Es ist ein offenes Geheimnis: Pflegepersonal ist hohen Belastungen ausgesetzt, trägt ungeheure Verantwortung und ist schlichtweg unterbezahlt.
Pflegepersonal, gleich ob mit oder ohne Examen, arbeitet in der Regel im Dreischichten-System: Frühdienst, Spätdienst, Nachtdienst. In vielen Pflegeheimen werden Dauernachtwachen beschäftigt und der größte Teil des Personals muss in der Regel nur zwei Schichten leisten. Von Dauernachtwachen nehmen allerdings immer mehr pflegende Einrichtungen Abstand – die gesundheitlichen Auswirkungen sind einfach zu groß. Die Dienstzeiten unterscheiden sich von Haus zu Haus. Der durchschnittliche Arbeitstag einer Pflegerin oder eines Pflegers dauert somit 7 Stunden. Abzüglich einer halben Stunde Pause also eine reale Arbeitszeit von 6,5 Stunden täglich. Das mag dem Angestellten, der von acht bis fünf arbeitet, auf den ersten Blick noch recht nett erscheinen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass auch Pflegepersonal in der Regel eine 38,5 Stundenwoche zu leisten hat – sofern es sich um eine Anstellung in Vollzeit handelt. Häufig ist in Pflegeeinrichtungen sogar noch eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart.
Wochenende, Feiertage und Minusstunden
Bei einer realen Arbeitszeit von 6,5 Stunden pro Tag kommt ein Angestellter in der Pflege somit von Montag bis Freitag auf eine Arbeitszeit von 32,5 Stunden. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden entstehen somit, obwohl von Montag bis Freitag gearbeitet wurde, 6 Minusstunden pro Woche. Gut, mit einem einzigen Samstagsdienst sind diese wieder ausgeglichen. Aber so einfach ist das nicht. Wenn die Dienstpläne für den kommenden Monat erstellt werden, ist die Rechnung eigentlich ganz einfach. Es wird errechnet, wie viele Arbeitstage der kommende Monat hat. Bei 22 Arbeitstagen und einer 38,5 Stundenwoche wird eine tägliche Arbeitszeit von 7,7 Stunden zugrunde gelegt. Diese gilt dann für 22 Arbeitstage, aus denen sich die monatlichen Sollstunden errechnen. Bei 22 Arbeitstagen sind es 169,4 Arbeitsstunden. Die täglichen Schichten betragen aber in der Regel nur eine Arbeitszeit von 6,5 Stunden. Ein Pfleger in Vollzeit kommt somit auf 26 Tage, an denen er Dienst leisten muss pro Monat. Ihm verbleiben also noch fünf freie Tage, sofern der Monat 31 Tage hat. Und das ist übrigens unabhängig von irgendwelchen Feiertagen. Während der Angestellte normalerweise sein Wochenende genießen darf und an den Feiertagen ebenfalls zusätzlich frei hat, so hat der Pfleger jeden Monat, gleich wie viele Feiertage sich ergeben, seine Arbeitszeit zu leisten. Die meisten Pfleger arbeiten bei Vollzeit 14 Tage am Stück durch, haben dann zwei Tage frei, arbeiten wieder 14 Tage, um erneut zwei Tage frei zu haben – sind aber damit meist schon im nächsten Monat angekommen. Minusstunden ergeben sich automatisch und immer, wenn ein Pfleger in Vollzeit sechs Tage pro Monat frei hat.
Durchschnittliche Bezahlung von Pflegepersonal
Die Gehälter schwanken und sind in jedem Bundesland unterschiedlich, hängen jedoch auch von den Durchschnittsgehältern in den jeweiligen stationären Einrichtungen ab. Examiniertes Pflegepersonal verdient im Durchschnitt zwischen 1.800 und 2.500 Euro brutto pro Monat. Pflegehelfer leisten in der Regel die gleiche Arbeit, tragen lediglich weniger Verantwortung und liegen in ihrem Verdienst zwischen 1.000 und 1.500 Euro brutto im Monat, teilweise liegen die Löhne sogar erheblich darunter. Der hier angegebene, durchschnittliche Verdienst orientiert sich an einer Vollzeitstelle. Man sollte den Lohn von Pflegepersonal, gleich ob mit oder ohne Examen, in Relation zur körperlichen und psychischen Belastung setzen – und ebenfalls zu den Arbeitstagen, die hier geleistet werden müssen und zu welchen sich ein weiterer Aspekt gesellt, nämlich das eingeschränkte und häufig hoch belastete Privat- und Familienleben.
Privatleben so gut wie unmöglich
In der Pflege werden nicht nur Schichten gearbeitet – grundsätzlich wird auch an Wochenenden und Feiertagen und in der Nacht gearbeitet. Ein Privatleben ist kaum möglich, Familien sind meist hohen Belastungen durch Einschränkungen im Privatleben ausgesetzt, die sich durch die Dienstzeiten ergeben. Noch immer arbeiten vorwiegend Frauen in der Pflege. Kinderbetreuungszeiten können kaum eingehalten werden, immer ist zusätzliche Unterstützung durch Familienangehörige nötig. Partnerschaften werden enorm belastet. Bei Spätdienst sitzt der Partner nach Feierabend alleine zu Hause. Gleiches gilt für den Nachtdienst. Der Partner eines Altenpflegers oder einer Altenpflegerin sitzt auch an vielen Wochenenden und Feiertagen alleine zu Hause. Familienleben bleibt auf der Strecke. Und das „mal eben einspringen“ wird zur zusätzlichen Belastung. Wird ein Kollege oder eine Kollegin krank, so braucht es Ersatz. Die Folge sind grundsätzlich psychisch wie auch körperlich hoch belastete Teams aus Pflegern, die neben ihren ohnehin schon stark eingeschränkten, freien Tage zusätzliche Dienste einschieben müssen, um kranke Kollegen zu vertreten. Natürlich kann man „nein“ sagen – die Freizeit ist heilig und die hat auch eine stationäre Einrichtung zu respektieren. Doch wie sieht die Realität aus? Nicht selten wird subtil mit Kündigung gedroht, falls Pfleger sich weigern, für kranke Kollegen einzuspringen. Das „mal eben einspringen“ führt dann aber auch auf der privaten Ebene wieder zu Diskussionen und damit zu zusätzlichen, privaten Belastungen. Denn erkläre doch mal bitte jemand seiner lieben Familie, dass der geplante Ausflug ausfallen muss, weil man „mal eben einspringen“ muss?
Nähere Informationen zu den Arbeitsbedingungen
Angehörige oder einfach nur Interessierte, die sich ein genaues Bild zu Gehältern, Dienstzeiten und monatlichen Arbeitszeiten machen möchten, sollten sich gleich in Fachkreise begeben. Im Forum für Fachpersonal sind viele interessante Diskussionen nachzulesen, die tiefen Einblick bieten in den Alltag einer Pflegerin oder eines Pflegers.
Viele werden sich auch fragen, warum es immer noch so viele Menschen gibt, die trotz der harten Arbeitsbedingungen und der schlechten Bezahlung in diesem Beruf arbeiten? Nun, die Antworten liegen größtenteils auf der Hand. Die demographische Entwicklung in Deutschland bietet guten Pflegern sichere Arbeitsplätze – auch wenn die Bedingungen nicht einfach sind. Schlechte Bezahlung ist immer noch besser als keine Bezahlung. Und die Arbeit macht auch Freude, denn Pflegepersonal ist in der Regel sehr idealistisch veranlagt: Sie möchten einfach Gutes tun.
Und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Stichwort „demographische Entwicklung“: In letzter Zeit wird seitens der betreffenden Ministerien und auch der Altenpflegeschulen und diverser Einrichtungen intensiv an den Rahmenbedingungen der Ausbildung, aber auch des Arbeitsalltags von Pflegepersonal gearbeitet. Vielleicht dauert es noch Jahre, bis der Beruf des Altenpflegers mit einem Gehalt gewürdigt wird, welches den harten Bedingungen gerecht wird. Vielleicht werden auch die Arbeitsbedingungen verbessert. Tatsache ist, der Beruf erfordert Nachwuchskräfte – und dafür muss man ihn attraktiver gestalten.