Bakterien sind typischerweise Einzeller mit strukturell sehr einfachem Aufbau. Ihre Vermehrung durch Zweiteilung ist äußerst effizient: Unter optimalen Bedingungen entsteht aus einer einzigen Bakterienzelle innerhalb von 11 Stunden eine Population von 5 Milliarden Zellen. Zudem sind die Mikroorganismen extrem robust und anpassungsfähig.
Vor kurzem wurde bekannt, dass sich Bakterien in Kolonien, sogenannten Biofilmen, organisieren. Nach dem Motto „gemeinsam sind wir stark“ sind solche Filme extrem widerstandsfähig gegenüber Angriffen von außen. Populationen dieser Einzeller zeigen Organisation und Verhaltensweisen, die sonst nur bei Vielzellern beobachtet wurden. Dazu gehört die Aufgabenteilung, für die eine perfekte Abstimmung notwendig ist. Bakterien kommunizieren miteinander durch Signalmoleküle, die meist einfach ins umgebende Medium abgegeben werden, sich dort verteilen und so zu ihren Empfängern gelangen. Quorum sensing (QS) ist eine besondere Kommunikationstechnik, mit der Bakterien Informationen über die Populationsdichte ihrer Kolonie austauschen und ihr Wachstum daraufhin entsprechend anpassen.Typischerweise bestehen Biofilme aus verschiedenen Bakterien-Spezies, was der Kommunikation jedoch nicht im Wege steht.
Bakterien geben Fähigkeiten an ihre Nachbarn weiter
Mikroorganismen sind nicht nur in der Lage, Resistenzen gegen Antibiotika zu entwickeln, sie können diese und ähnliche Fähigkeiten sogar an ihre Nachbarzellen weitergeben. Zu diesem Zweck bildet die Spenderzelle einen Kanal (Pilus), durch den ein kurzes DNA-Stück (Plasmid) mit den nötigen Informationen in die Empfängerzelle gelangt. Ausgestattet mit diesem „Bauplan“ ist diese nun ebenfalls resistent. Mit Ausnahme dieses Vorgangs, der als Konjugation bekannt ist, waren physikalische Zell-Zell-Verbindungen zum Informationsaustausch bisher nur bei vielzelligen Organismen bekannt.
Ein ausgeklügeltes Netzwerk dient dem Informationsaustausch
Erkenntnissen des kanadisch-israelischen Forscherteams zufolge nutzen Bakterienpopulationen jedoch ebenfalls Kanalstrukturen zur inter-zellulären Kommunikation. Anders als bei der Konjugation handelt es sich dabei um ein weit verzweigtes Netzwerk aus sogenannten Nano-Röhrchen, das viele Zellen miteinander verbindet und durch das nicht nur genetisches Material, sondern auch Signalmoleküle und andere Zell-Inhalte ausgetauscht werden. Den Wissenschaftlern gelang es, die Kanälchen einer Heubazillen (Bacillus subtilis) -Population mittels hochauflösender Elektronenmikroskopie sichtbar zu machen und sogar den Stoffaustausch zu beobachten. Dazu schleusten sie grün fluoreszierendes Protein (GFP) in einige Bazillen ein und verfolgten anschließend die Verteilung der Fluoreszenz über die Population.
Nano-Röhrchen können bis zu 1µm (1/1.000mm) lang werden und haben einen Durchmesser von 30 – 130nm, groß genug, um Proteine zu befördern. Da das Netzwerk sogar evolutionär weit entfernte Bakterien-Spezies miteinander verbindet, ermöglicht es einen perfekten Informationsaustausch zwischen den Mikroben eines Biofilms. Auf diese Weise kann möglicherweise auch die bisher ungeklärte kollektive Gleitbewegung der Myxococcus xanthus-Kolonien erklärt werden. Diese bodenlebenden Bakterien ernähren sich hauptsächlich von anderen Mikroorganismen, die sie als Schwarm gemeinsam überwältigen. Doch die Vernetzung bietet den Einzellern nicht nur die Möglichkeit, Informationen und Fähigkeiten weiterzugeben, sondern auch die, Konkurrenten durch toxische Stoffe zu bekämpfen.
Ist das Informationsnetz die Achillesferse von Krankheitserregern?
Aus medizinischer Sicht zeigen die Ergebnisse von Dubey und Ben-Yehuda neue Aspekte bakterieller Infektionen: Da symbiotische Bakterien essentiell für das Verdauungssystem höherer Organismen sind und da ein Nano-Netzwerk Spezies-übergreifend gebildet werden kann, ist es denkbar, dass Krankheitserreger ihre Pathogenitätsfaktoren, also die krankmachenden Eigenschaften, an Symbionten weitergeben könnten, die daraufhin ebenfalls infektiös würden. Fundierte Kenntnisse über Nano-Röhrchen können der medizinischen Forschung aber auch neue Wege der Bakterienbekämpfung eröffnen. Mit Wirkstoffen, welche die Netzwerk angreifen, könnte der Informationsfluss innerhalb von Bakterienpopulationen unterbunden, und diese damit entscheidend geschwächt werden.