Über Geschmack lässt sich streiten, über Aroma nicht. Für Lebensmittel wurde das Aroma von Kaffee, Schokolade, Vanille und Co. standardisiert – mit Folgen.
Das Eis schmilzt auf der Zunge. Es schmeckt nach Schokolade, Erdbeere und Vanille – richtig lecker. Auf diese Geschmacksrichtungen kann man sich verlassen. Die sind immer gut und immer gleich. Doch eigentlich dürfte das nicht sein, zumindest beim Erdbeereis sollten sich aromatische Nuancen ergeben, denn Erdbeeren sind von Natur aus sehr unterschiedlich im Geschmack. Die „Standard-Erdbeere“ gibt es nicht, aber es gibt das Erdbeeraroma – für den standardisierten Erdbeergeschmack. Was verbirgt sich aber wirklich hinter den Aromen in Lebensmitteln?
Echte Vanille
Echte Vanille kommt nur in der Schote der Orchidee Vanilla planifolia vor. Wird sie verwendet, lassen sich die kleinen schwarzen Samenkörnchen als Punkte im Vanilleeis erkennen. Das Aroma der echten Vanille stammt sowohl aus der öligen Flüssigkeit, welche die winzigen Samen in der Schote umgibt, als auch aus der Schote selbst. Kocht man die Schote in Flüssigkeiten wie Sahne, hat man die Grundlage für eine echte Vanillesoße geschaffen.
Natürliches Vanillearoma und Vanilleextrakt
Steht der Name der Pflanze oder Frucht vor dem Wort „Aroma“ und davor ein „Natürliches“, wurde das Aroma auch tatsächlich aus denselben Pflanzen hergestellt. Natürliches Vanillearoma wurde also tatsächlich aus echter Vanille gewonnen. Gleiches gilt für natürliches Erdbeeraroma, Himbeeraroma oder Rote-Beete-Extrakt. Auch hinter dem Begriff Extrakt verbirgt sich nämlich wirkliches Aroma aus besagter Pflanze.
Natürliches Aroma
Hier beginnt die Täuschung des Verbrauchers. Ein Erdbeerjoghurt mit natürlichem Aroma muss nicht das Aroma aus echten Erdbeeren enthalten. „Natürliches Aroma“ heißt, dass das Aroma eine natürliche, d.h. biologische Herkunft hat. Das Aroma kann also aus Sägespäne hergestellt oder von Schimmelpilzen produziert worden sein. Oft sind Mikroorganismen zur Gewinnung von Aromastoffen gentechnisch optimiert. Mit einer Erdbeere oder Vanilleschote haben sie jedoch nichts mehr zu tun.
Naturidentisches Aroma und Aroma, Vanillearoma, mit Vanillegeschmack
Diese Bezeichnung gibt es seit 2011 nicht mehr. Die naturidentischen Aromaten dürfen sich seit Anfang des Jahres nur noch mit „Aroma“ bezeichnen. Damit wurde die ohnehin schwammige Abgrenzung aufgehoben. Mit „Natur“ hat Aroma wenig gemein: Es handelt sich um einen chemisch definierten Stoff mit den gewünschten Geschmackseigenschaften. Dieser Stoff muss keinerlei Ähnlichkeit mit natürlichem Aroma haben und ist im schlimmsten Fall ein reines Kunstprodukt von den Chemie-Designern. Der Geschmack von Vanille z.B. kann man künstlich erzeugen, indem man Vanillin chemisch im Reagenzglas herstellt. Sogar gänzlich andere Stoffgemische können zu einem vanilleähnlichen Geschmack führen. Auf den Packungen der Produkte steht dann entweder schlicht „Aroma“, „Vanillearoma“ oder „mit Vanillegeschmack“.
Für die Industrie ist Kaffee-Aroma günstiger als echter Kaffee
Die Lebensmittelindustrie kann mit den Aromastoffen vor allem Kosten sparen, denn chemisch hergestelltes Kaffee-Aroma ist günstiger als echter Kaffee, dem seine aromatischen Bestandteile mühsam extrahiert werden müssen. Bei Fruchtaromen ist das auch so. 30 Euro würde es kosten 100 Kilogramm Himbeerjoghurt mit echten Himbeeren zu aromatisieren. Himbeeraroma schafft das mit 6 Cent. Der Joghurt selbst enthält nur noch als Alibi einen Hauch von echten Himbeeren. Bei Joghurt mit Fruchtzubereitung müssen es mindestens 3,5 % Fruchtanteil sein, bei Joghurt mit Fruchtgeschmack weniger als 3,5 % Fruchtanteil. Dabei muss die Frucht nicht der auf der Packung entsprechen. Bei Fruchtzubereitung Joghurt mit Fruchtzubereitung kann diese neben Früchten vor allem auch Zucker, Geliermittel, gepresste Fruchtrückstände, Süßstoff, Konservierungsstoffe und eben auch Aroma enthalten.
Die Nebenwirkungen zunehmender Aromatisierung
Der Geschmack wird durch Aromastoffe standardisiert. Das Erdbeereis schmeckt so immer nach gleich nach Erdbeere, unabhängig von Saison, Wetterlage oder Wachstumsbedingungen. Da viele Lebensmittel mittlerweile überaromatisiert werden, stumpfen die Geschmacksknospen regelrecht ab. Die Folge: Kinder mögen keine richtigen Erdbeeren mehr, weil diese zu wenig Geschmack haben. Echte Himbeeren schmecken zu bitter, Bourbon-Vanille zu fade. Es gibt auch vermehrt Hinweise, dass Aromen Übergewicht fördern, da sie den Appetit anregen. Den Effekt kennen die meisten von glutamathaltigen Chips-Tüten: Reste gibt es nicht. Außerdem täuschen Aromastoffe den Körper. Mit dem Fruchtgeschmack hat der Mensch das Gefühl, etwas Gesundes gegessen zu haben. Es fehlen jedoch Vitamine und Mineralstoffe, Ballaststoffe, Antioxidantien und viele andere Vitalstoffe. Der Körper hungert nach mehr, nach all diesen gesunden Bestandteilen. Aber er bekommt sie nicht. Da helfen auch nicht die paar zusätzlich zugesetzten Vitamine, denn echtes Obst bietet viel mehr.
Verbraucher brauchen Informationen
Verbraucherzentralen reagieren auf die Nachfrage nach aromafreien Produkten mit Positivlisten. Auch anderen machen sich auf, Licht ins Dunkel der Lebensmittelindustrie zu bringen: Journalist Hans Ulrich Grimm gründete das Portale „Dr. Watson – der Food-Detektiv“ mit deren Hilfe die Zutaten durchleuchtet werden können, oder Dr. Thilo Bode, ehemaliger Greenpeace-Vorsitzender, rief die Organisationen „Foodwatch“ ins Leben, die sich mit dem Etikettenschwindel beschäftigt.