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ADHS-Experte Andreas Warnke im Ruhestand

In den letzten 20 Jahren hat Prof. Andreas Warnke die Kinder- und Jugendpsychiatrie am Würzburger Uniklinikum um große Schritte vorangebracht.

20 Jahre lang hat Prof. Andreas Warnke die Kinder- und Jugendpsychiatrie am Würzburger Universitätsklinikum geleitet. In dieser Zeit hat er sein Fachgebiet auf vielen Ebenen um große Schritte vorangebracht – ob in den therapeutischen Möglichkeiten, der internationalen Forschung, der Lehre oder der öffentlichen Wahrnehmung. Im Frühjahr dieses Jahres ging der 67-Jährige in Pension.

Manche seiner Leistungen bei der Verbesserung der psychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen lassen sich in Zahlen ausdrücken: Als er im Jahr 1992 den Lehrstuhl und die Leitung der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) des Würzburger Universitätsklinikums übernahm, hatte die Einrichtung 30 (teil-)stationäre Behandlungsplätze – heute sind es 73. Während die Institutsambulanz vor 20 Jahren jährlich etwa 500 junge Menschen versorgte, so sind es nun über 2 500 Patientenkontakte im Jahr.

Struktureller Ausbau in Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg

Der Klinikdirektor war darüber hinaus der Motor hinter vielen, in seiner Amtszeit neugeschaffenen Würzburger Versorgungseinrichtungen. Dazu zählen die Intensivstation der KJP, die Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, die Wichern Schule für Kranke sowie die in diesem Jahr eröffnete Klinik am Greinberg für behinderte Kinder und Jugendliche mit psychischer Störung.

Auch außerhalb der Universitätsstadt engagierte sich Prof. Warnke für einen strukturellen Ausbau. So erstellte er für die Neugründungen der KJP-Kliniken in Schweinfurt und Aschaffenburg Bedarfs- und Konzeptplanungen und beriet bei der Ausführung.

Vervielfacht hat sich in der Region seit 1992 außerdem die Zahl der Kolleginnen und Kollegen, die nach Erwerb der Facharztqualifikation am Lehrstuhl nun in niedergelassenen Praxen tätig sind.

Gefragt sind Erkennen, Verstehen und Hilfe

Neben diesen „materiellen“ sind es gerade auch die „ideellen Gewinne“ der letzten zwei Jahrzehnte, die für Prof. Warnke bedeutsam sind: „Ich freue mich besonders über die wesentlich verbesserte öffentliche, politische und wissenschaftliche Wahrnehmung ? dass es Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen gibt und dass es beim Umgang mit diesem Thema nicht um Schuldzuweisungen an Eltern oder die Gesellschaft geht. Stattdessen sind in erster Linie Erkennen, Verstehen und solidarisch-wertschätzende Hilfe gefragt.“

Zahlreiche hochrelevante Forschungsthemen

Zum Erkenntnisgewinn trug sein Lehrstuhl unter anderem durch die international beachteten Forschungen zu Legasthenie, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Pubertätsmagersucht (Anorexia nervosa) und Zwang bei. So war er zum Beispiel federführend beteiligt an Forschungsprojekten zur psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlung von ADHS, zur Therapie der Anorexia Nervosa sowie zu hirnphysiologischen und molekulargenetischen Korrelaten dieser Störungen und der Legasthenie. Alle diese Vorhaben erhielten eine umfangreiche Drittmittelförderung.

In der Methodik konnte Prof. Warnke mit seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern sowie vielen in- und ausländischen Kooperationspartnern unter anderem. mittels cerebraler Bildgebung zu Hirnstrukturen und -funktionen sowie (molekular)genetischen Studien neue Erkenntnisse zu verschiedenen neurobiologischen Korrelaten psychischer Erkrankungen gewinnen. Mit der Initiierung des „Therapeutischen Drug Monitorings“ werden erstmalig systematisch und international vernetzt Blutspiegel von Psychopharmaka in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen bestimmt sowie mit Wirkung und Nebenwirkung in Beziehung gesetzt.

Seine Forschungsarbeit schlug sich in über 300 wissenschaftlichen Veröffentlichungen nieder. Zwei der sieben am Lehrstuhl Habilitierten haben inzwischen selbst universitäre Lehrstühle inne. Prof. Warnke war über zwei Jahrzehnte lang Schriftführer und Herausgeber der wissenschaftlichen Zeitschrift „Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie“.

ADHS: Weltverband und internationalen Kongress initiiert

In seiner Forschungsarbeit suchte die Würzburger Koryphäe gezielt die nationale und internationale Vernetzung. Ausdruck seiner Wertschätzung als Wissenschaftler sind nicht nur mehrere Auszeichnungen und die Berufung in vielfältige Fachgremien. Unter anderem war Prof. Warnke als Präsident der Deutschen Gesellschaft für KJP und im Vorstand der European Association of Child and Adolescent Psychiatry tätig. Derzeit ist er Vizepräsident der International Association für Child and Adolscent Psychiatry and Allied Professions. Ein besonderes Anliegen war ihm dabei die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses in internationalen Forschungsseminaren und im Rahmen der von ihm begründeten „Arbeitskreistagung Biologische Kinder- und Jugendpsychiatrie“. Aus seinem Lehrstuhl ging die Gründung des Weltverbands für ADHS im Jahr 2008 hervor. Der Verband organisiert den vielbeachteten Weltkongress zu ADHS – zur letzten Veranstaltung unter der Präsidentschaft von Prof. Warnke im vergangenen Jahr in Berlin kamen mehr als 2 000 Teilnehmer aus über 70 Ländern.

Empathischer und mitreißender Dozent

Sein profundes Wissen gibt Prof. Warnke gerne weiter. Zum einen ist er Autor und Mitherausgeber von zentralen Lehrbüchern seines Fachbereichs, zum Beispiel der Standardwerke „Entwicklungspsychiatrie“ und „Neuro-Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter: Grundlagen und Therapie“. Zum anderen ist er ein engagierter und mitreißender Dozent. Dabei ging es ihm in der Lehre darum, nicht nur theoretisches Wissen und ärztliches „Handwerk“ zu vermitteln: „Es war mir stets wichtig, die Studierenden auch in einen persönlichen Kontakt mit den psychisch kranken Patienten zu bringen, um ihnen die Möglichkeiten eines adäquaten und respektvollen Umgangs aufzuzeigen“, betont Prof. Warnke. In der Begründung zum Lehrpreis, den die Medizinische Fakultät Prof. Warnke verlieh, kam insbesondere auch die Würdigung seiner ärztlich wertschätzenden Haltung gegenüber den Patienten zum Ausdruck.

Lösungswege, Netzwerke, Partnerschaften

Mit ebenso großem Engagement trug Prof. Warnke die Probleme der psychisch kranken Kinder und Jugendlichen auch in die Gesellschaft und schuf dabei neue Perspektiven, Lösungswege, Netzwerke und Partnerschaften. Wichtig war ihm die Unterstützung der Elternverbände. So wirkte sein Lehrstuhl entscheidend an der bayerischen Gesetzgebung zum „Legasthenieerlass“ mit. Dieser legt fest, dass Kindern mit Lese- und Rechtschreibstörung ein Nachteilsausgleich gewährt werden muss.

Der Klinikdirektor suchte die Kooperation mit allen Schulformen und schulpsychologischen Diensten genauso, wie mit der Jugend- und Behindertenhilfe. Ein Ausdruck dieses Einsatzes ist die Einführung der „Arzt-Lehrer-Tagung“ und der „Tagung Kinder- und Jugendpsychiatrie und Jugendhilfe“. Für Hilfen, die in den sonstigen Budgets nicht vorgesehen sind, rief der Unermüdliche den Verein Menschenskinder ins Leben. Der „Verein zur Unterstützung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen in Würzburg und Unterfranken“ hat über Spenden bislang zum Beispiel einen Eltern-Kind-Pavillon, in dem Eltern stationärer Patienten kostenlos übernachten können, einen neuen Spielplatz auf dem Klinikgelände und die Inneneinrichtung der Wichern Schule finanziert, ein großes Therapiehaus ist im Entstehen. „Die im Lauf der Jahre neu entstandene Spendenbereitschaft aus allen Bevölkerungsschichten ist ein Zeichen dafür, dass es uns gelungen ist, weitverbreitet ein Bewusstsein für die Anliegen von Kindern und Jugendlichen mit psychischer Erkrankung zu schaffen“, freut sich Prof. Warnke.

Familie als Basis und Kraftquelle

Woher kam die Energie für ein so umfassendes Engagement in Klinik, Lehre, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit? „Gerade in einem Arbeitsgebiet, in dem man täglich mit psychischen Problemen konfrontiert wird, ist eine stabile Basis sehr wichtig und ein großes Geschenk. Neben der verlässlichen Unterstützung durch meine Mitarbeiter, denen ich das fachliche Gelingen entscheidend verdanke, habe ich größten Rückhalt in meiner Familie gefunden, die mir in all den Jahren unschätzbar verständnisvoll und hilfreich zur Seite stand“, sagt Prof. Warnke.

Auch nach seiner Pensionierung im April dieses Jahres bleibt der 67-Jährige in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aktiv: „In vielen Bereichen bleibt mir die Gremien- und Vorstandsarbeit. Außerdem schreibe ich derzeit an einem Lehrbuch über Legasthenie.“