Jonas Breitenbücher kam mit nur einem Arm auf die Welt. Seit kurzem trägt der mittlerweile Neunjährige eine Armprothese.
Weihnachten 2007 ging für Jonas Breitenbücher (9) ein großer Wunsch in Erfüllung: Er konnte im Universitätsklinikum Heidelberg seine extra für ihn angefertigte Armprothese abholen. „Er hat die Minuten gezählt, bis es soweit war!“ verrät Mutter Anne (40). Dabei ist es gar nicht so einfach, mit dem Silikonarm am Ellbogengelenk umzugehen. „Eine Woche lang mussten wir in Heidelberg bleiben, damit ich üben konnte!“ erzählt Jonas. „Er bekam in der Klinik jeden Tag Ergotherapie!“ ergänzt seine Mutter. „Am Anfang hat Jonas mit dem Arm kaum greifen können, doch am Ende der Woche hat er schon mit der Pinzette gearbeitet!“
Ist mit meinem Kind alles in Ordnung?
Annes Stimme ist voller Stolz und ihre Augen leuchten, wenn sie über ihren ältesten Sohn spricht. Das erste, was sie nach seiner Geburt am 16.04.1999 von ihm erblickte, war sein Armstumpf. „Ich wusste gar nicht, was ich da sah!“ erinnert sie sich. „Ist mit meinem Kind alles in Ordnung?“ fragte sie. „Bis auf den Arm schon!“ war die lapidare Antwort.
Anne beschloss, ihren Sohn so zu erziehen, als hätte er keine Behinderung. „Aber weil er sich beispielsweise nicht so gut hochziehen konnte wie Kinder mit zwei Händen, hat er immer nach Alternativen gesucht.“ Mit vier Jahren bekam Jonas eine erste Prothese, doch eineinahlb Jahre später passte sie ihm nicht mehr. „Mit der nächsten kam ich dann nicht mehr klar!“ sagt Jonas. „Da habe ich sie einfach im Schrank gelassen!“
Kein Problem mit der Behinderung
Den Kindern im Kindergarten und in der Schule fiel natürlich auf, dass Jonas nur einen Arm hatte. „Die erste Zeit hat jeder gefragt, was mit mir los ist!“ erzählt er. „Aber dann haben sie sich daran gewöhnt!“ Ein paar Kinder haben sich sogar ihren linken Arm nach hinten binden lassen, um Jonas nachempfinden zu können. „Gehänselt hat mich danach keiner mehr!“
Im Sommer 2007, Jonas war längst Klassensprecher in der 3. Klasse der Marbacher Grundschule, fuhr seine Mutter mit ihm nach Heidelberg. Die Universitätsklinik hatte alle eingeladen, die einmal eine Armprothese von der dortigen Orthopädie bekommen hatten. „Da hat Jonas andere Kinder getroffen, die wie er einarmig waren! Die meisten von ihnen trugen eine Prothese. Da wollte er auch eine!“
Warum eine Prothese wichtig ist
Es gibt gute Gründe, eine Prothese zu tragen. Sonst entwickeln sich im Bereich des Oberkörpers Fehlstellungen, die dazu führen, dass Muskeln schwinden (atrophieren). Für solche Argumente sind Kinder natürlich schwer zugänglich. Ihnen muss man eine Prothese, wie bei Jonas, anders schmackhaft machen.
Vom Wunsch bis zum fertigen Armersatz ist es allerdings ein weiter Weg. Jede Prothese ist Handarbeit und muss sowohl von der Form her als auch von der Farbe dem Stumpf angepasst und immer wieder anprobiert werden. Wichtig ist nicht nur, dass der kleine Patient das gute Stück benutzen, sondern auch alleine anziehen kann.
Prothesen früher und heute
Heute hat Jonas eine so genannte myoelektrische Unterarmprothese mit einem Silikonschaft. Er ist viel flexibler als der harte Münsterschaft, den seine frühere Prothese hatte, wie Simon Steffen, Abteilungsleiter Kinder- und Dysmelie/ Prothetik und Orthetik Obere Extremität von der Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg erklärt. Diese Prothese hält besser am Körper, erlaubt die volle Ellenbogenbeweglichkeit, ist leichter zu reinigen und sieht viel besser aus. Letzteres ist sehr wichtig für die Akzeptanz der Prothese für die Kinder, da sie nahezu wie ein echter Arm aussieht.
„Früher gab es Eigenkraftprothesen“, erklärt der Steffen weiter. „Da musste man mit dem gesunden Körperteil etwas tun, damit die Prothese reagierte. Dies wurde durch zum Teil recht komplizierte Bandagenführungen realisiert. Der Öffnungswinkel der Hand, gerade bei Kindern, war dadurch begrenzt. Lediglich der so genannte „Hook“(Metallhaken) erlaubte das Greifen größerer Gegenstände.“ Gut ausgesehen hat das aber nicht.
Die heutigen Prothesen werden mit den Stumpfmuskeln bewegt. Die erfordert mehr Aktivität der Muskeln, was nicht unwichtig ist. Jetzt kann die Hand bis zu einem gewissen Grad auch gedreht werden. In der Prothese sind Akkus, die im Gegensatz zu früher von außen nicht mehr zu sehen sind.
Jonas – mal mit, mal ohne Prothese
„Sie ist toll geworden!“ sagt auch Jonas, strahlt und legt seine neue Prothese zur alten, damit der Fotograf den Unterschied sieht. Da Jonas schon gut geübt hat, kann er mit dieser Prothese problemlos greifen. Das ist wichtig, wenn er Fahrradfahren oder mit seinem Bruder Simon (5) Tischtennis oder Rommé spielen will. „Das kann ich endlich ganz ohne Hilfe!“ Nur beim Trompete spielen legt Jonas seinen Kunstarm lieber ab… „Das geht besser so!“ versichert er glaubhaft.
Natürlich wird es auch weiterhin Dinge geben, die Jonas auch mit dem Kunstarm nicht machen kann. Schon alleine beim Schulsport sind ihm viele Grenzen gesetzt, denn er kann weder am Reck turnen noch Klettern. Doch weltweit arbeiten Prothetiker an der Entwicklung einer Kunsthand, die mit Fluidmuskeln ausgestattet ist und ihrem Träger Dinge ermöglicht, von denen er bislang nur träumen kann. Wenn Jonas erwachsen ist, ist diese Prothese vielleicht schon Realität.