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ADHS und ADS bei Erwachsenen – eine multimodale Therapie hilft

ADHS und ADS gibt es auch im Erwachsenenalter. Erfolgversprechend ist ein multimodaler Therapieansatz aus Medikation, Psychotherapie und Soziotherapie.

Lange Zeit galt ADHS als eine Krankheit des Kindes- und Jugendalters. Erst Ende der 1990er Jahre erfuhr das Thema in Deutschland zunehmend Aufmerksamkeit. Es waren vor allem die Psychiaterin Dr. Johanna Krause und der Neurologe Professor Dr. Klaus-Henning Krause, die auf das Phänomen hinwiesen, dass die Eltern von an ADHS-erkrankten Kindern häufig ebenso Symptome zeigen. Aber erst im Jahr 2003 erschien mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie, Psychiatrie und Nervenheilkunde (DGPPN) die erste Leitlinie für die Diagnose und Therapie. Die Autoren schufen mit der Leitlinie die Voraussetzungen für eine valide Diagnostik und erstellten evidenzbasiert Richtlinien zum Behandlungsaufbau.

Psychotherapie und Medikation sind die zwei Säulen in der Therapie des ADHS

Die Grundlage dieser Therapieempfehlung ist eine Analyse der bisherigen Studienlage zum Thema. Die Autoren empfehlen die Behandlung grundsätzlich, wenn in einem Lebensbereich ausgeprägte Störungen auftreten oder in mehreren Lebensbereichen leichte Störungen oder krankheitswertige, psychische Symptome bestehen. Die Symptome äußern sich dabei im alltäglichen Leben. Die Betroffenen zeigen beispielsweise eine erhöhte Suchtgefahr, sind anfälliger für psychische Begleiterkrankungen, haben Schwierigkeiten im Beruf und in Beziehungen. So sind Beziehungsabbrüche und Scheidungen wahrscheinlicher als bei Nichtbetroffenen. Erwachsene mit ADHS wechseln häufiger Tätigkeiten und Berufe und bleiben dabei doch oft unterhalb ihrer Möglichkeiten. Dies wiederum führt zu Selbstwertproblemen und zu sozialer Isolation. Gegenwärtig werden zwei Therapierichtungen favorisiert. Zum einen die pharmakologische Behandlung: So weisen Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien die Behandlung mit methylphenidathaltigen Medikamenten als Therapie der ersten Wahl aus. Eine Zulassung dieser Medikamente für die Anwendung bei Erwachsenen liegt indes noch nicht vor. Die Behandlung bewegt sich daher im so genannten Off-Label-Bereich und wird von den meisten Krankenkassen nicht finanziert. Die zweite Säule der Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter ist die Psychotherapie. Hierfür liegen allerdings keine kontrollierten Studien vor. Die Autoren der Leitlinie für die Diagnose und Therapie empfehlen auf der Grundlage von Vergleichsstudien Einzel- und Gruppenbehandlungen. Dabei sollten sich die Behandlungen störungsspezifisch auf die ADHS beziehen. Des Weiteren sind sich die Experten trotz unzureichender Studienlage einig, dass eine Kombination beider Strategien erfolgversprechender ist.

Wie sieht ein multimodaler Therapieansatz in der Praxis aus?

Kliniken, die sich auf die Behandlung von Erwachsenen mit einer ADHS spezialisiert haben, verfolgen in der Regel einen multimodalen Behandlungsansatz. Das bedeutet, das Behandlungskonzept integriert die neurobiologischen Grundlagen der Erkrankung und die psychischen und sozialen Folgen, wie Selbstentwertung und drohende oder bereits eingetretene familiäre und berufliche Konflikte. Neben Medikation und Psychotherapie stehen zudem die Informationsvermittlung, die Hilfe zur Selbsthilfe und eine frühzeitige Anbindung an Selbsthilfegruppen im Vordergrund. Solche Maßnahmen lassen sich unter den Begriff Soziotherapie zusammenfassen. Eine große Bedeutung kommt dabei der Rolle von Patient und Therapeut zu. So wird der Patient aktiv und ressourcenorientiert in den Therapieprozess einbezogen und der Therapeut nimmt eine empathisch-akzeptierende und den Therapieprozess strukturierende Rolle ein. Die Therapeuten stellen in Rechnung, dass Patienten negative Alltagserfahrungen als ein Nicht-Können erleben, während die Umwelt in den immer wiederkehrenden Problemen eher ein Nicht-Wollen sieht. Für die biologisch bedingten Symptome wie Impulsivität, Reizoffenheit und affektive Instabilität werden dementsprechend alltagsorientierte Hilfen zur Selbsthilfe und geeignete Strategien und Organisationshilfen entwickelt. Dagegen können ein defizitäres Selbstbild und syndromtypische Denkmuster durchaus psychotherapeutisch behandelt werden. Drei wesentliche Ziele stehen dabei immer im Vordergrund:

  • Der Betroffene kann sein persönliches Potenzial besser ausschöpfen,
  • mit anderen konfliktfreier in Beziehung treten und
  • kann selbstwertgestärkt den Alltag besser bewältigen.