Das Mitarbeitergespräch wurde seines Zwecks entbunden. Es wirkt nicht motivierend auf die Mitarbeiter, sondern mutierte zum Mittel der Einschüchterung.
Heutzutage ist das Mitarbeitergespräch ein etabliertes Instrument ambitionierter Personalabteilungen in meist global agierenden Unternehmen. Dem Mitarbeiter soll Gelegenheit gegeben werden, mit seinem Vorgesetzten offen über die Situation in seinem Arbeitsumfeld sowie dem Stand seiner laufenden Projekte zu sprechen. Dabei soll dieses Vier-Augen-Gespräch Raum für konstruktive Kritik von beiden Seiten bieten. Doch dies scheint genau das unerfüllte Ziel bei der Umsetzung zu sein.
Unternehmensführungen nutzen dieses Instrument der internen Unternehmenskommunikation hingegen vielmehr als Legitimation dafür, dass sie aktiv die Mitarbeitermotivation fördern. Sie sehen sich folglich davon befreit, eigene, effiziente und bestimmt im ersten Moment mühevollere Wege für die nachhaltige Zufriedenheit und den natürlichen Antrieb ihrer Mitarbeiter zu gehen. Doch liegt dies in der Bequemlichkeit begründet oder wird hier ein tieferes Interesse verfolgt?
Das Mitarbeitergespräch – ein konstruktiver Austausch auf Augenhöhe?
Was bewirkt dieses Gespräch letztendlich? Wem der Teilnehmer nützt es tatsächlich und wem hilft es weiter und wobei? Wie offen kann dieses Gespräch in der Konstellation Mitarbeiter/Vorgesetzter mit der gewünschten Zielvorgabe sein? Erfüllt es seinen Zweck und steigert die Motivation des Mitarbeiters? Wie könnte dessen Motivation in einem solchen Gespräch erhöht werden? Welchen Zweck erfüllt dieses Instrument in deutschen Unternehmen und Organisationen wirklich?
Wie die Bezeichnung „Mitarbeitergespräch“ schon vermuten lässt, sollte in diesem Vier-Augen-Dialog der Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen, demzufolge auch seine Situation in seinem Arbeitsumfeld, seine fachlichen und sozialen Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten sowie seine Persönlichkeit. Eine anerkennende, respektierende und damit motivierende Form ist Grundvoraussetzung für die Umsetzung.
Ein Blick hinter die Kulissen deutscher Großarbeitgeber zeigt jedoch oft, dass die Realität weit entfernt von dieser Voraussetzung ist. Man muss sich fragen: Wem dient das Mitarbeitergespräch wirklich? Dem Mitarbeiter? Oder vielmehr dem Vorgesetzten? Der verschafft sich zum einen regelmäßig den überfälligen Überblick über die Aufgaben und Leistungen seines Mitarbeiters. Zum anderen, was besonders fatal ist, nutzen Vorgesetzte dieses Instrument gern, um ihre Mitarbeiter mit „weiteren Aufgaben“ zu betreuen. Das Erreichen dieser neu abgesteckten Ziele liegt zeitlich oft so nah, dass eine maßgebliche Anzahl von zusätzlichen Überstunden unabdingbar ist. Eine damit zu erwartende Gehaltserhöhung bleibt aus. Mittlerweile finden solche Gespräche öfter als einmal jährlich statt. Mitarbeiter müssen sich demnach verstärkt auf erhöhten Leistungsdruck einstellen, denn Zielvereinbarungen in den Mitarbeitergesprächen sind eigentlich keine Vereinbarungen. Sie werden einseitig von Seiten des Vorgesetzten festgelegt, weil dieser am „längeren Hebel“ sitzt.
Erstes Ziel des Mitarbeitergesprächs: Erhöhung des Leistungsdrucks
Um die Mitarbeiter zu „überzeugen“, erfahren sie im ersten Schritt, welche Erwartungen sie nicht erfüllt haben. Ein bevorzugt angewandtes Mittel, um mehr Leistungsbereitschaft zu erzeugen, das auf Angst aufbaut. Jeder engagierte Angestellte hätte am Ende das Gefühl hat, wenig bis Wertloses geleistet zu haben. Derart herabgewürdigt würden sie nie auf die Idee kommen, Belohnung einzufordern, sondern ganz im Gegenteil noch mehr zu leisten, um ihre als minder empfundene Leistung zu steigern. Parallel laufende Projekten dürfen dabei nicht vernachlässigt werden.
Damit scheint ein bedeutendes Ziel erreicht zu sein. Dem Mitarbeiter ist das Gefühl vermittelt worden mehr Leistung erbringen zu müssen ohne mehr Kosten zu erzeugen. Hinzu kommt die Tatsache, dass so mancher Vorgesetzter dem Ansatz der Gegenseitigkeit nicht gerecht wird oder werden will? Das Mitarbeitergespräch – ein „offenes“ Gespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter – soll Gelegenheit zu beidseitiger Kritik und Anregung gegeben werden. Doch mit der Druckerhöhung seitens des Unternehmens ist dem ausführenden Gesprächspartner ganz schnell der Wind aus den Segeln genommen worden. Es scheint, als sei das offiziell gern gesehene „Feeback“ nicht erwünscht. Warum?
Kritik fähige Vorgesetzte dringend gesucht!
Wie viele Vorgesetzte sind tatsächlich in der Lage, Kritik zu empfangen und sich aufrichtig Anregungen aus ihrem Team geben zu lassen? Kritik, die konstruktiv die Abläufe im direkten Umfeld der Kollegen verbessern könnten. Nur das offene Gespräch beidseitig auf Augenhöhe wird eine Verbesserung der Abläufe, nachhaltiger Ergebnisse aus dem betroffenen Bereich sowie eine damit einhergehend nachhaltige Mitarbeitermotivation zur Folge haben. Ein solches Gespräch auf Augenhöhe kann nur von einem „ausgewachsenen“ Vorgesetzten ermöglicht werden, von jemandem, der versteht, dass es nicht um die Bedrohung seiner Position geht, sondern darum, die Ziele des Unternehmens effektiver zu erreichen.
Diese Spezies würde das „Tool“ Mitarbeitergespräch sicher schnell in die Mottenkiste verbannen und stattdessen nach innovativen, beidseitig Respekt erzeugenden Mitteln greifen, um Unternehmensziele kollektiv gewinnbringend zu erreichen oder darüber hinaus zu agieren. Mitarbeitermotivation in deutschen Großunternehmen kann nachhaltig gesichert werden. Dafür sind Offenheit, Innovation und Stärke bei den Verantwortlichen unverzichtbar!