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Achtsamkeitstraining MBSR: Wer kann es wie und wo lernen?

Im Achtsamkeitstraining ist das Wahrnehmen des Moments wichtig. Aber wie kann man das lernen, gibt es Kurse und Ausbildungen dafür?

Ursprünglich von Jon Kabat-Zinn zur Stressbewältigung entwickelt, profitieren viele Menschen vom MBSR, der Mindfulness Based Stress Reduction. Die Fähigkeit, den Augenblick wahrzunehmen, hört sich leichter an, als sie es in der Praxis ist. Man muss aber nicht mit Büchern oder anderen Materialien zu Hause lernen. Es gibt auch im deutschen Sprachraum Kurse im MBSR, an denen jeder teilnehmen kann. Hier kann man ausprobieren, ob dieses Konzept für die eigenen Bedürfnisse sinnvoll ist. Wer über eine fundierte und langjährige Erfahrung mit der Praxis der Achtsamkeit verfügt, kann sich auch zum MBSR-Lehrer ausbilden lassen.

Ist das MBSR-Training für alle Menschen geeignet?

Im Prinzip eignet sich das Achtsamkeitstraining für alle Menschen. Es wird auch in der Körperarbeit und in der Psychotherapie in vielen Bereichen für Menschen angewendet, die unter sie überfordernden Krankheiten leiden oder belastende Lebenssituation nicht bewältigen können. Allerdings gibt es zwei Situationen, in denen das Achtsamkeitstraining nicht geeignet ist, beziehungsweise sogar schaden kann. Das betrifft alle Menschen, die auf dem Boden einer Psychose oder einer Traumatisierung instabil sind. In diesen Zeiten kann die Freiheit der Achtsamkeitsübungen, gepaart mit der sensorischen Deprivation (geringe Reizstärke), Überflutungen mit emotionalen und kognitiven Inhalten nach sich ziehen. In diesen Fällen geht es genau nicht darum, diese Zustände auszuhalten, da über diesen Weg pathologische Mechanismen vertieft werden, das ist für die Betroffenen nicht hilfreich. In stabilen Zuständen kann allerdings auch für diese Personen das Achtsamkeitstraining sehr hilfreich sein.

Ansonsten kann jeder teilnehmen, der mit sich selber Freundschaft schließen will, seine Erlebnisfähigkeit vergrößern will, im Leben weniger der Spielball der eigenen und fremden Emotionen sein möchte und natürlich ist es ein Weg für alle, für die das MBSR ursprünglich entwickelt wurde, also Menschen mit Schmerzen und Krankheiten, die das Leben sehr verändern oder beeinträchtigen und die sich über wahrnehmende Übungen Erleichterung verschaffen wollen.

Wie lernt man, den Augenblick wahrzunehmen und nicht zu bewerten?

Im MBSR-Training geht es im Kern darum, den Augenblick wahrzunehmen. Es soll die Fähigkeit vermitteln, ganz unabhängig von Einstellungen, Erwartungen und Vorannahmen den Moment so wahrzunehmen, wie er ist und in diesem präsent zu sein. Alles Vergangene ist schon geschehen, alles Zukünftige kommt noch – der gegenwärtige Augenblick ist der einzige Moment in unserem Leben, in dem das Leben tatsächlich stattfindet. Will man sich diesem Leben wirklich zuwenden, tut man es sinnvollerweise im Augenblick. Das hört sich erstmal ganz leicht an, aber ist es das auch? Im Prinzip ist das leicht, aber erfahrungsgemäß braucht die Sammlung und Erforschung des eigenen Befindens Mut. Es ist der Mut, sich zu gestatten, so zu sein, wie man ist, mit allen Emotionen, Verhaltensweisen und Eigenschaften. Und zu sehen, dass man ganz einfach der Mensch ist, der man ist. Was das für Auswirkungen hat, ob das gut ist oder schlecht oder ob man sich in manchen Bereichen nicht ohnehin besonders dämlich empfindet und in anderen Bereichen dem Rest der Welt grandios überlegen ist, das spielt hier alles keine Rolle.

Man kultiviert im Achtsamkeitstraining das Nichtstun. Es handelt sich dabei nicht um die Fähigkeit der Ablenkung von unliebsamen Gefühlen oder dem gezielten Fokussieren auf bestimmte Gegenstände oder Körperempfindungen, auch nicht um das Hinarbeiten auf die Veränderung bestimmter Gedanken oder Körpervorgänge wie der Atmung oder der Haltung. Dies wird in vielen Meditationstechniken als Eingang in die Versenkung benutzt, das Ziel des MBSR ist aber ausschließlich das bewertungsfreie Wahrnehmen. Durch das achtsame Gewahrsein im Moment auch in als schwierig empfundenen Situationen gewinnt man eine neue Perspektive und kann aufhören, automatisch gegen alles anzukämpfen, was einem unbekannt oder belastend erscheint. Und durch die Offenheit der Wahrnehmung kommen auch wieder die Dinge in den Blick, die gut sind, als schlecht bewertete Dinge gewinnen so nicht automatisch die Oberhand.

Wo kann man Achtsamkeit im MBSR-Training lernen?

In Deutschland gibt es den Verband für MBSR/MBCT. Über diesen kann man mit einer einfachen Postleitzahlensuche Angebote in seinem Umfeld finden. Es gibt immer wieder Vorträge oder eintägige Einführungsseminare von MBSR-Lehrern, die man auch dort finden kann. Der Kern des MBSR ist allerdings der Acht-Wochen-Kurs, die ursprünglich von Jon Kabat-Zinn für seine Patienten entwickelte Variante. Man trifft sich in einer festen Gruppe acht Wochen lang an einem Termin in der Woche, für ungefähr 2,5 Stunden und zusätzlich an einem ganzen Tag innerhalb dieses Zeitraumes. Die Kurskosten betragen zwischen 300 und 350 Euro, es wird von den Teilnehmern erwartet, dass sie sich zusätzlich zum Kurs täglich 30 bis 40 Minuten Zeit zum selbstständigen Üben nehmen. Ein einmaliges Teilnehmen an diesem Kurs hinterlässt schon deutlich spürbare Effekte, allerdings sollte man sich beständig in Achtsamkeit üben, denn es handelt sich um keine kurzfristig erlernte und dann für immer wirksame Technik. Die Schulung des Geistes ist eine immer anstehende Aufgabe, das oberste Ziel ist nämlich, das Sein im Augenblick nicht in Sequenzen zu üben, sondern in den Alltag zu transferieren.

Wird man durch Achtsamkeitstraining zum besseren Menschen?

Nein, man wird nicht automatisch ruhiger, gelassener und gesünder durch Achtsamkeitsübungen, aber MBSR ist ein passabler Weg zu einem selbstbestimmten und zufriedenen Leben. Für stabile Veränderungen braucht es ohnehin eine konstante Übungspraxis. Beim Achtsamkeitstraining ist es auf lange Sicht kaum möglich, sich in der Praxis zu üben, aber gleichzeitig nicht zu verändern. Was sich erstmal groß anhört, ist dann in Wirklichkeit eine ganz kleine und unspektakuläre Angelegenheit. Es gibt irgendwann einen Punkt, an dem man keinen Grund mehr sieht, sich an die Welt zu verschwenden, statt in ihr zu leben.