Was der Placebo-Effekt ist und wie er unser Gehirn dazu bringt, einen Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Nach wissenschaftlichen Studien verschiedener führender Universitäten dieser Welt kann Zuversicht tatsächlich Schmerzen lindern. Verantwortlich dafür ist die so genannte Placebo-Wirkung im Gehirn. Placebo heißt auf Latein: Ich werde gefallen. Anhand eindeutiger Untersuchungen geht hervor, dass die körpereigenen Schmerzmittel (Endorphine) sich an die Rezeptoren im Gehirn binden. Eine reine Suggestion führt daraufhin zu einer biochemischen Antwort im Gehirn, wodurch die Schmerzen messbar nachlassen. Nur durch die reine „Erwartungshaltung“ der Patienten bewirkt dies eine reale Veränderung im Körper.
Die Macht der Einbildung
Bei Patienten, die an Parkinson (Schüttellähmung) leiden, ist die Aktivität der Nervenzellen in einem bestimmten Hirnareal krankhaft erhöht, was dazu führt, dass den Betroffenen die Hände zittern. In einer Untersuchung wurde einigen solcher Patienten völlig wirkungslose Kochsalzlösung verabreicht. Im gleichen Moment versicherte man ihnen allerdings, dass es sich um ein wirksames Medikament handle. Das Ergebnis war eindeutig. Die Patienten waren dermaßen von der Heilkraft dieses Medikamentes beeindruckt, dass sich ihre allzu nervöse Hirnregion sichtlich entspannte. Die Neuronen feuerten wesentlich weniger, wie die Messungen an den einzelnen Nervenzellen offenbarten. Und in dem Maße, in dem das Neuronen-Gewitter sich abschwächte, schwand auch das Zittern der Hände der Betroffenen.
Medizinische Zuwendung setzt Selbstheilungskräfte im Gehirn frei
Wissenschaftliche Studien beweisen, dass wenn kranke Menschen Arzneimittel zu sich nehmen, sich operieren lassen oder psycho-therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, die Zuwendung, die sie dadurch erfahren, Selbstheilungskräfte im Körper freisetzt. Die menschliche Vorstellungskraft kann im Körper „Mechanismen in Gang setzen, die jenen ähneln, die von Medikamenten aktiviert werden. Das Placebo-Effekt genannte Phänomen dürfte das mächtigste Wirkungsprinzip der Heilkunde sein. Dies zeigte sich deutlich auch im Zweiten Weltkrieg. Weil das Morphium ausgegangen war, verabreichten Chirurgen vielen verwundeten Soldaten heimlich Salzlösungen – prompt verspürten die Verletzten Linderung. Der Einfluss des Placebo-Effekts in der gesamten Medizin wird auf 30 bis 40 Prozent geschätzt.
Wundermittel im Kopf
Das Verständnis des Placebo-Effekts könnte helfen, eines der größten Geheimnisse menschlicher Natur überhaupt zu begreifen: die Verknüpfung von Leib und Seele. Gedanken und Gefühle verändern die physiologischen Abläufe im Körper – doch über das Scharnier zwischen Geist und Fleisch konnte bisher nur spekuliert werden. Inzwischen haben Forscher erste Hirnareale gefunden, in denen Hoffnung und Zuversicht in körpereigene Schmerzmittel übersetzt werden. Diese Hirnregionen sind in der Lage, Mechanismen zu aktivieren, die gegen Krankheiten und Stress ankämpfen. Das erklärt auch, warum unspezifische Verfahren den Ausbruch und Verlauf so unterschiedlicher Erkrankungen, wie Entzündungen, Herzinfarkte oder Autoimmunerkrankungen tatsächlich günstig beeinflussen.
Positive Erwartung ist im menschlichen Erbgut verankert
Ein Forscherpaar von der Abteilung für Psychiatrie der Mount Sinai School of Medicine in New York ist der Ansicht, dass die Fähigkeit die positive Erwartung in Genesung umzuwandeln, im Laufe der Evolution im menschlichen Erbgut verankert wurde. Wer mit dieser Gabe auf die Welt kam, hatte einen Überlebensvorteil, weil er Bedrückung, Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit abbauen konnte. Doch seltsam: Während die Wirkung des Placebo-Effekts immer weiter untersucht wird, spielt es im medizinischen Alltag eine immer kleinere Rolle. Studien zufolge unterbrechen Ärzte ihre Patienten während des Arzt-Patienten-Gesprächs im Durchschnitt alle 18 Sekunden. Da bleibt wenig Zeit, heilende Gefühle zu entwickeln. Zudem rauben viele Ärzte ihren Patienten mit unbedachten Äußerungen die Hoffnung, was das Leiden der Betroffenen verschlimmern oder sogar ganz neue Symptome hervorrufen kann. Dies ist der so genannte Nocebo-Effekt.