur die Treibhausgasemission während des ganzen Verarbeitungsprozesses vom Anbau bis zum Auspuff, sondern maßen auch die Überdüngung und Versauerung des Bodens, die Giftigkeit der Pflanzen für die Umwelt und das Süßwasser, den Land- und den Wasserverbrauch pro erzeugter Energieeinheit, den Ozonabbau und das Krebsrisiko beim Umgang mit den Pflanzen und vieles mehr.

Die Umweltbilanz der meisten Biokraftstoffe ist schlechter als die von Benzin

Das Fazit der eingehenden Untersuchungen: Die meisten Biokraftstoffe, ob Raps, Soja, Zuckerrohr, Mais oder Ölpalmen, belasten die Umwelt teilweise drei- bis viermal mehr als Benzin. Lediglich Biogas aus Holz, Klärschlamm und Gülle stand ökologisch besser da, es ist nur halb so schädlich wie das Erdölprodukt. Zwar schnitten fast alle Kraftstoffe gut ab, wenn es lediglich um die Treibhausgase ging, dafür wurden der Boden und die Gewässer aber umso mehr geschädigt. „Die meisten Biotreibstoffe verlagern also lediglich die Umweltbelastungen: weniger Treibhausgase, dafür mehr anbaubedingte Schäden an landwirtschaftlich genutzten Böden“, so Zah.

Zwar weisen die flüssigen Treibstoffe auf Ethanolbasis im Durchschnitt eine bessere Ökobilanz auf als solche auf Ölbasis – beide aber tun der Umwelt nicht gut. Der Sieger ist eindeutig das Biogas, und zwar besonders, wenn es aus Rest- und Abfallstoffen gewonnen wird.

Die Schweizer Studie zeigt auch, dass Biotreibstoffe aus Rodungsflächen im allgemeinen mehr Treibhausgase erzeugen als fossile Treibstoffe. Dies gilt auch dann, wenn die Energiepflanzen zwar auf bestehenden landwirtschaftlichen Flächen angebaut werden, dafür aber an anderer Stelle Wälder gerodet werden, um die Nahrungs- und Futtermittelproduktion aufrechtzuerhalten – in der Fachsprache indirekte Landumwandlung genannt.

Manchmal gibt es auch positive Effekte

Allerdings gibt es manchmal auch positive Effekte – dann nämlich, wenn sich durch die Energiepflanzen der Kohlenstoffgehalt des Bodens erhöht. Das sei etwa dann der Fall, wenn Ölpalmen auf bisher ungenutztem Weideland angebaut werden wie in Kolumbien, oder wenn durch Jatrophaplantagen zuvor verödetes Land wieder urbar gemacht wird wie in Indien und Ostafrika, so Forschungsleiter Zah. Die Purgiernuss sei allerdings keine „Wunderpflanze“, wie immer mal wieder zu hören sei, es komme vielmehr auf den Einzelfall an.

Generell rät Zah davon ab, Wald- und Buschland zu roden, um dort Energiepflanzen anzubauen – dadurch verschlechtere sich die Treibhausgasbilanz ganz erheblich. Auch eine indirekte Landumwandlung solle möglichst vermieden werden. Am besten aber sei es, wenn land- und forstwirtschaftliche Reststoffe wie Stroh, Grüngut oder Restholz energetisch genutzt würden, aber auch dies nur, wenn dadurch nicht die Fruchtbarkeit der Böden oder die Artenvielfalt verringert werde.

Zu ähnlichen Schlüssen wie die EMPA gelangte vor einigen Monaten auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Deren Studie hatte allerdings eine andere Zielrichtung. Allerdings stellte sie ebenfalls fest, dass Biokraftstoffe kaum zum Klimaschutz beitragen, dafür aber umso mehr zum Hunger in der Welt und zur Umweltzerstörung.

Die Zukunft der Biotreibstoffe

Man darf darauf gespannt sein, wie es mit den Biokraftstoffen weitergeht – immerhin soll nach dem Willen von EU und Bundesregierung der Anteil erneuerbarer Energie am Straßenverkehr 2020 bei 10 Prozent liegen. Die Hälfte davon soll aus Kraftstoffen der 2. Generation stammen. Dabei werden nicht mehr nur Teile einer Pflanze wie Zucker, Stärke oder Öl verwendet, sondern die ganze Pflanze. Für die Kraftstoffe der 2. Generation eignen sich auch minderwertige Pflanzen, die für die Ernährung bedeutungslos sind und deshalb, außer bei der Anbaufläche, nicht in Konkurrenz zu Nahrungspflanzen stehen. Genutzt wird dabei die Cellulose, die Bau- und Gerüstsubstanz der Pflanzen. Doch die ist schwer zu handhaben – Methoden, um sie zugänglich zu machen, werden derzeit weltweit erforscht. Ziel ist die Entwicklung synthetischer sog. BtL-(Biomass to Liquid)-Kraftstoffe. Im Labormaßstab klappt das schon ganz gut, allerdings ist der technische und finanzielle Aufwand immens, die BtLs schlicht noch zu teuer.

Noch interessanter versprechen die Biokraftstoffe der 3. Generation zu werden, die aus Algen hergestellt werden. Deren Flächenbedarf pro Biomasseeinheit beträgt nur ein Zehntel bis ein Hundertstel des Flächenbedarfs von Nutzpflanzen. Allerdings sind auch die Herstellungskosten noch astronomisch – man geht zur Zeit von mehr als 50 € pro Liter Algensprit aus. Marktfähig wird der Algentreibstoff wohl erst nach 2030 sein.