Chrom im Leder kann Allergien verursachen. Umweltschutzbedingungen in Deutschland sind gut, aber in Entwicklungsländern kommt es durch Chrom zu Problemen.
Die Geschichte der Lederproduktion geht so weit zurück, dass sie „auf keine Kuhhaut geht“. Schon Rindern im alten Ägypten wurde das Fell über die Ohren gezogen, um Kleidung und Pergament herzustellen. Im Mittelalter entstand das Sprichwort „Stinkende Hände machen reiche Leute“. Damals bereitete man die Häute noch mit Hundekot auf das Gerben vor. Der Geruchsintensität des Handwerks begegnete man damit, dass Gerbereien aus der Stadt ausgegliedert wurden.
Nach der Industrialisierung boomte die deutsche Schuh- und Lederindustrie. Doch mit zunehmenden Umweltauflagen in den 1970er und 1980er Jahren verlagerte das Ledergewerbe die Produktion immer mehr ins Ausland. Laut Umweltbundesamt fallen bei der Produktion von 500 Kilogramm Leder bis zu 250 Kilogramm Chemikalien an, und die Kosten für Umweltschutzmaßnahmen in europäischen Gerbereien werden auf 5 Prozent des Umsatzes geschätzt: Abwässer werden vorgeklärt, Chrom in Rückgewinnungsanlagen aufbereitet. Doch die meisten Gerbereien in Entwicklungsländern können sich die teuren Anlagen nicht leisten, was folgenreich für Mensch und Umwelt ist.
Chinesische Schuhe, schottische Preise
Billige Arbeitslöhne und weniger strenge Umweltregelungen der Entwicklungs- und Schwellenländer entfalteten auch in der Lederindustrie ihre Sogwirkung. Der größte Produzent von Rinderrohhäuten ist heutzutage China. Weitere wichtige Lieferanten sind Brasilien und Indien. China liefert auch den Großteil an Fertigleder. Italien belegt nach Angaben des Lederzentrums hier noch den zweiten Platz, gefolgt von Brasilien, Südkorea, Indien und Argentinien.
Fertigleder geht zum Beispiel in die Schuhproduktion. Die 4,48 Paar Schuhe, die jeder Deutsche laut Statistik im Jahr kauft, haben meist schon einen weiten Weg hinter sich: Über die Hälfte von ihnen kommt aus China. Vietnam, Italien, Indonesien und Indien schicken Schusters Rappen zahlenmäßig auf dahinter liegenden Plätzen ins Rennen. Ein riesiger Transportaufwand nach einem Energie schluckenden Herstellungsprozess macht sich dabei nicht im Endpreis bemerkbar: 2016 betrug der Durchschnittspreis eines importierten Schuhs 9,80 Euro.
Chemie im Leder
Leder ist eigentlich ein Naturprodukt. Ob Rind, Schaf oder Ziege, sie alle müssen aus ihrer Haut, für Schuhe, Jacken, Möbel Autositze und vieles mehr. Vom Schlachthof werden die Häute an einen Händler oder direkt an eine Gerberei gegeben. Für den Transport werden sie mit Konservierungsstoffen behandelt. Hier entfernt sich das Produkt zum ersten Mal von der Natürlichkeit, denn zum Konservieren werden häufig synthetisch-chemische Mittel eingesetzt, wie beispielsweise Methylenbisthiocyanat, das gewässerschädigend und fischgiftig ist.
Chemische Mittel werden zudem eingesetzt, um restliches Fett, Fleisch und Haare zu entfernen. Weiterhin chemisch verläuft die Vorbereitung auf das Gerben, bei der die Hautzellen für den Gerbstoff geöffnet werden. Die Gerbung ist notwendig, damit zum Beisiel dem Bayern nicht die Lederhose ums Bein verrottet. 90 Prozent der Lederprodukte weltweit werden dafür mit Chrom behandelt. Das nennt man dann „mineralische Gerbung“, was erstmal ganz harmlos klingt. Doch muss man hier genauer hinschauen.
Chromallergie durch Leder
Gerbstoffe vernetzen Kollagenfasern der Haut und machen sie so resistent gegen mikrobielle Zerstörung. Schnell und billig ist dabei die Gerbung mit Chrom (III). Doch muss es erst mal unter hohem Energieaufwand gewonnen und über weite Strecken zum Bestimmungsort transportiert werden. Kommt es mit Flüssigkeit in Berührung, oxidiert es zu Chrom (VI), auch Chromat genannt. Dies geschieht beispielsweise bei der weiteren Verarbeitung wie beim Färben. Hängt Chrom im Schuh, wird der Prozess aber auch durch unseren Schweiß ans Laufen gebracht.
Das Chrom (VI) kann in unsere Haut eindringen. Als Allergen entfaltet es hier seine Wirkung, die sich in juckenden Füßen und Ekzemen zeigt. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung reagieren allein in Deutschland eine halbe Millionen Menschen empfindlich auf diesen Stoff. Aber auch bei Nicht-Allergikern kann es zu Hautreizungen kommen. Chromstäube können Geschwüre verursachen, die sogenannte „chrome holes“ hinterlassen; Narben, die von der Hartnäckigkeit des Geschwürs zeugen. Für die Arbeiter der Lederindustrie sind hohe Sicherheitsstandards lebenswichtig, denn das Einatmen von Chromat ist krebserregend.
Zu viel Chrom in Lederwaren
Das Bundesinstitut für Risikobewertung stellte fest, dass viele Lederprodukte wie Handschuhe, Schuhe oder Lederarmbänder zu viel Chrom (VI) enthalten. Der Chromgehalt von Lederwaren ist derzeit, mit Ausnahme des Arbeitsschutzbereichs, gesetzlich nicht geregelt.
Öko Test wies neben Chrom krebserregende aromatische Amine aus Azo-Farbstoffen in Lederhandschuhen nach. Außerdem fand man halogenorganische Verbindungen aus Konservierungsstoffen, die Leber, Nieren und das Nervensystem schädigen können. Und da wären noch: antimikrobielles, allergenes o-Phenylphenol; Chlorparaffine als Flammschutzmittel und Weichmacher, die schon in Muttermilch nachgewiesen wurden, sich in der Umwelt anreichern und giftig für Wasserorganismen sind; Dibutylzinn (DBT), das in Immun- und Hormonsystem eingreift. Die Liste der schädlichen Stoffe ist lang, die Leder kein „Naturprodukt“ und uns verunsichert sein lassen.
Umweltverschmutzung durch Lederproduktion
Ökologische und soziale Standards werden in Entwicklungsländern vernachlässigt, um auf dem Weltmarkt mithalten zu können. Den Käufern geht es um niedrige Preise, Importeure geben keine Vorgaben, was Schadstoffe angeht.
Durch das Auswaschen der Häute kommt es zur Versalzung der Böden, Schwermetalle gelangen mit den Chromschlämmen in Boden und Grundwasser, es kommt zu Ernteeinbußen, von gesundheitlichen Schädigungen ganz zu schweigen. Viele Gerbereien in Indien stehen am Ganges. Eine kleine Umweltorganisation bemüht sich schon seit Jahren, mit einer Kampagne auf die Missstände aufmerksam zu machen und den heiligen Fluss zu reinigen. Doch kämpfen sie gegen WIndmühlen. Die gesamte Branche müsste umdenken, um die Umweltverschmutzung wirksam zu bekämpfen.
Pflanzlich gegerbtes Leder
Nachhaltigkeit scheint in der Lederindustrie ein zähes Thema zu sein. Doch schließen sich die beiden Bereiche nicht aus: Gerbereien, die mit pflanzlichen Mitteln gerben, wie es in früheren Zeiten üblich war, machen es vor. Schwermetallfreie Farben und der Verzicht auf schädliche Stoffe zur Oberflächenbeschichtung lassen das Leder hier zusätzlich sein, was es ist: ein individuelles Naturprodukt.
Pflanzlich gegerbtes Leder lässt unsere Füße aufatmen, und dies wortwörtlich: Die Fasern werden nicht mit Chrom „zugestopft“, der Fuß gerät nicht mehr ins Schwitzen und muss auch keine Angst mehr haben vor allergenem Chromat. Die Gerbstoffe sind nachwachsend, chromverseuchte Schlämme fallen nicht an und auch die Entsorgung des Endproduktes ist dadurch weniger problematisch. Pflanzlich gegerbtes Leder wird in vielen Bereichen eingesetzt: für Möbel, Accessoires und beispielsweise auch für Hundeleinen.
Vielleicht setzt ein Umdenken in der Branche ein, je mehr Verbraucher nach pflanzlich gegerbtem Leder fragen; und das hoffentlich nicht erst, wenn die ersten Ekzeme einer Chromallergie auftreten.