Gezeitenkraftwerke. Was ist ein Gezeitenkraftwerk? Gezeitenkraftwerke nutzen die durch Gezeiten verursachten Unterschiede des Wasserstandes an der Küste. Dazu speichern sie das auflaufende Wasser hinter einer Staumauer. An den Küsten der Weltmeere sorgen die von Sonne und Mond auf die Erde einwirkenden Gravitationskräfte für ein periodisches Steigen und Fallen des Wasserstandes in einem Rhythmus von etwa12 ½ Stunden. Der Tidenhub, das ist die Differenz zwischen Hochwasser bei Flut und Niedrigwasser bei Ebbe, fällt regional sehr unterschiedlich aus. An vielen Ostseestränden ist er kaum sichtbar. An der europäischen Atlantikküste gibt es Abschnitte mit einem normalen Tidenhub von bis zu 12 m.
Das klassische Gezeitenkraftwerk
Für ein Gezeitenkraftwerk wird eine Bucht oder Flussmündung durch einen Damm oder eine Mauer vom umgebenden Meer abgetrennt. Im Fuß der Absperranlagen werden Turbinen eingebaut, die im Regelfall ein- und ausströmendes Wasser in Drehbewegung umsetzen können. Diese Turbinen treiben jeweils einen Generator an.
Bei auflaufendem Wasser strömt das Meerwasser in das Speicherbecken. Beim höchsten Wasserstand kommt die Strömung zum erliegen. In der Phase ablaufenden Wassers kann das gespeicherte Wasser ins Meer abgelassen werden und es treibt dabei wieder die Turbinen an.
Bei Nutzung geeigneter Turbinen kann ein Gezeitenkraftwerk auch als Pumpspeicherkraftwerk betrieben werden. Dann wird in der Speicherphase mehr Wasser in das Speicherbecken gepumpt als dies durch die natürliche Flut möglich ist. Bei Bedarf wird diese zusätzlich eingebrachte Wassermenge zur Stromerzeugung genutzt.
Voraussetzungen für den Bau eines Gezeitenkraftwerkes
Für ein wirtschaftlich interessantes Gezeitenkraftwerk mit Speichervolumen muss ein normaler Tidenhub von mehr als 5 m erreicht werden. Und ein ausreichend großes Speicherbecken muss mit möglichst wenig Aufwand vom offenen Meer abtrennbar sein.
Standorte, die diesen Ansprüchen genügen, sind recht selten. Eine Zahl von 100 denkbaren Standorten wird öfter genannt. Allerdings mit dem sofortigen Verweis auf Probleme an vielen Standorten, z.B. negative Auswirkungen auf benachbarte Küstenabschnitte. So reduziert sich die Zahl der tatsächlich nutzbaren Standorte nochmals kräftig.
Vor- und Nachteile
Als Nutzung einer besonderen Form von Wasserkraft gehören die Gezeitenkraftwerke zu der Klasse der Nutzer regenerativer Energie. Sie entlasten die Umwelt von Treibhausgasen. Sie sind zuverlässig und arbeiten bis auf die kurzen Pausen beim Strömungswechsel rund um die Uhr.
Als Nachteil wird gewertet, dass der Bau eines solchen Gezeitenkraftwerkes einen massiven Eingriff in die Natur mit sich bringt. Die Fauna und Flora hinter dem Damm, die sich auf den steten Rhythmus von Ebbe und Flut eingestellt hatte, muss sich völlig neuen Umgebungsbedingungen anpassen. Die durch die Speichermauer vom Meer abgeschnitten Flüsse und Bäche verändern den Fischbesatz.
Bestehende Gezeitenkraftwerke
Bisher sind auf der Welt nur ganz wenige Gezeitenkraftwerke der beschriebenen Art entstanden.
Gezeitenkraftwerk St-Malo
In der Bucht von St-Malo in der Bretagne wird ein normaler Tidenhub von 12 m gemessen. Dieser extreme Wert gab den Ausschlag dafür, hier das weltweit erste und bis heute immer noch größte Gezeitenkraftwerk der Welt zu bauen. Baubeginn war 1961 und die Produktion startete im Dezember 1967.
Eine 750 m lange Betonmauer trennt die Bucht nun vom Meer. Ein Speicherbecken mit einer Fläche von 22 km² und einem Volumen von 184 Mio. m³ entstand. Im Damm sind 24 Turbinen mit einer Nennleistung von 10 Megawatt (MW) installiert. Die Gesamtanlage hat eine Nennleistung von 240 MW. Die Jahresproduktion wird mit rund 600 Mio. Kilowattstunden (kWh) beziffert.
Eine wichtige Funktion des Werkes ist die Deckung von Spitzenlastbedarf. Es wird auch als Pumpspeicherwerk genutzt.
Gezeitenkraftwerk Annapolis Royal
An der kanadischen Bay of Fundy steht seit 1984 eine kleine Anlage mit 20 MW als Versuchskraftwerk. Über ein gewaltiges Gezeitenkraftwerk an dieser Bucht, an 5.000 MW wird da gedacht, wird schon lange hart diskutiert. Es wird befürchtet, dass ein solches Werk die Flut in benachbarten Küstenabschnitten zu stark erhöhen würde.
Weitere Gezeitenkraftwerke
Es gibt noch einige kleinere Gezeitenkraftwerke in Russland und China. Derzeit entsteht in Südkorea ein Gezeitenkraftwerk mit einer Nennleistung von 260 MW, das also St. Malo als Spitzenreiter ablösen wird.
Gezeitenkraftwerke anderer Bauart
Derzeit wird an einer Nutzung der Gezeiten zur Energiegewinnung intensiv gearbeitet. Es entstehen erste Gezeitenströmungskraftwerke. Diese nutzen die durch die Gezeiten entstehenden starken Strömungen in flachen Küstengewässern.