Die Analogie ist eine grundlegende Technik komplexer Denkprozesse. Sie ermöglicht viele berufliche und soziale Kompetenzen und macht das Leben angenehmer.
Die Formel der Analogie ist simpel: A verhält sich zu B wie X zu Y, bzw. A : B <-> X : Y.
Ein konkretes Beispiel: Hund : Beine <-> Auto : Räder.
Ausgeführt lautet die Analogie, dass die Beine dem Hund genauso zur Fortbewegung dienen wie die Räder dem Auto. Das Zeichen „:“ drückt ein gleiches Verhältnis aus, in diesem Fall: „… dienen der Fortbewegung von …“.
Eine Analogie ist die Gleichsetzung eines Verhältnisses.
Die präoperative Analogie oder Nachahmung
Schon kleine Kinder spielen mit ihren Händen Flugzeug oder Auto. Sie ahmen die Bewegung eines Objektes nach. In dieser Nachahmung steckt eine Analogie, die noch nicht geistig ist, sondern sehr materiell. Die Hand verhält sich zur Bewegung der Hand wie das Flugzeug zur Bewegung des Flugzeugs.
Dabei darf man sich nicht davon stören lassen, dass diese Gleichsetzung sehr grob ist. In diesen ersten Übertragungen stecken – zugegeben noch sehr ungekonnt! – die späteren Leistungen, die Menschen zu angenehmen und achtsamen Partnern und Kollegen und zu guten wissenschaftlichen Denkern machen. Eltern sollten ihre Kinder immer zu solchen Nachahmungen ermutigen und diese respektieren.
Die konkret-operative Analogie
Im Alter zwischen fünf bis sieben Jahren entwickeln Kinder eine komplexere Form der Analogie, die an eine Tätigkeit und/oder an das kognitive Abbild einer Tätigkeit gebunden ist. Das Kind bildet die Analogie über mentale Funktionen:
Hans interessiert sich für Fußball wie sich Sarah für Harry Potter interessiert.
„sich interessieren für“ ist eine Funktion. Sie unterscheidet sich von der präoperativen Analogie vor allem dadurch, dass nicht mehr das Objekt (der Gegenstand) im Mittelpunkt steht, sondern die Handlung oder Funktion.
Die formal-operative Analogie
Zwischen dem zehnten und siebzehnten Lebensjahr entwickeln einige Kinder eine dritte Form der Analogie. Diese besteht nicht mehr aus einzelnen Funktionen, sondern aus der Konstellation von Funktionen. Man merkt das zum Beispiel daran, dass Kinder Verhaltensmuster von Menschen oder die Strukturen von Geschichten kritisch vergleichen können.
Diese Art der Analogie besteht aus mehreren Elementen ( A : B : C <-> X : Y : Z).
Sie ist für das mathematische Modellieren mit komplexen Gleichungen genauso notwendig wie für die Menschenkenntnis.
Die formal-operative Form der Analogie kombiniert Gleichheit und Ungleichheit. Sie erlaubt ein flüssiges, kreatives und zugleich reflektiertes Vergleichen.
Untersuchungen haben ergeben, dass über 80 % aller erwachsenen Menschen in westlichen Zivilisationen diese Stufe nicht mehr erreichen. Die anderen 20 % der Menschen erlangen die Fähigkeit bereichsspezifisch für das Themengebiet, das sie besonders interessiert. Eine Psychotherapeutin kann zum Beispiel formal-operative Analogien zwischen Menschen bilden (Menschenkenntnis), aber nicht zwischen Differentialgleichungen (Kenntnis formaler Sprachen und ihrer Anwendung). Einem Mathematikprofessor mag es umgekehrt gehen.
Menschen, die diese Stufe überall erreichen, kann man als hochbegabt bezeichnen.
So fördern Sie Ihre Kreativität mit Analogien
1. Tipp: Schreiben Sie Analogiesätze auf: „A verhält sich zu B wie C zu D.“ Zum Beispiel: „Harry Potter verhält sich zu Ron Weasley wie Herrchen zu Hund.“
Fällt Ihnen gerade keine gute Fortführung ein, dann lassen Sie den Satz liegen und nehmen Sie ihn sich später vor. Hier haben Sie ein kniffeliges Problem: „Sylvester Stallone verhält sich zum Feminismus wie Tom Cruise zum …..“
Bei dieser Übung ist die Qualität übrigens nicht wichtig. Eine Analogie darf auch schräg sein. Wesentlich ist nur, dass Sie diese Übung eine Zeit lang regelmäßig machen. Dadurch festigt und automatisiert sie sich und läuft dann im Hintergrund unseres Denkens ab, ohne dass wir uns anstrengen müssen. Der Effekt ist, dass wir schneller und flüssiger Analogien bilden können und wir mehr Ideen produzieren, mehr Zusammenhänge in der Umwelt erkennen. Üben also ist das A und O, nicht die Qualität.
2. Tipp: Schreiben Sie sich Analogie-Listen. Dabei ordnen Sie willkürlich zehn verschiedene Wörter zu Paaren an. Das erste Paar bestimmt das analoge Verhältnis. Zu den anderen vier Paaren begründen Sie, warum diese mit dem ersten Paar analog funktionieren. Dabei können recht seltsame Ergebnisse zustande kommen. Auf einer der Analogie-Listen des Autors stand einmal: Lego : Mama <-> Krümmelmonster : Regenwald. Probieren Sie’s aus!
3. Tipp: Probieren Sie die Cluster-Technik von Gabriele Rico, die sie in Garantiert schreiben lernen! erläutert. Auch diese beruht auf Analogiebildungen.
Fördern Sie das wissenschaftliche Denken Ihrer Kinder
Ermutigen Sie ihre Kinder, solange sie klein sind, mit den Dingen zu spielen. Die Zuckerdose kann zum Schloss werden und der Löffel zum Ritter, der den Würfelzucker (die Prinzessin) befreit und nach Hause (in den Tee) bringt. Spielen Sie den Kindern solche kleinen Geschichten auch vor.
Mit Ihren älteren Kindern (Grundschulalter) können Sie Ideen entwickeln, was man mit einer Fähigkeit alles noch machen kann. „Du hast gerade die Buchstaben aufgeklebt. Was kannst du denn noch aufkleben?“ und „Wenn du einen Zauberkleber hättest, was würdest du denn mal gerne aufkleben?“
Fragen Sie Ihre Kinder auch, warum sie zwei (oder mehrere) Sachen kombiniert haben und was der Erfolg davon war. „Du hast die Zahl der Eier durch die Zahl der Lastwagen geteilt. Was ist dabei herausgekommen? … Und wofür brauchen wir das?“
Bei älteren Kindern fragen Sie nach den wesentlichen Gesichtspunkten ihres Handelns. „Was hat dich motiviert? Was hast du dir erhofft?“, aber auch „So eine ähnliche Situation kennen wir schon. Was ist jetzt anders? … Und was ist gleich?“ Ab einer bestimmten Zeit ziehen sich Jugendliche von ihren Eltern gerne zurück. Nehmen Sie das ganze mit Humor und bilden Sie vorsichtige, nicht verletzende Vergleiche.
Kinder werden durch diese Techniken nach einiger Zeit wesentlich gelassener und humorvoller. Sie haben auch mehr Freude an ihren Denkleistungen und mehr Lust auf knobelige Aufgaben und herausfordernden Problemen.
Metakognition, Eselsbrücken und Humor
Mit Metakognition wird die Fähigkeit bezeichnet, seine Denkprozesse bewusst zu steuern. Darin ist auch die aktive Suche nach Analogien eingeschlossen. In der Fähigkeit zur Metakognition ist auch der Unterschied zwischen präoperativen und formal-operativen Analogien begründet. Beide können manchmal recht irrsinnig oder überraschend aufschlussreich sein. Während aber die präoperative Phase zwei Dinge miteinander verwechselt, sucht der „erwachsene Analogisierer“ diese ganz bewusst auf. Er provoziert die Analogie.
Erwachsene Lerner nutzen zum Beispiel ganz bewusst Eselsbrücken. Eselsbrücken sind häufig Analogien. „Trenne nie ST, denn es tut ihm weh!“ basiert auf der Analogie ST : trennen <-> ihm (=mir) : weh tun.
Nicht zuletzt sind Komiker solche kreativen Analogienbildner, von Stan & Laurel bis Mr. Bean. Sie lassen sich von den Tatsachen nicht vereinnahmen, sondern können ihnen ganz bewusst ihren Stempel aufprägen. Die liebste Schablone für komische Analogien bildet das Verhältnis Mann : Frau, dabei weiß doch jedes Kind, dass Männer sich zu Frauen wie Esel zu Eselsbrücken verhalten. Sie kommen nicht drüber weg.
Fazit
Analogien sind ein wesentliches Denkwerkzeug für kreatives und wissenschaftliches Denken. Die Fähigkeit, flüssig komplexe Analogien zu bilden, wird allerdings nur von wenigen Erwachsenen erreicht.