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Alkohol tötet langsam

Eine gerne verdrängte Sucht mit schweren Folgen. Alkoholismus ist in Deutschland ein Massenphänomen. König Alkohol fordert jährlich 42.000 Tote. Und immer mehr Jugendliche greifen zur Flasche.

Viele reden über das Rauchen, sehr viel weniger über eine andere Sucht mit katastrophalen Folgen: Die Alkoholsucht. In Deutschland sind mindestens 1,6 Millionen Menschen alkoholabhängig, weitere 2,7 Millionen pflegen einen „riskanten“ Trinkstil, schaden ihrer Gesundheit und schweben in Gefahr, in die Abhängigkeit ab zu rutschen. Alkohol kann nicht nur die Gesundheit zerstören, sondern auch Familien und den Arbeitsplatz. Die Kosten für Krankenversorgung, die Folgen der Verkehrs- und Arbeitsunfälle sowie Ausfallzeiten summieren sich jährlich zu weit über 30 Milliarden Euro.

Jahr um Jahr fordert König Alkohol rund 42.000 Tote, ob direkt oder durch Unfälle. Alkoholkranke Frauen bringen in Deutschland jährlich bis zu 3.000 Kinder zur Welt, die schwere alkoholbedingte Schäden haben – damit zeichnet sich eine Katastrophe ab, die die Contergan-Affäre zahlenmäßig übertrifft.

„Komasaufen“ und langsame Sucht

Alarmierend ist die Entwicklung bei Jugendlichen. Während sie weniger rauchen und kiffen als früher, setzen sich viele immer mehr dem Alkohol aus – das „Komasaufen“ gilt als angesagt. Mehr als jeder zweite unter 18 hat schon Schnaps getrunken, das Einstiegsalter sinkt. Wer schon mit beispielsweise zwölf Jahren zu trinken anfängt, schädigt das noch unausgereifte Gehirn massiv, die Gefahr, sehr bald abhängig zu werden, steigt rapide.

Die Gesellschaft schaut meistens weg. Das hat mit dem Doppelgesicht der Droge Alkohol zu tun: Einerseits sind alkoholische Getränke Bestandteil der Alltagskultur und leicht verfügbar, wobei die meisten damit umgehen können. Andererseits gibt es eine beträchtliche Minderheit, die eben dies nicht kann. Weshalb genau, das weiß die Medizin nicht. Manche werden nach dem ersten Kontakt mit Alkohol abhängig, die meisten aber erst im Laufe einer langen „Alkoholkarriere“. Der Übergang zur Sucht ist schleichend – „Alkohol tötet langsam“.

Als Faustregel gilt: Wer regelmäßig viel trinkt, hat gute Aussichten, abhängig zu werden.

Benennung des Problems: „Du trinkst!“

Die Sucht ist äußerst komplex und eine Mischung aus körperlicher und seelischer Abhängigkeit. Viele Betroffene belügen sich lange selbst, scheuen sich, die Abhängigkeit vor sich und anderen einzugestehen. Auch das Umfeld trägt Verantwortung – die Ehefrau, die ihren alkoholkranken Mann immer wieder deckt, der Vorgesetzte, der lange nur zuschaut. Dabei ist die klare Benennung des Problems („Du trinkst!“) oft der erste richtige Schritt.

Nur wenige suchen professionelle Hilfe, obwohl der Alkoholismus im Alleingang kaum zu bewältigen ist. Dabei gibt es viele Möglichkeiten zur Entgiftung und Entwöhnung, ob stationär oder ambulant. Die Erfolgsquote ist besser als beispielsweise bei Rauchern oder Heroinabhängigen. Allerdings macht sich der Alkoholiker, der „trocken“ werden möchte, auf einen lebenslangen Weg. Er leidet unter einer schweren, chronischen Krankheit. Eine ursächliche Heilung ist nicht möglich, der Alkoholiker wird nie wieder zum „kontrollierten Trinken“ zurückfinden. Die Sucht hat tiefe Spuren im Gehirn hinterlassen, die Gefahr von Rückfällen droht. Hier haben sich die Selbsthilfegruppen wie die Anonymen Alkoholiker und andere bewährt, die in jeder Stadt Anlaufzentren haben.

Jede Schicht trinkt

Hierzulande wird der Alkoholiker bisweilen noch stigmatisiert. Manchen gilt er als willensschwach, vergleichbar dem „Penner auf der Parkbank“. Dabei wird quer durch die sozialen Schichten getrunken – unter Hausfrauen und Chefärzten, bei Richtern, Hilfsarbeitern und Professoren. In den USA geht man viel offener damit um. Jeder Hollywoodstar, der sich zur Therapie in die Klinik begibt, kann auf öffentlichen Beifall hoffen – denn er tut das Richtige.