Wer sind die zehn bekanntesten und einflussreichsten Promis unter den ärztlichen Standesvertretern und Gesundheitspolitikern? Das Who is Who als Rangliste.
Es folgt eine Rangliste von Persönlichkeiten, mit denen jeder an Gesundheitspolitik Interessierte es früher oder später zwangsläufig zu tun bekommt. Man kann ihnen nicht ausweichen, dafür sind sie zu bedeutend und medial präsent. Diese Liste ist inspiriert durch die Auflistung „Leser bewerten Standespolitiker“ in facharzt.de, aber in völlig anderer Reihenfolge und aus der Wahrnehmung eines nicht ärztlichen gesundheitspolitischen Insiders:
Nr. 1: Prof. Fritz Beske
Direktor des Fritz Beske Instituts für Gesundheits-System-Forschung Kiel, vorher mehrere Ämter in der schleswig-holsteinischen Landespolitik und der WHO. Der weise alte Mann der Gesundheitspolitik, in der Außenpolitik wäre er d e r „elder statesman“. Er ist einer von vielleicht drei Experten, die das deutsche Gesundheitssystem in Gänze verstehen, daher auch zurecht mit Preisen überhäuft: insbesondere Träger der Paracelsus-Medaille 2008 (höchste Auszeichnung der deutschen Ärzteschaft) für ihn als allseits anerkannten Wissenschaftler, der kompetent die Strukturen des Gesundheitssystems analysiert und so zu einem unentbehrlichen Politikberater geworden ist, der keine schwerverständlichen akademischen Abhandlungen schreibt, sondern konkrete Handlungsempfehlungen für Gesundheitspolitiker.
Nr. 2: Dr. med. Philipp Rösler (Bundesgesundheitsminister)
Ist selbst Arzt und daher auch in der Ärzteschaft beliebt und mit vielen Vorschusslorbeeren gestartet, wenn auch mit dem glattgebügelten Auftreten eines Musterknaben ohne Ecken und Kanten. Legt meist Witz und Eloquenz an den Tag. Seine Gegner haben schnell gelernt, seine freundlich-fröhliche Art nicht mit Naivität zu verwechseln. Profilierte sich als ein pragmatischer Gesundheitsminister. Legte sich zunächst mutig mit der mächtigen Pharmalobby an, um Kosten bei patentgeschützten Medikamenten zu sparen, scheint aber zuletzt vor der einflussreichen Pharmalobby einzuknicken. Letztlich entscheidend für ihn dürfte das Ergebnis der von ihm bzw. vor allem der FDP eingesetzten Gesundheitskommission bezüglich der geplanten Einführung einer Gesundheitsprämie/Kopfpauschale sein. In diesem Punkt musste er wegen des hohen Defizits der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und auf Rücksicht auf die Koalitionspartner CDU und insbesondere CSU einen Kompromiss schließen. Weiterhin tritt Rösler für eine erleichterte Kostenerstattung in der GKV ein. Im Bewährungsfall hat er die Chance, sich in der Gesundheitspolitik mit ihren beinharten Lobbyistengruppen ähnlich lange zu halten wie seine Vorgängerin Ulla Schmidt (SPD), sicherlich aber länger als Andrea Fischer (Grüne), die in diesem Haifischbecken überfordert wirkte und sich bis zu ihrem Rücktritt offensichtlich unwohl fühlte.
Nr. 3: Prof. Jörg-Dietrich Hoppe
Seit 1999 Präsident der Deutschen Ärztekammer (und des Deutschen Ärztetages), besonnen, weise, glaubwürdig und authentisch als ein Arzt klassischer Prägung auftretend, als die Medizin noch kein Geschäft und der Patient noch kein Kunde war. Das Gegenteil eines glattgeschliffenen Medientyps des beginnenden 21. Jahrhunderts. Hat seinen Rückzug als Präsident bereits angekündigt.
Nr. 4: Dr. med. Frank Ulrich Montgomery
Vizepräsident der Bundesärztekammer, bislang die ewige Nummer 2 hinter Prof. Hoppe, erst beim Marburger Bund, gegenwärtig bei der Bundesärztekammer – und was will ein Kronprinz werden? Richtig, selbst Chef – warten wir seinen Erfolg ab, die Chancen stehen sicher nicht schlecht. Als Nachfolger von Hoppe war er 18 lange Jahre 1. Vorsitzender des Marburger Bundes (Gewerkschaft und Verband für angestellte Ärzte) und daher der personifizierte (streikende) Krankenhausarzt – für bessere Arbeitsbedingungen, weniger Überstunden und höhere Bezahlung. Sein englischer Nachname stammt von seinem Vater, der britischer Offizier war. Montgomery ist ein echter Hamburger „Patrizier“. Er ist ehrgeizig und engagiert. Er weiß, wie man mit den Medien geschickt umgeht und ist daher oft in ihnen vertreten.
Nr. 5: Prof. Jürgen Wasem
Gelernter Volkswirtschaftler, Deutschlands führender Gesundheitsökonom. Seine sämtlichen jetzigen und vergangenen herausragenden Funktionen in Wissenschaft und Gesundheitspolitik würden den Rahmen hier sprengen, daher kurz: Professor für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen und Vater des komplizierten Risikostrukturausgleichs zwischen den verschiedenen Krankenkassen(arten), der diese chancengleicher macht, aber auch den AOK-Verbund bevorzugt. Bedächtiger, scharfer Denker und vielgefragter Experte. Setzt sich stets für mehr (fairen) Wettbewerb in der überregulierten und missbrauchsanfälligen gesetzlichen Krankenversicherung ein. Wenn sich bei den alljährlichen harten Verhandlungen über die Ärztehonorare die Funktionäre der Krankenkassen und Ärzte im Erweiterten Bewertungsausschuss nicht einig werden, gibt die Stimme von Wasem den Ausschlag. Gibt gerne in der Online-Enzyklopädie Wikipedia seine (meist berechtigten) Kommentare zu groben Fehlern – und das mit seinem Klarnamen, Respekt.
Nr. 6: Dr. med. Klaus Bittmann
Die letzten vier Jahre Vorsitzender des NAV-Virchow-Bundes (niedergelassene Ärzte), nicht der größte, aber einer der medial rührigsten Ärzteverbände. Ende März 2010 aus „persönlichen privaten“ Gründen zurückgetreten, bekanntestes Gesicht der ärztlichen Genossenschaften. Herzlich, Menschfreund, gute Seele der Ärzteschaft, kann aber auch gegen Kritiker (in fairer Weise) austeilen. Bittmann ist erfahren (hat bereits einiges in seiner langen Standeskarriere durchgemacht), glaubwürdig und authentisch – das Gegenteil eines glattgeschliffenen Medienmenschens und der Prototyp des klassischen Arztes eben. Als bekanntester Gegner der elektronischen Gesundheitskarte auf jedem Podium zu finden, setzt sich besonders für den Ausbau ärztlicher Kooperationsformen und Selektivverträgen ein.
Nr. 7: Prof. Karl Lauterbach
SPD (linker Flügel), Gesundheitspolitiker und Wissenschaftler, vor der politischen Karriere bereits Berater von Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Fordert die Einführung einer Bürgerversicherung, setzt sich gegen eine „Zwei-Klassen-Medizin“ ein. Er polarisiert gern – seine näselnde rheinische Stimme ist bekannt aus allen Medien. Freund der Krankenkassen und der „kleinen Leute“. Sieht Ärzteschaft, private Krankenversicherung und Pharmalobby oft kritisch.
Nr. 8: Martin Grauduszus
Trommelt stets am lautesten von allen Ärztefunktionären und nicht immer objektiv, ist dafür aber auch bezüglich persönlichem Engagement und Betroffenheit ganz weit vorn. Ist Präsident der Freien Ärzteschaft – laut Wikipedia „der radikalisierte Arm der Ärzteschaft“, der immer am schnellsten mit der Forderung nach einem Streik seiner niedergelassenen Ärzten dabei (Demo oder Praxisschließung) und quasi die „außerparlamentarische Opposition“ der Niedergelassenen ist. Naturgemäß stark in den (ärztlichen) Medien vertreten, auch wenn sein Verband im Vergleich zu anderen recht klein, aber dafür besonders laut ist.
Nr. 9: Daniel Bahr
FDP, jung-dynamisch mit Lehrjahren im Bankbereich. Er hat sich zügig als bisheriger gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion in den komplexen Bereich der Gesundheitspolitik eingearbeitet, auch dank seines VWL- und Health Care-Studiums. Bahr verkauft sich und seine Sache diesbezüglich geschickt und kompetent auf diversen öffentlichen Veranstaltungen. Als Vertreter der Freiberufler-Partei zeigt er oft Verständnis für die ärztlichen Nöte. Als Belohnung für sein gesundheitspolitisches Engagement von Gesundheitsminister Rösler nach der Bundestagwahl 2009 zum Parlamentarischen Staatssekretär berufen. In diesem Amt kann er zu seinem Bedauern nicht mehr die reine freiheitliche FDP-Lehre vertreten, sondern muss mühsam auch die Interessen der konservativen Koalitionspartner CDU und insbesondere CSU berücksichtigen.
Nr. 10: Dr. jur. Markus Söder
CSU, Bayerischer Staatsminister für Gesundheit (und Umwelt), früherer kampferprobter Generalsekretär der CSU. War im Gespräch als Bundesgesundheitsminister – dass er dies nicht wurde, dürfte ihn wurmen, vielleicht rühren seine Angriffe auf Gesundheitsminister Rösler und seine (FDP-) Gesundheitspolitik auch daher. Ganz in der Tradition seines Mentors Seehofer erbitterter Gegner einer Kopfpauschale, woran sich oft Streit mit der FDP und Rösler entzündet. Als ehemaliger Redakteur des Bayerischen Rundfunks weiß er, wie man oft in den Medien erscheint und gilt dabei Freunden als populär und Gegnern als populistisch.