Wenn Kinder über Bauchweh klagen, werden sie oft nicht ernst genommen. Doch auch wenn keine Erkrankung dahinter steckt, sind die Schmerzen echt.
„Mutti, Mutti, ich hab Bauchweh!“ Wer diesen Satz nicht aus seiner eigenen Kindheit kennt, der hat ihn spätestens von den eigenen Kindern gehört. Was Kinder „Bauchweh“ nennen, heißt in der Medizin „funktionelle abdominale Schmerzen“, die zu den häufigsten Symptomen im Kindesalter gehören. Wie die Biologin Dr. Bettina Vinson bei einem Pressevortrag ausführte, liegt das Durchschnittsalter, in dem diese Symptome erstmals auftreten, zwischen vier und sechs Jahren. Am häufigsten sind Neunjährige betroffen.
Bauchschmerzen können harmlos, aber auch ein Indiz für lebensbedrohende Erkrankungen sein. Daher müssen die Kinder einem Arzt vorgestellt werden, der viele organische, aber auch psychisch-psychiatrische Ursachen ausschließen muss. „Diese Abklärung ist einerseits notwendig, führt aber andererseits oft zur Überdiagnostik – ein Dilemma,“ stellt Dr. Vinson fest.
Auch wenn keine Erkrankung dahinter steckt, sind die Bauchschmerzen „echt“
Wenn die Bauchschmerzen länger als zwei Monate bestehen, häufiger als einmal in der Woche auftreten und nicht durch organische Erkrankungen erklärt werden können, gelten sie als chronisch funktionell. Sie werden meist durch Stress ausgelöst wie beispielsweise Mobbing, Schulstress oder vor Wettkämpfen. Eltern, die selbst zur Ängstlichkeit neigen, verstärken die Symptome („social laerning“). Auch Antibiotika und Nahrungsmittelallergien können die funktionellen abdominalen Schmerzen auslösen. „Selbst frühkindliche Erlebnisse wie schwere Erkrankungen oder Missbrauch können zu Bauchschmerzen als Reaktion auf Stress-Erlebnisse führen“, so Dr. Vinson.
Am häufigsten liegt den Beschwerden ein Reizdarmsyndrom zugrunde. „Auch hier spielt das social learning eine große Rolle. Die Erkrankung kommt daher gehäuft in Familien vor, in denen auch Erwachsene ein Reizdarmsyndrom beklagen“, erklärt die Biologin.
Die Behandlung von Bauchschmerzen bei Kindern
Bei der Behandlung ist es wichtig, das Kind ernst zu nehmen. Die psychologische Betreuung ist dabei ein Eckpfeiler der Therapie. „Empathie sollte allerdings wohldosiert eingesetzt werden“, warnt Dr. Vinson, „zu große und falsch zu verstehende Aufmerksamkeit kann zu einer Verschlimmerung und Chronifizierung beitragen.“ Dennoch braucht das Kind die Bestätigung, dass es sich nicht alles nur einbildet und möglicherweise Hilfe durch Schmerzbewältigungsprogramme. Medikamentös werden oft Antidepressiva verabreicht, aber auch pflanzliche Mittel. Als alternative Ansätze gelten Akupunktur, Probiotika, Hypnose und Traditionelle Chinesische Medizin. „Hier ist die Studienlage begrenzt“, so Dr. Vinson, „doch meist wird ein multidisziplinärer Ansatz durchgeführt.“
Das mag daran liegen, dass fast 40 Prozent aller Eltern pflanzliche oder komplementäre Behandlungsansätze bevorzugen. Allerdings existieren nur wenige Präparate, die für Kinder zugelassen sind. Eine 2004 durchgeführte retrospektive Erhebung (Gundermann et.al, Päd 2004) zeigte, dass ein für Kinder zugelassenes, pflanzliches Therapeutikum bei Kindern mit funktionellen gastrointestinalen Beschwerden von 96,4 Prozent der Ärzte als gut wirksam beurteilt wurde. Gleichzeitig galt es als sehr sicher, was die Nebenwirkungen und Wechselwirkungen anbelangt. Bei Bauchweh ein paar Tropfen einnehmen, hat sicherlich ebenfalls bereits einen therapeutischen Effekt – sowohl für den kleinen Patienten als auch für dessen Eltern.