Aggressivität ist genetisch verankert. Forscher fanden einen Gendefekt bei Verbrechern, die durch besondere Impulsivität ihrer Taten auffielen.
Zu denken, bevor man handelt, ist eine Verhaltensweise, mit der jedermann gut beraten ist. Wenn es jedoch so einfach wäre, gäbe es wohl weit weniger Verbrechen und Unfälle. Wenn man einerseits mit einer Entscheidung zu lange wartet, geht einem leicht eine Chance durch die Lappen. Andererseits bringt man durch vorschnelles Handeln oft sich selbst und andere in Gefahr. Besonnenheit setzt also komplexe Vorgänge des Einschätzens und Abwägens voraus. Molekular betrachtet stellen diese Vorgänge eine Interaktion der Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn dar. Signalstoffe, sogenannte Neurotransmitter, übermitteln dabei Botschaften zwischen den Nervenzellen. Um die Signale empfangen zu können sind Neuronen mit Rezeptor-Proteinen ausgestattet, die wie Antennen für Neurotransmitter funktionieren. Bauplan für diese Rezeptoren ist die DNA. Das bedeutet, ein Gendefekt hat einen defekten Rezeptor zur Folge, was wiederum die neuronale Interaktion stört und im Endeffekt das Verhalten beeinflussen kann. Verhaltensauffälligkeiten, wie starke Impulsivität, stehen in engem Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen, wie Hyperaktivität (ADHS), dem Borderline Syndrom und Drogenabhängigkeit und sind oft Auslöser für Gewaltverbrechen.
Genanalyse einer Gründerbevölkerung
Laura Bevilacqua vom National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism, Maryland, USA und ihr Team wollten anhand einer Studie klären, ob es eine genetische Auffälligkeit gibt, die unüberlegtes Handeln zur Folge hat; sozusagen ein Aggressivitätsgen.
Dazu untersuchten sie die DNA von 96 finnischen Schwerverbrechern, die durch besonders aggressive Vorgehensweise aufgefallen waren. Zum Vergleich wurde das Erbgut von 96 kriminalistisch unauffälligen Finnen analysiert. Der Grund, warum Bürger Finnlands für die Studie gewählt wurden, ist folgender: Finnland wurde im wesentlichen von 2 Immigrationswellen vor 2.000 beziehungsweise 4.000 Jahren besiedelt. Seither lebt die Bevölkerung relativ isoliert, deshalb gibt es vergleichsweise wenig genetische Veränderungen. An einem sogenannten Gründervolk kann man deshalb die Effekte seltener Gene besser studieren.
Ein defekter Rezeptor macht aggressiv
Die Forscher fanden dabei einen Gendefekt, den sie Q 20* nannten und der bei Schwerverbrechern 3 mal so häufig vorkommt, wie bei Probanden ohne Vorstrafe. Träger dieses Gendefekts hatten im Schnitt 5 Schwerverbrechen begangen, die von Aggressivität zeugten, nicht von Vorsatz. 3 der Probanden waren wegen mehrfachen Mordes verurteilt worden, alle 3 trugen die Q 20* Mutation. Diese hat bei Betroffenen einen defekten HT 2B – Rezeptor zur Folge, der wohl mit den Neurotransmittern Dopamin und Serotonin interagiert. Beide Botenstoffe beeinflussen das Verhalten. MDMA, besser bekannt als die Partydroge Ecstasy, stimuliert die Ausschüttung von Serotonin und Dopamin, indem es besagten HT 2B Rezeptor aktiviert. Frühere Studien haben gezeigt, dass ein niedriger Serotoninspiegel Impulsivität auslöst. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind noch nicht im Detail verstanden.
Abgleiche mit der weltweiten Gendatenbank zeigen, dass Q 20* nur bei den Bürgern Finnlands vorkommt. „Es ist aber im höchsten Maß unwahrscheinlich, dass nur Finnen einen Gendefekt haben, der zu Impulsivität führt.“ sagt Laura Bevilacqua. Obwohl Q 20* das Verhalten beeinflusst, kann es wohl nicht allein für Aggressivität verantwortlich gemacht werden. Männliches Geschlecht, der Testosteronspiegel, Alkohol und zusätzliche Faktoren, wie Stress, spielen erwiesenermaßen ebenfalls eine Rolle.