Fossilien als Weltnaturerbe. Zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt liegt ein weltweit einmaliger Fundpunkt. Diesen Status verdankt er den ausgezeichnet erhaltenen Fossilien aus dem Eozän.
Die Gegend zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt unterschied sich vor rund 48 Millionen Jahren vollkommen von der heutigen. Eine flache Ebene erstreckte sich dort, wo sich jetzt die Höhen des Sprendlinger Horsts entlang ziehen. Das Klima war wie in den Tropen oder Subtropen warm und feucht. Paratropischer Urwald bedeckte die Szenerie. In diesem Dschungel lebte eine Vielzahl unterschiedlichster Tiere in den verschiedensten Lebensräumen. Und inmitten dieser grünen Hölle lag ein tiefer, kreisrunder See. In diesen See fielen tote Tiere, abgestorbene Pflanzen und umgestürzte Bäume. Die extreme Tiefe (200 bis 300 Meter) und die steilen Wände des Messeler Maarsees verhinderten eine Durchmischung des Wasserkörpers. Daher waren die tiefsten Wasserschichten sauerstofffrei. Am Boden des Messelsees bildete sich Faulschlamm, der die Tierleichen und Pflanzenreste einhüllte und konservierte. Aus ihnen entstanden die einzigartig erhaltenen Fossilien.
Ein Geotop entsteht
Die steilen Wände des Messelsees erinnern an die eines Vulkankraters. Und in der Tat hat das Gewässer einen vulkanischen Ursprung. Glutflüssiges Gestein stieg aus dem Erdinneren auf und stiess kurz unter der Erdoberfläche auf Grundwasser. Die anschließenden phreatomagmatischen Wasserdampf-Explosionen beim Kontakt von Magma und Wasser sprengten einen tiefen Trichter in die Landschaft. Dieser füllte sich bald mit Wasser, ein Maarsee war entstanden. Um das Gewässer herum lag ein Wall. Er besteht aus den zertrümmerten Gesteinsmassen und vulkanischen Aschen. Unter dem Wasserkörper bildet ein Stopfen aus Aschen und fragmentierten Gesteinsbrocken einen wasserdichten Abschluss. Im Laufe der Zeit füllt sich der See mit Ablagerungen und verlandet schlussendlich.
Vom Faulschlamm zum Ölschiefer
Die steilen Ufer des Maars und das lockere Gestein liessen immer wieder die Böschung abrutschen. Dabei rissen sie trinkende Tiere mit in die Tiefe. Sie wirbelten die Ablagerungen am Boden auf und hüllten die Leichen ein. Dann rieselten wieder Staub, Blütenpollen und Mikroorganismen auf den Grund. Die steile Trichterform des Sees verhinderte einen Austausch der oberen, gut durchlüfteten Wasserschichten mit den unteren, sauerstoffarmen. Der Faulschlamm war eine lebensfeindliche Umgebung. Kein Tier durchwühlte den Boden nach Nahrung. Kein Aasfresser machte sich über die Kadaver her. Nur spezielle Bakterien zersetzten langsam die Leichen. Aus nicht zersetztem organischen Material und den Tonpartikeln entstand in Jahrmillionen der Ölschiefer. Die Tätigkeit der Bakterien liess die Tierleichen versteinern. Durch die unvollständige Zersetzung der organischen Substanz reicherte sich das Sediment mit Kerogenen an. Diese bildeten die Grundlage für den bergmännischen Abbau des Ölschiefers von 1884 bis 1971. Und ohne den Bergbau wären die Wissenschaftler nicht auf die Fossilien aufmerksam geworden.
Ein Fenster in die Vergangenheit
Der Urwald und der See boten Lebensräume für eine bunte Vielfalt von Lebewesen. Im Wald lebten die Tiere in den verschieden Stockwerken der Bäume. Die Licht durchfluteten Schichten des Sees waren Lebensraum für eine Unzahl von Fischen, Krokodilen, Schildkröten und Wasserinsekten. Im Unterholz schlüpften foxterrier- bis schäferhundgroße Urpferdchen durch die Büsche. Kleine und große Räuber wie Schlangen, Riesenlaufvögel der Gattung Gastornis oder Ur-Raubtiere wie Lesmesodon streiften auf den Suche nach Beute den Urwald. Das schmale Ufer bot allerdings nur wenig Raum. Und so sind auch nur wenige Tiere wie Frösche überliefert, die in diesem Bereich gelebt haben. Dagegen zeigen die Pflanzen aus dem Übergangsbereich vom Wasser zum Land eine mögliche Zonierung. Aronstabgewächse, Farne und Sauergräser wuchsen in einem Sumpfgürtel. Daran schloss sich eine trockenere Zone mit Bäumen und Sträuchern an. Als Beispiel wären hier der Tupelobaum Nyssa und Heidekrautgewächse zu nennen. Dieser Bereich ging dann in den eigentlichen Urwald über. Aus dieser Zone sind kaum Tiere bekannt.
Mit dem Messer ans Tageslicht gebracht
Fossilien sind meist in festem Gestein eingeschlossen. Dann legt der Ausgräber sie mit Brechstange, Hammer, Meißel und viel Krafteinsatz frei. Der weiche Ölschiefer aus Messel verlangt ein anderes Vorgehen. Die feine Schichtung lässt sich mit einem einfachen Küchenmesser aufspalten. Mit der linken Hand hält der Paläontologe eine etwa Zentimeter dicke Platte fest. Mit der anderen drückt er das Messer in den Ölschiefer und hebelt die Schichten auseinander. Und meistens gibt das Gestein mit einem Stich die Fossilien frei. Der stark wasserhaltige Schiefer trocknet leicht aus. Dann verzieht er sich und reißt auf. Die Fossilien sind in diesem Fall zerstört. Bei großen Funden ersetzt der Präparator das Gestein und härtet zusätzlich die Knochenmasse des Fossils. Kleine Reste wie Käfer, Blüten oder Fische konserviert man in Glyzerin. Dieses verdrängt das Wasser und verhindert die Austrocknung.
Schauen und staunen
Die Funde aus über 40 Jahren wissenschaftlicher Grabungstätigkeit sind in drei Museen zu besichtigen.
Im Ort Messel zeigt das Fossilien- und Heimatmuseum Messel in einer Ausstellung die Bergbaugeschichte und Originalfossilien.
Die älteste und umfangreichste Sammlung ist im Hessischen Landesmuseum Darmstadt zu besichtigen. Seit über 100 Jahren sammelt man dort Funde aus der Grube Messel.
Eine ebenfalls sehr umfangreiche Sammlung besitzt das Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt.
Seit 2005 steht am Rand der Grube Messel eine Info-Station. Hier gibt es Informationen zum Messelmaar und können Führungen in die Grube gebucht werden.