Wissenschaftler arbeiten fieberhaft an der Bekämpfung der Alzheimer-Erkrankung. Könnte eine Impfung die Rettung sein?
Mehr als eine Million Menschen in Deutschland leiden an einer Demenzerkrankung, davon zwei Drittel an Alzheimer. Eine Heilung der Erkrankung ist bisher nicht möglich. Kennzeichnend für Demenz-Erkrankungen sind Gedächtnis- und Orientierungsstörungen sowie Störungen des Denk- und Urteilsvermögens. Diese Krankheit kann zur völligen Abhängigkeit der Betroffenen von Betreuung und Pflege führen. Mit dem Alter nimmt die Zahl der Demenzerkrankungen dramatisch zu: Bei den 70-Jährigen liegt ihr Anteil noch bei fünf Prozent, bei den 90-Jährigen dagegen schon bei fast fünfzig Prozent.
Nervenzellen brechen zusammen
Charakteristisch für die Alzheimer-Erkrankung ist, dass im Gehirn der Betroffenen das innere Skelett der Nervenzell-Fortsätze zusammenbricht, was den Informationsaustausch der betroffenen Zellen untereinander unmöglich macht. Als Folge sterben die Gehirnzellen früher oder später immer weiter ab. Gespeicherte Informationen sind dann für das Bewusstsein unerreichbar. Als eine Hauptursache dieses nicht zu bremsenden „Nervenzell-Sterbens“ werden heutzutage Ablagerungen des so genannten Beta-Amyloid-Eiweißes gesehen. Genau an dieser Wurzel allen Übels setzen Forscher an: Sie wollen Alzheimer-Kranke oder Gefährdete gegen dieses Eiweiß impfen – und so die körpereigene Abwehr im Kampf gegen die Alzheimer-Erkrankung unterstützen. Erste Impfversuche wurden bereits unternommen:
Erste Impfung war nicht erfolgreich – schwere Entzündungsreaktionen im Gehirn
„Die erste bisher durchgeführte Alzheimer-Impfung endete allerdings in einer überschießenden Immunreaktion“, erklärt der Marburger Medizin-Professor Richard Dodel ernüchternd. Bei der ersten Impfstudie aus dem Jahr 2001 – an der keine deutschen Institute beteiligt waren – wurden knapp 300 Alzheimer-Patienten mit dem Amyloid-Eiweiß geimpft. Etwa 20% der Patienten bildeten daraufhin zwar Antikörper gegen die Alzheimer-Auslöser und zeigten auch innerhalb der kommenden drei Jahre keine Verschlechterung ihres Zustandes. Doch drei weitere Patienten starben nach der Impfung und bei 17 kam es zu schweren Entzündungsreaktionen im Gehirn. Diese führten dazu, dass sich eine große Menge zerstörerischer Immunzellen („Killerzellen“) im gesamten Gehirn der Betroffenen ausbreiteten. Daraufhin wurde die Studie abgebrochen.
Neuer Versuch: Antikörper als Impfstoff
Doch die Neurowissenschaftler geben nicht auf. Ziel eines neu gegründeten Forschungskonsortiums, an dem, neben dem Marburger Neurowissenschaftler Dodel, auch die TU München und die Wiener Affiris GmbH beteiligt sind, ist es deshalb, die „Überreaktion“ des körpereigenen Abwehrsystems nach der Impfung einzudämmen. Unter anderem wollen die Forscher das Prinzip der „Passiven Immunisierung“ untersuchen.
Bei dieser wird dem Patienten nicht das Eiweiß direkt gespritzt, sondern zuvor gewonnene Antikörper werden als Impfstoff genutzt. Richard Dodel gehört zu den ersten Forschern, denen es vor einigen Jahren gelang, aus menschlichem Blut Antikörper gegen die Plaque bildenden Eiweiße zu isolieren. Diese Antikörper könnten zur Impfung gegen Alzheimer verwendet werden. Doch zunächst will Dodel Grundlagen klären, etwa wie sich die Antikörper im menschlichen Körper verteilen: Welcher Anteil von ihnen wandert in Körperorgane wie Niere und Leber oder wird durch Stoffwechselprozesse abgebaut? Und wie viele passieren tatsächlich die „Blut-Hirn-Schranke“, gelangen also ins Gehirn und entfalten dort ihre Wirkung zur Bekämpfung der Alzheimer-Erkrankung?