Wirtschaftswachstum und Profitgier ersticken die Vielfalt des Lebens. Ob im Yasuni-Nationalpark in Equador oder an der Werra in Hessen: Im Pokerspiel um Artenschutz und Profit verlieren oft Flora und Fauna. Nur der Mensch bleibt ihr Trumpf.
Verblasst die bunte Vielfalt der Flora und Fauna, verliert die Natur ihr Schutzschild. Denn Ökosysteme verkraften Einwirkungen von außen umso leichter, je mehr Arten darin leben. Das uralte Erfolgsprinzip „auf zwei Füßen steht man besser“ bewährt sich dort also sogar als erprobter Lebensretter. Natürliche Einflüsse, wie Wind und Wetter, Eis und Schnee oder sommerliche Trockenheit stürzen Naturräume deshalb nur selten in dauerhafte Krisen. Unbedachtes Wirken des Menschen allerdings löst darin oft nachhaltige Verletzungen oder gar Zerstörungen aus.
Ökosysteme mit großer Artenvielfalt überstehen Gefahren leichter
Egal, ob dabei Wildbienen wichtige Nahrungsquellen durch Waldrodungen verlieren und sich ihr Volk deshalb dezimiert, oder ob Fledermäuse regelmäßig auf Fahrzeuge prallen und verenden, weil eine neugebaute Umgehungsstraße ihre gewohnte Flugroute kreuzt: Ihr Verlust schwächt das Ökosystem. In der Folge verliert es an Stabilität, weil sich andere Individuen übermäßig vermehren, Populationen ausdünnen, Bestände abwandern oder Arten allmählich aussterben.
Viele Arten sterben durch Entwaldungen, Ölkatastrophen und Überfischung der Meere
Am besten wächst und gedeiht jede Pflanzen- oder Tierart natürlich im Umfeld optimaler oder zumindest hinreichender Lebensbedingungen. Denn dort fügen sie sich harmonisch ins Wabenwerk des Lebens ein, das sie im wechselseitigen Geben und Nehmen nährt und schützt. Brechen aber zum Beispiel in diese Idylle Planierraupen und Bagger ein, um Raum für ein neues Industriegebiet zu schaffen, oder die giftige Fracht eines Öltankers verseucht Meeresräume und Strände, so werden rasch große Pflanzen- oder Tierbestände ausgelöscht. Dadurch zerbrechen nicht nur Nahrungsketten zu anderen Individuen oder abhängige Lebensgemeinschaften dünnen aus, auch Fortpflanzung und Überleben bedrohter Arten steht auf dem Spiel. Dabei zeigt sich das tatsächliche Ausmaß solcher Szenarien manchmal erst, wenn Tage oder Wochen später weitab andere Ökosysteme daran Kollaps erleiden.
Egal, ob Täter oder Artenschützer: die Verantwortung trägt der Mensch
Die Frage, warum immer mehr Arten weltweit sterben und dadurch Ökosysteme erkranken, deckt ein Bündel von Ursachen auf. Da vielfach wirtschaftliche Interessen dahinter stecken, klemmt der Mensch bis zum Hals in der Zwickmühle: einerseits verfügt er als einziges Individuum über Mittel und Wege, die Vielfalt des Lebens dauerhaft zu erhalten. Andererseits aber trägt er meist selbst Schuld am weltweiten Artenschwund oder gestresster ökologischer Kreisläufe. Schon das stete Bevölkerungswachstum macht diese Gratwanderung zum Abenteuer.
Artenschwund nimmt durch Bevölkerungswachstum und Verlust an Naturland zu
Laut Angaben der Vereinten Nationen bevölkern im Jahr 2050 den Erdball 9,1 Milliarden Menschen. Sie benötigen folglich immer mehr Platz für Wohnraum und Arbeitsstätten, für Einkaufszentren und Freizeiteinrichtungen, für Straßen und U-Bahnen, Versorgungswege und Flughäfen. Um darüber hinaus den steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln zu decken, vergrößern landwirtschaftliche Betriebe fortwährend ihre Nutzflächen. Auf diese Weise jedoch treibt nicht nur der Verlust an natürlichem Lebensraum das Artensterben voran, sondern auch die schon heute vorherrschenden Anbaumethoden: zur Ertragssteigerung setzen die Landwirte auf Monokulturen, die natürliche Artenvielfalt und reichhaltige Bodenentwicklung unterbinden.
Wirtschaftliche Interessen treiben Flora und Fauna in den Tod
Hinzu kommen die Folgen des Wirtschaftswachstums. Während die Vorderseite dieses Goldtalers dem Menschen mehr Lebensqualität verspricht, vernichtet seine Kehrseite kostenlose und unersetzbare Naturschätze durch Raubbau und Profitstreben. In jedem Winkel der Welt lockt die Münze mit neuen Versprechungen: so schlummern zum Beispiel ertragreiche Erdölvorkommen im Nordosten des equadorianischen Yasuni-Nationalparks. Nach Angaben der Umweltorganisation Save America’s Forests leben dort auf einem Hektar Regenwald ungefähr 100.000 Insektenarten und durchschnittlich 655 Baumarten. 100 Fledermausarten, 150 Amphibienarten und mindestens 550 Vogelarten bevölkern das Gebiet. Die geplante Erdölförderung wäre deshalb der Todesstoß für zahllose Arten.
Profitdenken versalzt der Werra das Leben
Ob der Goldtaler im artenreichen Regenwald des Amazonas oder im artenarmen Deutschland neue Wurzeln fasst, auf Naturschäden nimmt er kaum Rücksicht. Wo Profite sprudeln, nistet er sich auch im Jahr der Biodiversität (Vielfalt des Lebens) gerne länger ein. So vergiften zum Beispiel seit Jahrzehnten knallharte Wirtschaftsinteressen die osthessische Landschaft um Heringen (Werra): Dort fördert ein Weltkonzern Kalisalz, das zu Dünger verarbeitet steigende Gewinne einbringt. Das Salz aber verseucht nicht nur die Luft und die Böden im Umland, sondern auch das Flusswasser der Werra. Zum Einen nehmen Nebel, Regen oder Schnee die in der Luft schwebenden Salzkristalle auf und tragen sie in Naturland und Ortschaften ringsum ein, zum Anderen spülen sie beständig Steinsalz aus riesigen Abraumhalden ins Grundwasser. Mehrere versalzene Trinkwasserbrunnen liegen deshalb bereits still.
Noch heute leitet der Düngemittelerzeuger gefiltertes Abwasser hoher Salzgehalte unter behördlicher Genehmigung direkt in die Werra. Ihre Salzkonzentration erreicht den Wert von Meerwasser. Wo früher eine artenreiche Flusslandschaft atmete, nimmt heute eine tote Salzwüste vielfältigem Leben die Luft: Unzählige Süßwassermuscheln, sehr viele Krebsarten und Wasserkäfergattungen sind restlos verschwunden. Im Flussbiotop und am Ufersaum überleben nur noch wenige angepasste Tier- oder Pflanzenarten. Da Mineraldünger weltweit Ernteerträge erhöht, bleiben die Auftragsbücher des Konzerns gefüllt. Ob die hessische Landesregierung diese Umweltkatastrophe über das Jahr 2012 genehmigt, bleibt allerdings abzuwarten. Lösungsvorschläge zur Schadenminderung lehnte der Kalisalz-Konzern bisher ab.
Umweltschäden wie diese schonen weder Kleinstbiotope noch Groß-Ökosysteme. Nur verantwortungsvolles Handeln bewahrt deshalb die inzwischen auch vom Klimawandel bedrohte Vielfalt des Lebens (Rote Listen).