Alkoholismus ist seit 1968 als Krankheit anerkannt. Der sorglose Umgang mit Alkohol führt nicht selten in die Sucht. Die Folgen sind schwerwiegend.
Die Droge Alkohol gehört zum Alltag und begegnet uns überall. So ist der Aperitif und das Glas Wein zum Essen genau so eine Selbstverständlichkeit wie das Gläschen Sekt zum Anstoßen, wenn es etwas zu feiern gibt. Ein Kräuterschnaps gehört für den einen zur guten Verdauung, für den anderen ist das Bier vor dem Fernseher eine feste Gewohnheit. Dagegen ist nichts einzuwenden – oder doch?
Alkoholabhängigkeit ist eine schwere Krankheit
Es gibt Menschen, die ihr Leben lang Alkohol konsumiert haben und damit steinalt geworden sind. Ihnen ist der Weg in die Abhängigkeit erspart geblieben. Selbstverständlich wird nicht jeder zum Alkoholiker, dennoch wird die Gefahr, in eine Alkoholkrankheit zu rutschen, häufig unterschätzt. Anders lassen sich die 1,5 Millionen in Deutschland lebenden Alkoholiker kaum erklären. Weitere vier Millionen gelten als gefährdet, von der Dunkelziffer ganz zu schweigen. Das Einstiegsalter sinkt stetig und immer mehr Kinder und Jugendliche werden durch den leichtfertigen Umgang mit Alkohol zu Komasäufern.
Seit 1968 ist Alkoholismus als Krankheit anerkannt. Dennoch spukt in vielen Köpfen beim Begriff des „Alkoholikers“ immer noch das Bild einer torkelnden und lallenden verkrachten Existenz herum, die es nicht verdient hat, dass man ihr Aufmerksamkeit schenkt. Wird einem Krebskranken ganz selbstverständlich Anteilnahme entgegen gebracht, so stößt ein Alkoholkranker auf Ablehnung, im schlimmsten Fall auf Verachtung. Alkoholkranke haben nicht nur unter den verheerenden körperlichen, seelischen und sozialen Folgen ihrer Krankheit zu leiden, sondern werden darüberhinaus von der Gesellschaft nicht selten verspottet, ausgegrenzt und diskriminiert.
Die häufigsten Motive zum Trinken
Die Gründe, warum jemand zur Flasche greift, sind unterschiedlich. Oft dient das Bier am Feierabend oder das Gläschen zwischendurch zum Abbau von inneren Spannungen oder Stress. Mal soll es beim Einschlafen helfen, mal die Schüchternheit überwinden. Der Genuss von Alkohol wird positiv erlebt, indem er als entspannend, beruhigend, gesellig machend, Langeweile abbauend, leistungsfähiger machend, leichter und fröhlicher fühlend oder appetitanregender empfunden wird. Wenn die positiv erlebte Wirkung von Alkohol gezielt durch Trinken gesucht wird, ist das Trinkverhalten bereits problematisch.
Alkoholproblem oder bereits abhängig?
Der Weg in die Sucht ist oft schleichend. Wer es nicht schafft, ganz bewusst einmal zwei Wochen lang völlig auf Alkohol zu verzichten, dürfte bereits ein ernstes Problem haben.
Typische Warnzeichen:
- Häufiger Drang nach Alkohol
- Immer mehr Alkohol zum Erzielen der gewünschten Wirkung
- Kontrollverlust über Anfang und Ende des Trinkens (beim Feiern kein Ende finden)
- Entzugssymptome, Zittern der Hände
- Veränderung des Tagesablaufs
- Heimlicher Alkoholkonsum
- Verleugnen von Alkoholkonsum
Der Amerikaner Elvin Morton Jellinek beschrieb als erster die vier Phasen des Alkoholismus, die auch heute noch gebräuchlich sind:
Die voralkoholische Phase:
Das Trinkverhalten ist unauffällig und es wird hauptsächlich aus sozialer Motivation getrunken. Alkohol wird als erleichternd und angenehm erlebt. Personen, die unter Hemmungen oder Ängsten leiden, sind womöglich mehr gefährdet, dennoch ist in dieser Phase noch nicht vorhersehbar, ob jemand abhängig wird. Die Besonderheit in der voralkoholischen Phase besteht darin, dass im Umfeld niemand Verdacht schöpft, der Betroffene selbst aber schon ahnt, dass er Alkohol braucht, um sich gut zu fühlen.
Die Anfangsphase:
Die Entwicklung einer Abhängigkeit kann lt. Jellinek zwischen sechs Monaten und zwölf Jahren dauern. Die Betroffenen spüren, dass sich ihr Trinkverhalten ändert. Nicht selten beginnt bereits in dieser Phase das heimliche Trinken und das Anlegen von Alkoholvorräten. Die Gedanken kreisen immer öfter um Alkohol. Auch diese Phase bleibt im Umfeld der Betroffenen meistens unbemerkt. Die Betroffenen selbst legen großen Wert darauf, ihren tatsächlichen Alkoholkonsum zu verbergen. Nur sie selbst wissen, dass etwas nicht stimmt, sogenannte „Filmrisse“ und Gedächtnislücken können auftreten. Die Abhängigkeit steht bevor. Die Betroffenen entwickeln Schuldgefühle und vermeiden Gespräche über Alkohol. Der hohe Alkoholkonsum fällt dem Umfeld noch nicht auf, allenfalls der/die Partner/in werden damit konfrontiert. Diese neigen jedoch in der Regel eher dazu, das Alkoholproblem zu bagatellisieren und den/die Partner/in zu entschuldigen und zu schützen.
Die kritische Phase:
In dieser Phase ist die Krankheit nicht mehr zu verleugnen und wird auch von der Umgebung wahr genommen. Kontrollverluste treten auf. Der Betroffene stößt vermehrt auf Ablehnung in der Gesellschaft. Bereits die kleinste Menge Alkohol reicht aus, um den Drang nach mehr auszulösen. Er ist aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage, den Alkoholkonsum zu beenden. Allerdings besteht noch die Kontrolle, ob und wann getrunken wird. Nach Trinkbeginn kommt es immer wieder zu Exzessen. Eine andere Variante in dieser kritischen Phase ist das sogenannte „Spiegeltrinken“. Der Spiegeltrinker hält seinen Level mit einer gewissen Promillegrenze und trinkt möglicherweise über Jahre hinweg weitgehend ohne Kontrollverlust. Dennoch fällt auch er über kurz oder lang durch verändertes Sozialverhalten und Wechselbäder der Gefühle auf. Das Denken und das Verhalten des Betroffenen konzentriert sich in dieser Phase immer mehr auf den Alkohol. Interessen, Ernährung und Beziehungen werden vernachlässigt. Viele verlieren bereits in dieser Phase ihren Arbeitsplatz oder den Partner und die Familie.
Die chronische Phase:
In der chronischen Phase folgt der seelische und körperliche Abbau. Es wird regelmäßig getrunken mit zum Teil tagelang anhaltenden Rauschzuständen und immer wieder auftretenden Exzessen. Spätestens in dieser Phase geht der Arbeitsplatz und meistens auch die Familie verloren. Nicht selten folgt ein Verlust der Wohnung und Obdachlosigkeit schließt sich an. Das Trinken beherrscht das Leben der Betroffenen und wird wichtiger als das Essen. Die meisten chronisch kranken Alkoholiker leiden zudem an schweren Angststörungen. Freiwillige oder unfreiwillige Trinkpausen können in diesem Stadium Lebensgefahr bedeuten. Schwere Komplikationen, wie Krampfanfälle oder Delirien sind möglich.