Astaxanthin wird hochgelobt als Energiespender und Antioxidans. Hilft der aus Mikroalgen gewonnene Farbstoff auch bei der Infektabwehr und Allergien?
Astaxanthin ist ein natürlicher Farbstoff, den man seit 1944 chemisch zu den Carotinoiden zählt – davor wurde er als Hämatochrom bezeichnet, was im Griechischen Blutfarbe bedeutet. Die gelblich bis rötlichen gefärbten Carotinoide kennen wir zum Beispiel aus der Karotte, wo ß-Carotin als Vorstufe des für den Menschen lebensnotwendigen Vitamin A (Retinol) vorliegt. Astaxanthin kann dagegen nicht in Retinol umgewandelt werden.
Astaxanthin macht Hummer krebsrot
Am Anfang einer farbigen Nahrungskette steht vor allem die Mikroalge Haematococcus pluvialis. Botanisch gesehen ist dieser Einzeller eine Grünalge – wird aber wegen seiner Färbung als Blutregenalge bezeichnet. In der Natur bilden die Algen das Carotinoid-Pigment Astaxanthin und konzentrieren es über Zooplankton und Krebstiere, die wiederum Beute von Lachs, Forelle und anderen Wassertieren sind.
Durch Astaxanthin werden Garnelen und Hummer „krebsrot“ – aber erst in Kochtopf oder Pfanne. Denn solange Krebstiere leben, ist Astaxanthin an ein Protein gebunden, das ihnen ein bläuliches Aussehen gibt. Lachse und Flamingos nehmen nach Verzehr winziger Krebse eine orange-rote Fleisch- beziehungsweise Gefiederfärbung an. In Deutschland ist Astaxanthin als Farbstoff im (Speise-) Fischfutter unter E 161j zugelassen. Es führt als Futterzusatz bei Lachsen zur Intensivierung der Fleischfarbe, bei Forellen zur Umrötung: aus der Regenbogenforelle wird eine „Lachsforelle“. Außerdem steigert Astaxanthin die Immunabwehr und Fruchtbarkeit.
Natürliche Astaxanthin-Gewinnung aus Mikroalgen
Der orange-rote Farbstoff Astaxanthin wird von der Mikroalge als Schutz vor UV-Strahlung gebildet. Unter Stress-Bedingungen verkapselt sich die Alge und produziert zum Selbstschutz große Mengen an Carotinoiden, darunter 85 % Astaxanthin in veresterter und freier Form.
Die Gewinnung von Astaxanthin aus der Alge ist sehr aufwendig. Deshalb galt bisher die chemische Synthese allein als finanziell akzeptabel. Synthetisches Astaxanthin hat einen Marktwert von 2.000 $/kg, das natürliche Produkt wird für mehr als 7.000 $/kg verkauft. Israelische Mikrobiologen produzieren seit mehr als zehn Jahren erfolgreich Astaxanthin in Mikroalgenfarmen in der Wüste Negev. Inzwischen haben Chinesen Photobiorektoren entwickelt, in denen die Produktion aus der Haematococcus-Alge ökonomisch mit der chemischen Synthese konkurrieren kann: Herstellungskosten sollen unter 1.000 $/kg liegen.
Astaxanthin – Sonnenschutz von innen
Die Forschung über die gesundheitlichen Vorteile von Astaxanthin spielten sich vor allem Labor ab. Doch hat sich die Einnahme von Astaxanthin in der Praxis bereits bewährt. Carotinoide wirken im Körper als Antioxidantien und schützen die Zellen vor aggressiven Radikalen und möglicherweise vor Krebs. Hochleistungssportler, die sich stundenlang den UV-Strahlen der Sonne aussetzen, wie Triathleten beim „Ironman“ in Hawaii, nehmen längst Astaxanthin-Pllen zum Hautkrebs-Schutz ein. Doch Vorsicht ist geboten: Isolierte und in hohen Mengen zugenommene Carotinoide können das Gegenteil bewirken. So erhöhte das hochdosiert zugeführte, ehemals als „Rauchervitamin“ gelobte Retinol das Lungenkebsrisiko!
Astaxanthin und Immunsystem
Auch im Immunsystem haben Carotinoide eine abwehrsteigernde Funktion. Neben der Erhöhung der Infektionsabwehr wird die Zahl an Leukozyten und die Produktion von Antikörpern erhöht.
Aktuell wird daran geforscht, ob Astaxanthin zur Behandlung allergischer Reaktionen eingesetzt werden kann. In Laborversuchen wurde durch Astaxanthin die allergische Sofortreaktion unterdrückt, indem die Anhäufung von hochaffinen IgE-Rezeptoren an der Zelloberfläche verhindert wird: Die Mastzellen platzen nicht und schütten keine Entzündungsstoffe wie Histamin aus. Möglicherweise bieten sich in Zukunft auch neue Ansätze in der Asthma-Behandlung an. Mahmoud und Mitarbeiter wiesen im Labor an Abwehrzellen (Monozyten) von Asthmatikern eine Unterdrückung der T-Zell-Aktivierung durch Astaxanthin nach, vergleichbar mit den Antihistaminika Cetizrizin und Azelastin. Diese Arzneistoffe verhindern typische allergische Reaktionen wie zum Beispiel bei Heuschnupfen.
Kann antioxidentienreiche „gesunde“ Ernährung das Allergie- und Asthma-Risiko steigern?
Österreichische Wissenschaftler hingegen haben die Hypothese aufgestellt, dass Antioxidantien (also auch Carotinoide wie Astaxanthin) eine allergische Reaktionslage verstärken können. Sie sehen Belege dafür, dass anti-oxidativer Stress durch Verzehr „gesunder“ Nahrungsmittel ausgelöst werden kann. Die körpereigene Infektabwehr durch TH1-Zellen werde gedrosselt und die TH2-Antwort und Immunglobulin-Produktion gesteigert. Daher ist es möglich, dass eine zu geringe Herausforderung durch infektiöse Keime (Hygiene-Hypothese) und auch eine Antioxidantien-reiche Kost die Anfälligkeit für Allergien und Asthma fördert.
Astaxanthin-Forschung steckt noch in den Kinderschuhen
Die Astaxanthin-Wirkungen auf den Menschen sind erst ansatzweise erforscht. Der Versuch, mit hochkonzentrierten Substanzen das Immunsystem zu steuern, ist nicht immer sinnvoll. Eine ausgewogene vollwertige und abwechslungsreiche Kost unterstützt die Abwehrkräfte auf vielfältige(re) Weise.