Grammatische, stilistische und ausgesprochen wertende Betrachtungen. Adjektive haben es in sich: Sie entscheiden über zutreffende Merkmale, stellen Vergleiche an, geben Sätzen einen bestimmten Sinn und wissen haargenau, wo sie hingehören.
Das Adjektiv wird auch Eigenschaftswort genannt. Genau genommen ist es ein hinzugefügtes oder beigefügtes Wort, abgeleitet von dem lateinischen Verb adicere. Aber adicere bedeutet auch vermehren, vergrößern – und das trifft die Sache doch haargenau: Adjektive bereichern unsere Sprache!
Ausdrucksfomen des Adjektivs
Das Adjektiv beschreibt ja nicht nur eine Eigenschaft wie warm, rot, lebendig. Nein, es dient auch der Orientierung: Man nehme es täglich. Der Mond schien golden. Irren ist menschlich. Aber es kann noch viel mehr. Es kann einen Eindruck von etwas oder jemandem wiedergeben: ein kuscheliges Bett, eine saftige Birne, eine angenehme Atmosphäre. Es kann eine Bewertung vornehmen : ein exzellenter Wein, eine phantastische Aussicht, ein vorbildliches Benehmen. Es kann ein Verhalten beschreiben: ein spielendes Kind, eine freundschaftliche Geste, ein grinsender Mund. Und schließlich kann es auch die Eignungvon etwas oder jemandem beurteilen: ein unerklärliches Phänomen, ein unterhaltsamer Abend, eine glaubhafte Aussage.
Selbstverständlich kann man das Ganze noch steigern: Lebewesen, Gegenstände, Geschehnisse oder Zustände werden aufgrund eines gemeinsamen Merkmals in ein Verhältnis gesetzt oder miteinander verglichen. Und das in verschiedenen Abstufungen bzw. Graden.
Die Komparation des Adjektivs
Der gleiche Grad = Positiv
- so blau wie der Ozean
- als nähere Bestimmung: genauso spannend wie das erste Buch oder doppelt so hoch wie dieser Berg (oder als dieser Berg, wenn man die sachliche Ungleichheit betonen will)
Der höhere oder ungleiche Grad = Komparativ
- härter als Stahl
- verstärkt durch Gradangaben: erheblich ausgeglichener als beim letzten Mal, wesentlich komfortabler als andere Autos
Der höchste Grad = Superlativ
- die zarteste Versuchung, am schönsten ist es zu Zweit
- verstärkt: die allerbesten Voraussetzungen, bei weitem das interessanteste Land
Kleine Anmerkung: der Superlativ macht natürlich nur Sinn, wenn man mehr als zwei Wesen, Dinge etc. miteinander vergleicht!
Der allerhöchste Grad = der Elativ
Der Elativ stimmt in der Form mit dem Superlativ überein – er ist der absolute Superlativ, da er nicht vergleicht, sondern Wesen, Dinge etc. absolut setzt.
- erlesenste Ingredienzien, in höchster Vollendung, mit modernster Technik
- mit anderen sprachlichen Mitteln: ein äußerst wohlschmeckendes Gericht, ein wahnsinnig netter Mensch, eine goldrichtige Entscheidung
Erwähnenswert sind auch Besonderheiten bei zusammengesetzten oder -geschriebenen Adjektiven.
Nur der erste Bestandteil wird in die Vergleichsform gesetzt:
- das nächstgelegene Einkaufszentrum, der meistbietende Käufer, die größtmögliche Sicherheit oder die bestmögliche Alternative
Zusammensetzungen, die einen übertragenen Sinn ergeben, werden im zweiten Bestandteil gesteigert:
- das lautmalerischste Wort, das vielversprechendste Angebot, die buntschillerndste Gestalt, eine schnelllebigere Zeit
Und, wie immer in der deutschen Sprache, gibt es auch den schwankenden Gebrauch:
- weitgehendst oder weitestgehend unbemerkt – mit schwerwiegendsten oder schwerstwiegenden Bedenken finden tiefgreifendste oder tiefstgreifende Veränderungen statt!
Stilistische Feinheiten
Adjektive können natürlich nur mit solchen Wörtern zusammengebracht werden, zu denen sie auch passen. Der Satz soll ja inhaltlich einen Sinn ergeben.
Manche Adjektive haben eine unterschiedliche Bedeutung – je nachdem, in welchem Zusammenhang sie stehen. Ein schlauer Fuchs, eine zündende Idee, der blinde Fleck, eine brennende Frage, ein krönender Abschluss sind sprachliche Einheiten aus formelhaften, feststehenden Wendungen.
Die einzelnen Wörter können nicht ausgetauscht werden.
Sinn und Unsinn von Adjektiven
Aber auch in normalen Fällen können nicht alle Adjektive gegeneinander ausgetauscht werden:
- Ein Kampfhund kann bösartig sein – aber nicht lieblos.
- Die Redezeit ist zwar unbegrenzt – aber nicht grenzenlos.
- Ein Gedanke ist unausgereift – aber nicht unentwickelt.
- Der Fisch ist delikat – aber bestimmt nicht heikel.
Dennoch sind Synonyme gnadenlos genial.
Ein Plädoyer für treffende, haargenaue Adjektive
So manche Aussage trifft mit dem richtigen Adjektiv einfach haargenau den Kern, ist passend und treffsicher.
Adjektive sind kleine Farbtupfer der Sprache – lebendig und bedeutungsschwanger.
Wir sollten sie nicht lustlos, freudlos, missvergnügt, verdrossen und miesepetrig unterschlagen, sondern diese Farbtupfer lustvoll, beschwingt, frohgemut, quietschvergnügt und gutgelaunt verstreuen!