Die Prozesse nach dem Tod sind Teil der Wiederverwertung jener Energie und Materie, aus denen das Universum besteht und deren Bestandteil auch der Mensch ist. Schon in der Bibel heißt es treffend: „Denn Staub bist du, und zum Staub musst du zurück“ (Genesis 3,19). Ob man an das Weiterleben der Seele glaubt oder nicht: Eine der wenigen Gewissheiten im Leben besteht darin, dass der Verbund von Atomen, das, was „menschlicher Körper“ genannt wird, nach dem Tod zerfällt. Denn aus was setzt er sich schließlich zusammen? Aus 63 Prozent Wasserstoff, 24 Prozent Sauerstoff, zwölf Prozent Kohlenstoff und einem Prozent anderer Stoffe. Sich mit dem Verwesungsprozess des menschlichen Körpers auseinanderzusetzen ist nicht jedermanns Sache. Aber es ist ein Thema, durch das der Tod unter einem anderen Blickwinkel betrachtet wird und das die Zeit auf der Erde in einen globalen Bezugsrahmen stellt: den Kreislauf des Werdens und Vergehens und abermaligem Werden.
Der Verwesungsprozess setzt unmittelbar nach dem Tod ein
Wie einleitend angesprochen, ist die Verwesung eines Menschen weder ein erfreulicher noch appetitlicher Anblick. Der Geruch, der mit der Zersetzung des Körpers einhergeht, dürfte Grund dafür sein, dass sich eine Vielzahl an Bestattungsformen herausgebildet haben. All den Zeremonien – sei es die Erdbestattung, die Verbrennung oder die „Himmelsbestattung“, bei der die Leichen den Geiern zum Fraß ausgelegt werden – ist gemeinsam, dass sie die Zersetzung des Körpers als einen abstoßenden Zustand wahrnehmen und die Befreiung der Seele in den Mittelpunkt stellen. Der Verwesungsprozess des menschlichen Körpers setzt zwar wenige Minuten anch dem Stillstand der lebenswichtigen Funktionen ein, doch werden die Folgen dieses Prozesses erst einige Tage nach dem Tod sichtbar. Dann bietet sich ein Anblick, der vor allem jene traumatisieren kann, die nicht mit den Fäulnisvorgängen von organischer Materie vertraut sind. Bevor ein Leichnam dieses Stadium erreicht, weist er eine Reihe charakteristischer Veränderungen auf.
Livor mortis
Zu den ersten sichtbaren Veränderungen bei einem toten Menschen, gehört die Leichenblässe beziehungsweise Leichenflecken – medizinisch livor mortis. Die Haut verliert ihre natürliche Farbe und verfärbt sich blauviolett. Dies geschieht, weil das Blut sich aufgrund der Schwerkraft in den untersten Regionen des Organismus ansammelt. Die Leichenblässe tritt unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Blutzirkulation ein und erreicht ihren Höhepunkt zwölf Stunden nach dem Tod. Die Verteilung der Leichenflecken ist stark von der Körperposition zum Zeitpunkt des Todes beeinflusst. Bis zu sechs Stunden nach dem Todeseintritt lassen sich die Leichenflecken „umlagern“. Wird die Position des Toten verändert, so verlagern sich auch die Leichenflecken unter dem Einfluss der Schwerkraft. In der Rechtsmedizin ist das ein äußerst nützlicher Umstand, um zu bestimmen, ob der Leichnam bewegt wurde.
Algor mortis
Eine zweite wichtige Veränderung nach dem Tod ist das allmähliche Erkalten des Körpers, die Leichenkälte – algor mortis. Die Temperatur gleicht sich allmählich an die Außentemperatur an. Dieses Erkalten wird stark von einer Reihe zusätzlicher Faktoren beeinflusst (Kleidung, Wärmeabstrahlung und Verdunstung an der Körperoberfläche, Wärmeabtransport durch die Luftströmung). Allgemein kann der Todeszeitpunkt bestimmt werden, indem ein Absinken der Temperatur um zwei Grad Celsius in der ersten Stunde und um ein weiteres Grad in jeder folgenden Stunde berechnet wird. Doch zählt der Algor mortis zu den unsicheren Todeszeichen, da auch noch lebende Personen durchaus eine Unterkühlung aufweisen können.
Rigor mortis
Die gravierendste Veränderung des Körpers, die in den ersten Stunden nach dem Tod eintritt, ist die Totenstarre – rigor mortis. Sie ist eines der sicheren Todeszeichen. Die Totenstarre tritt zwei bis drei Stunden nach dem Tod ein und wird durch die Versteifung der Muskeln ausgelöst. Als erstes erfasst die Totenstarre die Gesichts- und Halsmuskeln und setzt sich zu den unteren Gliedmaßen fort. Nach zwölf bis achtzehn Stunden ist der Tote buchstäblich „leichenstarr“. Dieser Zustand kann bis zu drei Tage nach dem Ableben anhalten. Wird die Starre eines Muskels durch Fremdeinwirkung gebrochen, bevor sie sich vollständig ausgebildet hat, setzt nach einiger Zeit an diesem Muskel eine neue Starre ein, bedingt durch die Fasern, die zuvor nicht erstarrt waren. Durch Zersetzungsvorgänge beginnt sich die Starre vierundzwanzig bis spätestens achtundvierzig Stunden nach dem Tod wieder zu lösen, ohne ein weiteres Mal einzusetzen. Was dann folgt, ist die Autolyse post mortem – die Selbstauflösung beziehungsweise Selbstverdauung der menschlichen Zellen nach dem Tod.