Psyche kann Krankheiten verursachen und ihren Verlauf beeinflussen. Diese Erkenntnis ist alt und modern zugleich. Jene Wirkung lässt sich aber schwer beschreiben.
Wenn man Krankheiten auf den Grund geht, findet man oft psychische Ursachen. Andauernde Konflikte, Traumata und Stress lösen eine Kettenreaktion aus. Sie bewirken körperliche Fehlfunktionen, die über Autonomen Nervensystem und Hormonsystem vermittelt werden. Infolgedessen entstehen Gewebsschädigungen.
Dieses Schema erklärt psychosomatische Erkrankungen, wie Koronare Herzkrankheit, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, Asthma Bronchiale. „Man bezeichnet Krankheiten als psychosomatisch, wenn Psychisches den Verlauf der Krankheit beeinflusst oder eine Teilursache, wenn nicht gar die primäre Ursache der Erkrankung darstellt“.
Schon die alten Griechen
Im antiken Griechenland waren Ärzte wie Hippokrates oder Galen davon überzeugt, dass das Psychische hinter den Krankheiten steckt. In ihrer Praxis spielte diese Erkenntnis jedoch keine bedeutende Rolle. Mit der Geburt der modernen Medizin – naturwissenschaftlich orientiert – wurde die Psyche vergessen. Am Ende des 19. Jahrhundert betrachtete man psychische Ursachen als irrational.
Die Rückkehr des alten Gedanken im 20. Jahrhundert begleiteten heftige Proteste. Dafür war das Dogma der organischen Entstehung von Krankheiten verantwortlich. Inzwischen ist zwar die Abneigung überwunden, dennoch findet Psyche im medizinischen Alltag zu wenig Beachtung.
Stress verändert
Dabei können psychische Belastungen alle Funktionssystemen des Körpers verändern. Stress als psychologischer Risikofaktor wird in diesem Zusammenhang am häufigsten genannt. „Es sind eben alle psychologischen Situationen und Konstellationen, die über längere Zeit die physiologische Stressreaktion hervorrufen, die ja die Erhöhung von Blutdruck, LDL-Konzentration (LDL – Low Density Lipoproteine; das „böse“ Cholesterin, Anm. GG) und Blutgerinnungsfähigkeit impliziert“.
Typ A und Herz
Ray Rosenman und Meyer Friedman, zwei amerikanische Kardiologen versuchten in den 50 und 60ger Jahren des 20. Jahrhundert eine direkte Verbindung zwischen Koronaren Herzkrankheit und einem bestimmten Verhaltensmuster zu beweisen. Sie führten an 3,5 Tausend Männern eine große Untersuchung durch. Demnach wiesen Menschen, die dem Typ A-Verhaltensmuster entsprachen, die doppelte Erkrankungsrate.
Die Beschreibung vom Typ A bezog sich im großen Teil aufs Berufsleben: ständiges Arbeiten unter Zeitdruck und an der Leistungsgrenze. Unter Stress versucht solch ein Mensch, die Situation gänzlich zu kontrollieren. Wenn ihm das nicht gelingt, verfällt er in Resignation.
Der Typ ist nicht schuldig
Der Gedanke war verlockend: Wenn ein Verhaltensmuster für die schwere Herzkrankheit verantwortlich wäre, hätte man ihr einfach durch die Veränderung des Verhaltens vorbeugen können. Das Typ A-Forschungsprojekt gehört zu den aufwendigsten in der Geschichte der Psychologie. Am Ende der weiteren Untersuchungen von Stephanie Booth-Kewley und Howard Friedman stellte man 1987 jedoch fest, dass sich ein Zusammenhang zwischen dem Typ A-Verhaltensmuster und Koronarer Herzerkrankung kaum nachweisen lässt.
Viel komplizierter
Das Scheitern des Typ A-Forschungsprojektes bedeutet, dass es keine einfachen Verknüpfungen zwischen Psyche und Krankheit gibt. Vielmehr handelt sich hier um ein komplexes wechselseitiges Spiel. „Eine psychosomatische Erkrankung ist Resultat komplizierter Interaktionen von organischer Disposition (habe diese einen erblichen Anteil oder nicht), persönlicher Lerngeschichte (insbesondere was neurohumorale* bedingte Reaktionen auf Hinweisreize betrifft), und der spezifischen Lebenssituation, in der sich der Patient befindet und in den letzten Jahren befunden hat“.
* Durch Vermittlung der Nerven und des Blutstroms wirkende.