Die Aborigines haben eine ähnliches Schicksal wie die Indianer Nordamerikas. Einst gehörte ihnen der ganze Kontinent, jetzt leben sie geduldet in abgelegenen Reservaten.
Die Aborigines sind eine der ethnologisch interessantesten Rassen der Menschheit. Vor etwa 50.000 bis 65.000 Jahren wanderten sie über eine damals bestehende Landbrücke von Südostasien über Neuguinea nach Australien ein. Aber woher die Aborigines wirklich genau stammen, darüber streiten Wissenschaftler nach wie vor. Aufgrund einiger DNA-Analysen wird sogar über eine Verbindung mit der indigenen Volksgruppe Sri Lankas, den Weddas, spekuliert. Der älteste Skelettfund stammt von einem Mann, die man im November 1974 in Neusüdwales entdeckte. Wissenschaftler datieren sein Alter auf 40.000 Jahre.
Die Aborigenes, Wesen aus der Traumzeit
Als Captain James Cook 1770 die Küste Queenslands entlang segelte, lebten auf dem unbekannten Kontinent 750.000 bis eine Million Ureinwohner. Heute schätzt man ihre Zahl auf etwa 450.000. Allerdings ist nicht einmal die Hälfte davon reinblütig. Etwa 150.000 existieren in geschlossenen Stammesverbänden, die meisten in den großen, von der australischen Bundesregierung im Landesinneren geschaffenen Reservaten. Dort leben sie teilweise wie in der Steinzeit, fertigen ihre Werkzeuge und Geräte wie in den Zeiten ihrer Vorfahren. Sie jagen mit Speer, Bumerang und Keule Kängurus und Emus, fischen in den Flüssen und sammeln Beeren, Wurzeln und Gräser. Ihre Kultur ist für uns so unverständlich wie der Glaube an ihrer Herkunft. Die einzelnen Stämme sehen sich in ihrer Existenz als einen Teil der Natur, aus der sie ebenso wie Steine, Bäume, Tiere und Flüsse von ihren göttlichen Ahnen in der „Traumzeit“ geschaffen wurden. In der Eingeborenen-Mythologie sind die Vorväter spirituell existent. Mal schlüpfen sie in Tiere wie Adler, Emus, Schlangen, Krokodile oder Kängurus, mal verwandeln sie sich in Wasserlöcher, Felsen, alte Bäume oder Steinhaufen.
Die Felsenmalereien von Arnhemland
Überall in Australien gibt es heilige Orte, wo auf Felsen Szenen aus der Mythologie und dem Leben der Ureinwohner verewigt sind. Die schönsten und ältesten Felsenmalereien findet man in Arnhemland. Wie lange sie noch bestehen werden, ist fraglich, denn die Großraumbagger der Uranminen-Gesellschaften fressen sich unaufhaltsam in die Stammesgebiete der Aborigines vor. Millionen von Dollar zahlt die australische Regierung den Ureinwohnern pro Jahr an Entschädigung. Aber was soll ein Stamm mit dem Geld anfangen, das er weder braucht, noch sinnvoll verwenden kann, wenn ihm sein wertvollster Besitz, sein Land, genommen wird? Hier wird die einzigartige Kultur eines Naturvolkes im Interesse der Globalisierung und der Atomkraft-Lobby zerstört.
Uluru, der göttliche Berg der Aborigines
In der Regel sind die Aborigines Europäern gegenüber recht reserviert. Kein Wunder, bei den Erfahrungen, die sie im eigenen Land mit der weißen Bevölkerung gemacht haben. Wenn sie aber das Gefühl habe, dass sich Außenstehende wirklich für sie, ihre Kultur und ihre uralten Traditionen interessieren, erzählen sie gerne von ihrem heiligsten Berg, dem Uluru, von der Kraft, die er ihnen gibt und von Ngoru, dem großen göttlichen Hirn. Nur sie, die Aborigines, die Kinder des Großen Berges, können das Gehirn sehen. Es befindet sich an der Sonnenseite, also der Nordseite des Uluru, dort, wo auch die Schlafplätze, die Höhlen der Götter sind. Hierher kommen die Klanführer, um die Fruchtbarkeit ihrer Tjuringas vom Guten Geist küssen zu lassen.
Der Mythos des Tjunringa
Ein Tjuringa ist ein ovaler Stein, etwa vierzig bis fünfzig Zentimeter lang, in den merkwürdige Zeichen und Symbole eingraviert sind. Jeder Tjuringa enthält das Wissen seines Clans, das heißt alle Mythen und Legenden aus dem „Traumland“. Nur Eingeweihte des jeweiligen Stammes dürfen ihn sehen. Frauen werden beim Anblick des geweihten Steins blind und unfruchtbar. Deshalb verbergen die Aborigines den Tjuringa tief im Inneren von Höhlen.
Northern Territory, Tod durch bone pointing
In den abgelegenen Reservaten des Northern Territory gelten noch die uralten Gesetze. Wer Schande über den Stamm bringt, muss mit der Todesstrafe rechnen, diese kann nur vom Rat der Ältesten ausgesprochen werden und richtet sich ausschließlich gegen Stammesmitglieder. Kurdaitchas, eingeweihte Männer nähern sich dem Verurteilten, ohne von ihm gesehen zu werden. Sie tragen magische Schuhe, gewebt aus Menschenhaar und braunen Emufedern. Dann halten sie den Kundela, einen Zauberknochen, oder einen magischen Stab in Richtung des Opfers, singen geheime Beschwörungsformeln und verschwinden so lautlos, wie sie gekommen sind. Ein auserwählter Verwandter des Verurteilten wird los geschickt, um von dem erfolgreich ausgeführten bone pointing zu berichten. Danach verliert der Todgeweihte sämtliche Lebenskraft und versiecht elend. Berührt ihn jetzt ein Stammesmitglied, fällt er auf der Stelle tot um.