Übergewicht und Fettsucht sind nicht zwingend das Gleiche.
Das Wort „Adipositas“ stammt aus dem lateinischen und bedeutet „Fettsucht“. Mittlerweile wird es jedoch auch in der Medizin geradezu inflationär gebraucht.
Mit der Adipositas ist nicht nur Übergewicht gemeint, sondern Fettsucht, das heißt, Betroffene wiegen mindestens 25 Prozent mehr als sie aufgrund ihres Alters, ihrer Körpergröße und ihrer körperlichen Konstitution wiegen dürften.
Ganz extreme Beispiele für Adipositas sind Personen, die aufgrund eines Körpergewichts von weit über 200 Kilo nicht mehr in der Lage sind, ihr Haus zu verlassen, um etwa einzukaufen oder ihrem Beruf nachzugehen und die, falls ein stationärer Krankenhausaufenthalt erforderlich wird, mit Hilfe der Feuerwehr und einem Kran aus ihrer Wohnung gebracht werden müssen. In ganz extremen Fällen können die Betroffenen noch nicht einmal mehr ihr Bett verlassen, weil ihre Knochen das extrem hohe Gewicht nicht mehr tragen würden.
Der inflationäre Gebrauch des Wortes „Adipositas“ in der Medizin
Es ist auffällig, dass viele Frauen, deren Gewicht sich im gesunden Normalbereich (BMI 22 bis 25) oder im Bereich des leichten Übergewichts befindet, häufig von Ärzten in Diagnosen als (leicht) adipös beschrieben werden. Hierbei wird jedoch unzureichend berücksichtigt, dass der BMI keine absolute Relevanz für die Einstufung in dünn, normal, dick oder adipös darstellt. Ein athletischer, durchtrainierter Typ hat unter Umständen einen höheren BMI als eine untrainierte Person, so dass der sportliche Athlet gemäß dem BMI eher als adipös eingestuft werden müsste als eine untrainierte Couch Potato, deren BMI zwischen 23 und 26 liegt.
Gerade bei Frauen scheint im Rahmen ärztlicher Diagnosen das vermeintliche Schönheitsideal 90 – 60 – 90 eine starke Rolle bei der Beurteilung der körperlichen Konstitution zu spielen. Athletisch gebaute Frauen werden somit oft automatisch als übergewichtig deklariert, auch wenn sich ihr Gewicht im normalen Bereich befindet.
Spricht man Ärzte darauf an, dass Adipositas und Übergewicht eigentlich nicht ganz dasselbe seien, kommt häufig die Antwort, dass sie dieses Wort für jede Form von Übergewicht verwendeten – egal, ob leicht, mittel oder stark. Als Fachleute sollten sie es eigentlich besser wissen.
Mögliche Folgen der ärztlichen Diagnose „Fettsucht“
Sollte ein Arzt einem jungen Mädchen oder einer Frau, die aus unterschiedlichsten, individuellen Gründen eventuell zu Essstörungen neigt, bescheinigen, dass sie adipös ist, auch wenn dies in keinster Weise zutrifft, kann dies erst recht der Auslöser für die Entwicklung einer Essstörung sein. Viele (ehemalige) Anorektikerinnen und Bulimikerinnen berichten unabhängig voneinander, dass ihr gestörtes Essverhalten oft durch Bemerkungen von Familie, Schulkameraden oder Ärzten ausgelöst wurde, die besagten, dass es aber auch schlankere Mädchen gebe. Darüber hinaus waren meist noch andere Rahmenbedingungen für die Entstehung einer Essstörung gegeben (vorangegangener sexueller Missbrauch, zu hohe Perfektionsansprüche an sich selbst aufgrund einer unbefriedigenden, stark leistungsorientierten Familiensituation und ähnliches), aber oft waren solche Sticheleien oder Diagnosen zwar nicht die Ursache, aber der Auslöser.
Gründe für Übergewicht berücksichtigen
Das Wort „Fettsucht“ impliziert, dass der Betroffene nach Fett süchtig ist, das heißt, er isst ständig große Mengen hochkalorischer Nahrung, die zwangsläufig zu einer übermäßigen Gewichtszunahme führt, wobei die Gründe auch hier sehr unterschiedlich sein können. Beispielsweise wollen sich viele Mädchen durch Dicksein unattraktiv machen, um gegen sexuelle Übergriffe in der Familie geschützt zu sein, vielfach trägt jedoch auch ein schlechtes Vorbildverhalten der Eltern in unterschiedlichen Zusammenhängen dazu bei. Manche Mütter neigen dazu, ihrem Säugling ständig die Brust zu geben, sobald er unruhig ist, quengelt oder schreit; unabhängig davon, ob das Kind hungrig ist oder nicht. Unbewusst lernt das Baby somit sehr früh, dass Essen eine Beruhigung sein kann und negative Gefühle wie Angst oder Unwohlsein überdeckt. Dies ist nur ein Beispiel für schlechtes Vorbildverhalten.
Es gibt jedoch auch Krankheiten, die trotz ausgewogener, fettarmer Ernährung zu einer erhöhten Gewichtszunahme führen, nicht aber zu Adipositas. Ein Beispiel hierfür wären Menschen, die an einer Schilddrüsenunterfunktion leiden. Diese sind zwar seltenst adipös, neigen aber häufig zu leichtem bis mittlerem Übergewicht.