Europa war fünf Tage lang gelähmt – ohne Flugverkehr. Diesem totalen Flugverbot widerspricht die Lufthansa sehr energisch: Es gab nie eine Gefahr.
Aerosol war verstärkt in der Luft, aber keine gefährliche Asche – war also das fünftägige generelle Flugverbot Mitte April 2010 ein Flop, ein Fehler, eine Überreaktion auch der Politik, vor allem von Verkehrsminister Peter Ramsauer? Die diesjährige Jahrestagung des angesehenen Luftfahrt Presse Club in Düsseldorf wartete mit sensationelle Tatsachen auf. „Es gab keine vulkanische Aschewolke“, konstatierte Karl Ulrich Garnadt von der Lufthansa, der Passage-Vorstand der größten deutschen Fluggesellschaft. Es habe deshalb auch nie eine „tatsächliche Gefährdung“ gegeben.
Lufthansa schickt eigenes Messflugzeug los
Die Lufthansa, die sich weder auf die Vorhersagen und Warnungen des zuständigen Instituts in London noch auf Erklärungen des Deutschen Wetterdienstes oder der DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) verlassen wollte, hatte während des Flugverbots eine eigene Maschine gestartet. Sie war mit Messgeräten bestückt, um Daten und Details der in der Luft vermuteten Vulkanaschekonzentrationen zu ermitteln. Die Lufthansa, als betroffenes Unternehmen natürlich besonders interessiert, hatte dabei keineswegs auf eigene Faust gehandelt – mit von der Partie war vielmehr das Mainzer Max-Planck-Institut. Nicht die geringsten gefährlichen Ascheteilchen wurden festgestellt.
Triebwerke von zehn Maschinen aschefrei
Die Lufthansa ging aber noch einen Schritt weiter: Nachdem das Ramsauer-Verkehrsministerium „angemeldete kontrollierte Flüge auf Sicht“ zumindest zeitweise genehmigt hatte, überführte die Lufthansa zehn Passagiermaschinen von München nach Frankfurt. In deren Triebwerken, die nach der Landung auf Deutschlands größtem Flugkreuz genau untersucht wurden, fanden sich absolut keine Ascheteilchen. Passagiere waren bei diesen Überführungsflügen nicht zugelassen, denn offiziell wurde ja noch immer „Gefahr“ verkündet. In diesem Zusammenhang aber sollte man bedenken: Mit der Überführung dieser zehn Maschinen riskierte die Lufthansa ein Vermögen von rund 700 Millionen Euro, denn das ist der Wert dieser Flugzeuge – und die dabei eingesetzten Piloten hatten ihre Zustimmung zu dieser Art „Flugabenteuer“ freiwillig gegeben. Das ging deren Gewerkschaft, der Pilotenvereinigung Cockpit, mächtig gegen den Strich.
Dubiose Rolle von Cockpit
Denn deren Sprecher wurde in diesen fünf Tagen nicht müde, von Rundfunkwelle zu Welle und TV-Kanal zu Fernsehsender zu wandern, um immer wieder das Selbe zu verkünden: Sie, die Piloten, seien gegen das Fliegen, auch gegen den kontrollierten Sichtflug, denn auch der sei unverantwortlich und äußerst gefährlich. Seltsam auch angesichts der Tatsache, dass Piloten ja flogen. Man wurde den Eindruck nicht los, als wollten die Pilotengewerkschaftler so viel wie möglich freie Tage aus der Vulkankatastrophe heraus schlagen. „Sicherheit über alles“ – das jedenfalls nimmt man Lufthansa und Air Berlin eher ab, da haben mit Sicherheit wirtschaftliche Erwägungen keine Rolle gespielt.
DLR-Maschine fand Ascheteile
Sicherheit zuerst und über alles: Das war auch wiederholt das Momentum, das Andreas Schütz, Pressesprecher des DLR, verkündete. Das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in den vermeintlich verseuchten Luftraum geschickte Forschungsflugzeug hatte Aschepartikel festgestellt, die – genau wie die Computersimulationen der Londoner – als gefährlich und den Flugverkehr gefährdend eingestuft wurden. Entsprechend reagierte die vorgesetzte Behörde, das Ramsauer-Ministerium – es blieb beim Flugverbot.
Eine Million Passagiere betroffen
Zurückblickend bleibt einiges festzustellen: Da es keine internationalen, wissenschaftlichen Kriterien dafür gibt, ab wann vulkanische Ascheteilchen fluggefährdend sein könnten, war das Flugverbot absolut gerechtfertigt. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, da die zehn Lufthansa-Maschinen von München nach Frankfurt geflogen waren, in deren Triebwerken keine Vulkanasche festgestellt wurde. Während der fünf Tage, da über Europa nicht geflogen werden durfte, wurden 11.000 Flüge gestrichen, betroffen waren rund eine Million Passagiere – da gebührt Airlines wie Lufthansa und Air Berlin großes Lob dafür, dass sie gestrandete Fluggäste schnell zurückholten und ziemlich früh zum regulären Flugplan zurückfanden. Was besonders zu bemängeln war, wird es in Zukunft nicht mehr geben: Dass die Luftqualität nicht häufiger genug und vor allem zuverlässiger beurteilt wurde, so dass Flugpassagieren nur alle fünf bis sechs Stunden mitgeteilt werden konnte, ob oder wann ihre Maschine fliegen würde.
Die Situation war einmalig, ohne Beispiel. Deshalb wird sie sich so nicht wiederholen, denn demnächst wird es Kriterien, Messdaten dafür geben, international erarbeitet, ab wann vulkanische Asche fluggefährdend ist. Dieser isländische Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen (Eyjatfjalajökul) hat die Luftfahrt, die Politik und die Wissenschaft vieles gelehrt – übrigens: Die Amerikaner nennen den irischen Vulkan kurz und bündig E15. E steht für „eruption“ (Ausbruch), 15 für die Buchstabenanzahl des Vulkannamens – da gibt`s nichts Zungenbrecherisches.