Wenn das Bedürfnis nach Zuwendung und Bestätigung dazu führt, die eigenen Bedürfnisse zu verleugnen, dann ist Leiden vorprogrammiert. Anzeichen und Auswege.
Abhängigkeit in Beziehungen meint jede Form von Verhalten, bei dem das Ich aufgegeben wird, um dem Du zu dienen.
Die schmale Grenze zwischen Hingabe und Selbstaufgabe
Die Mutter, die ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellt, damit es ihren Kindern gut geht. Die Frau, die ihrem Mann den Rücken freihält, damit für ihn alles reibungslos läuft. Die Großmutter, die ihren Enkeln ihr mühsam Erspartes zusteckt, damit sie sich etwas kaufen … Liebe ist Geben. Wer liebt, der gibt gerne, der freut sich, wenn der andere sich freut.
Jede Beziehung trägt auch eine Form der Abhängigkeit in sich – und das ist nicht negativ. Der Mensch möchte wertgeschätzt werden, das gehört zu seiner Natur.
Entscheidend ist die Ausprägung: Beraubt man sich selbst seiner Freiheiten, um geliebt und geachtet zu werden?
Entscheidend ist auch die Motivation – und hier ist höchste Ehrlichkeit gegenüber sich selbst gefragt: „Was erwarte ich, wenn ich etwas gebe?“
Mögliche Anzeichen für Abhängigkeit in Beziehungen
- Ja sagen, obwohl man Nein sagen möchte.
- Es dem anderen recht machen wollen.
- Den eigenen Selbstwert über die Reaktion des anderen definieren.
- Hohe Erwartungen an sich selbst haben, es perfekt machen wollen.
- Mit den eigenen Gefühlen hinter dem Berg halten.
- Die eigenen Interessen aufgeben, damit der andere seine Interessen verfolgen kann.
- Sich selbst verlieren, die eigenen Bedürfnisse nicht mehr spüren.
- Überempfindlichkeit, die hohe Bereitschaft, alles persönlich zu nehmen.
- Wenig Lebensfreude und Spontaneität spüren.
- Mehr und mehr Energie verlieren und nicht mehr richtig auftanken können.
- Sich ungeliebt fühlen, obwohl man geliebt wird. Sich gefühlsmäßig immer unterversorgt fühlen.
- Sich in der Opferrolle sehen, sich ausgenutzt fühlen.
- Die Angst abgelehnt oder verlassen zu werden, bestimmt das Handeln.
Die Gefahr von abhängigen Beziehungen
Wer sein Glück und seine Zufriedenheit in einer anderen Person sucht, der fühlt sich zwangsläufig leer und unvollkommen ohne diese Person.
Wer sein Leben auf seine Kinder ausgerichtet hat, der wird sich zwangsläufig verlassen fühlen, wenn die eines Tages ihre eigenen Wege gehen. Wer seinen Partner zum Lebensmittelpunkt macht , der wird bei jeder Beziehungskrise Panik verspüren. Die Selbstachtung speist sich aus der Verbundenheit zum anderen. Ein Zustand, der ständige Anspannung und Stress verursacht. Mehr und mehr Energie geht in der Selbstverleugnung verloren, häufig verbunden mit körperlichen Symptomen.
Auf der anderen Seite werden Aggressionen aufgebaut, weil man nicht bekommt, was man sich erhofft. Diese werden dann entweder in Form von Vorwürfen nach außen getragen: „Nach allem, was ich für dich getan habe!“, oder als Depression internalisiert.
Wie kann man in Beziehungen unabhängiger werden?
- Sich die Ursachen bewusst machen: „Warum bin ich so hungrig nach Zuneigung und Anerkennung?“ Häufig stecken frühkindliche Erfahrungen dahinter. Als Erwachsener hat man den Zugang zum inneren Kind abgeschnitten, um sich vor den negativen Gefühlen zu schützen. Damit hat man sein Problem jedoch nicht gelöst, sondern nur verlagert, hat die Angst vor dem Alleinsein, vor dem Verlassenwerden ins Erwachsenenleben übertragen.
- Sich die Gefühle bewusst machen: „Wie geht es mir, wenn der andere unzufrieden ist?“ „Wie kann ich Konfliktsituationen aushalten?“ Was hilft, ist die Gedanken und Emotionen aufzuschreiben und ihnen so die Bedrohlichkeit zu nehmen.
- Sich nach außen orientieren: Wer tief in seiner Beziehung verstrickt ist, der verliert sich häufig so in seinem Gedankenkarussell, dass er die Verbindung zum realen Leben verliert: Veranstaltungen besuchen, ins Kino gehen, Freunde treffen, Sport treiben … etwas für sich selbst tun, ohne Rücksicht auf den anderen zu nehmen, das ist mehr als nur Ablenkung, das ist der Weg zurück zum Selbst. Loslassen lernen ist schwierig und immer mit der Angst von Kontrollverlust verbunden, aber es ist der einzige Weg, die eigene Identität wieder zu entdecken.