Betroffene, die an einer seltenen Erkrankung leiden, müssen nicht nur jahrelange Arztbesuche ertragen, sondern auch die meist langwierige Diagnosestellung.
Der Rare-Disease-Informationstag
Es gibt viele Gedenktage, wie der Internationale Frauentag am 08. März, der Welt-Aids-Tag am 01.12. und der Welttiertag am 04.10. eines Jahres. Da wundert es nicht, dass man den einen oder anderen dieser Tage schlichtweg verpasst. Kürzlich erst stolperte ich über den Tag der Seltenen Erkrankungen am 28. Februar in diesem Jahr. Mit einem oberflächlichen »Die tun mir leid« klickte ich die Meldung in der Internetzeitung weg und las mir zur Ablenkung die neuesten Gerüchte über einen derzeitigen Star durch.
Im Fernsehen zuhause stieß ich jedoch wieder auf diesen Tag der Seltenen Erkrankungen, oder auch Rare Disease Day, wie er im Englischen genannt wird. Seit dem Jahr 2008 wird in Kanada und Europa am 29. Februar mit Informationen an die Öffentlichkeit und Aktionen der entsprechenden Interessens- und Selbsthilfeverbände auf die schwierige Situation der Menschen mit einer seltenen Krankheit aufmerksam gemacht. Bezeichnenderweise wurde der 29. Februar ausgewählt, den es nur alle vier Jahre als Schalttag gibt. In den anderen Jahren wird auf den 28. Februar, wie auch in 2013, mit weniger Veranstaltungen ausgewichen.
Beispiele für selten auftretende Erkrankungen
Teils mit Neugier, teils mit Mitleid und teils mit Dankbarkeit, dass ich nicht davon betroffen bin, verfolge ich den Bericht im Fernsehen. Mukoviszidose zählt zu den seltenen vererbbaren Krankheiten. Bei dem Betroffenen befindet sich in den Organen des Körpers nur noch ein zäher Schleim, der die Lunge, das Herz, die Gallenblase und andere Organe beschädigt. Auch eine genetisch bedingte Krankheit, bei der die Betroffenen auf Sonnenlicht mit Tumoren reagieren und daher die Sonne meiden müssen, gehört zu den seltenen Erkrankungen. Weiterhin ist das volkstümlich nicht ganz unbekannte »Greisensyndrom«, bei dem schon Kinder durch eine Veränderung des Erbguts frühzeitig altern und mit Altersbeschwerden zu kämpfen haben, eine dieser nicht oft auftretenden Krankheiten. Auch Symptome, von denen man meistens noch nie gehört hat, wie die Verdickung der Haut und manchmal auch der Organe zu einer so genannten »Elefantenhaut« werden vorgestellt.
Stiefmütterliche Erforschung von seltenen Erkrankungen
Die Betroffenen der seltenen Störungen gelten als die Waisen in der Medizin, da die Pharmaindustrien aus verständlich wirtschaftlichen Gesichtspunkten kein Interesse daran haben, teure Forschungen und Medikamentenentwicklungen für nur einen kleinen Teil der Bevölkerung durchzuführen. Daher werden diese Krankheiten auch Orphan-Krankheiten und die Medikamente Orphan-Arzneimittel genannt, denn »orphan« bedeutet im Englischen »Waise«.
Tatsächlich gilt eine Krankheit als selten, wenn sie weniger als bei einem von 2.000 Staatsbürgern entdeckt wurde. Aber von diesen vereinzelt auftretenden Störungen gibt es viele, denn in der Welt wurden schon etwa 17.000 seltene Krankheiten entdeckt, davon in Deutschland 5.000 bis 8.000. Sehr viele von ihnen sind durch genetische Defekte, wie Mutationen, verursacht.
Das Leben der Betroffenen von seltenen Krankheiten
Der Betroffene leidet meistens ein Leben lang, auch wenn die Symptome sich erst im Erwachsenenalter manifestieren. Seltene Krankheiten sind oft lebensbedrohend, schränken die Lebensweise stark ein und sind daher sehr ernst zu nehmen.
Ist die Krankheit erst einmal diagnostiziert, hat der Patient schon einen jahrelangen, hoffnungsnehmenden Weg von Arzt zu Arzt und von Krankenhaus zu Krankenhaus hinter sich. Nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für Mediziner ist eine seltene Krankheit das, was sie ist: äußerst selten und wenig erforscht. Auch der Arzt kann bei diesen Leiden oft nicht auf detaillierte Symptomlisten und Zuordnungen zu einer Erkrankung zurückgreifen und tappt daher trotz intensiver Bemühungen im Dunklen. Nicht selten wird ein nicht zuordnungsbares Leiden, wenn zudem die verschriebenen Medikamente nicht helfen, als eine psychosomatische Störung diagnostiziert.
Selbstinitiative mit Unterstützung von professionellen Organisationen
Im Zeitalter des Internets hilft dem Patienten und deren Angehörigen dann leider nur eins: selber aktiv zu werden. Es gibt Organisationen mit Spezialisten, die telefonisch und per Internet oder E-Mail Hilfe und Unterstützung bei seltenen Symptomen und Krankheiten anbieten. Das Portal für Seltene Erkrankungen und Orphan Drugs (www.orpha.net) bietet neben einer persönlichen Beratung auch Listen und eine Enzyklopädie über seltene Krankheiten, Krankheitszeichen, Medikamente, klinische Studien, Expertenzentren, Fachleute, Einrichtungen und Selbsthilfeorganisationen an. Auch die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen in Berlin (www.achse-online.de) bietet unter anderem eine Beratung der Betroffenen und Angehörigenberatung, Aufklärungsaktionen sowie eine Aufstellung von Selbsthilfeorganisationen an.
Selbsthilfegruppen sind Experten
Selbsthilfegruppen sind sehr wichtige Anlaufstellen für Betroffene und Ärzte bei seltenen Erkrankungen, da sie die Symptomatik und die Leiden sehr detailliert aufarbeiten und darüber informieren können. So können sie bei der Zuordnung der Krankheitszeichen zu einer speziellen Krankheit wertvolle Erfahrungswerte liefern und auch bei der Behandlung Ratschläge erteilen. Auch die Europäische Organisation für seltene Krankheiten (www.eurordis.org/de) bietet ein Netzwerk von Patientengruppen sowie aufklärende Aktionen und Informationen an. Diverse andere Stiftungen wie die Care-vor-Rare-Foundation (Stiftung für Kinder mit seltenen Erkrankungen) und deutsche Kliniken mit Fachzentren für seltene spezielle Erkrankungen (wie das ZSE in Tübingen oder Freiburg) sind Anlaufstellen für Patienten mit unüblichen Krankheiten.
Förderung der Erforschung von seltenen Erkrankungen
Sehr erleichtert höre ich den Moderator in der Fernsehsendung sagen, dass die Erforschung von seltenen Krankheiten und den entsprechenden wirksamen Medikamenten inzwischen über nationale Grenzen hinaus gefördert wird. Die Organisation EURORDIS und die Gesetze einiger Länder setzen sich zudem dafür ein, den Pharmaindustrien wirtschaftlich interessante Anreize zu bieten, um die Medikamentenentwicklung und -produktion für solche Krankheiten zu fördern. Zudem werden viele Grundlagenforschungen von Stiftungen geleistet, was die pharmazeutischen Unternehmen finanziell entlasten sollen. Alle Betroffenen von seltenen Leiden können daher zunehmend aufatmen, denn nicht nur am 29. oder 28. Februar, sondern auch während der restlichen Tage des Jahres wird intensiv daran gearbeitet, dass auch Patienten mit seltenen Krankheiten eine möglichst schnelle Diagnose und vor allem eine wirkungsvolle Behandlung ihrer Erkrankung erhalten.