Vampirglaube als Kompensation für fehlendes Beerdigungssakrament

Nach Peter Mario Kreuter füllt der Vampirglaube im südosteuropäischen Raum die Lücke der fehlenden Beerdigungssakramente in der orthodoxen Kirche.

Die orthodoxe Kirche im südosteuropäischen Raum hat den Menschen wenig Unterstützung im letzten Abschnitt der irdischen Existenz geboten. Dies fällt besonders auf, wenn man die Beerdigungsbräuche betrachtet. Nach Kreuter füllte der Vampirglaube diese Lücke. Die letzte Entscheidung über die Seele eines Menschen erfolgt nach der Glaubenslehre der orthodoxen Kirche erst beim Jüngsten Gericht. Was aber in der Zeit dazwischen – zwischen Tod und Jüngstem Gericht – mit der Seele geschieht, dafür gibt es keine genauen Erklärungen. Auch die Vorstellung vom Jenseits selbst ist nicht klar definiert.

Fehlende Unterstützung der Kirche als Grund für Vampirglaube

Die fehlende Nähe der orthodoxen Kirche zu Sterben und Tod wird auch in praktischen Dingen deutlich. Es fehlte beispielsweise auch eine intensive Betreuung der Verstorbenen und deren Hinterbliebenen durch die Kirche. Diese Tatsache dürfte ein Grund sein, warum der Vampirglaube in dieser Gegend besonders stark verbreitet war. Die bäuerlich-pastoral geprägten Menschen kannten ein zyklisches Weltbild aus der wiederkehrenden Abfolge von Jahreszeiten und dem Rhythmus der Feldbestellung. Ihre Erfahrungen beruhten somit auf einem sich erneuernden Leben. Sie wussten natürlich, dass es den Tod gab, aber ebenso auch ständig neues Leben entstand.

Die orthodoxe Kirche bot den Menschen keine hinreichende Erklärung für die Einordnung des Todes in ihr Leben, sie sollten den Tod als ein Resultat der Erbsünde hinnehmen. So war für die Menschen die Aussicht auf Erlösung nicht sicher und das Jenseits nicht näher definiert. „Das hochreligiöse und lineare Erklärungsmuster der menschlichen Existenz [musste] in dieser zyklischen Weltdeutung und Lebenserfahrung bedeutungslos sein, denn es war sinnfällig nicht nachvollziehbar und somit inhaltsfrei.“ (Zitat: Kreuter, Seite 146)

Doppelglaube

Betrachtet man die Beerdigungsbräuche der Balkanvölker, lässt sich beim „einfachen Volk“ sogar eine Art Doppelglaube erkennen. Es gab eine vorherrschende Glaubensvorstellung, aber die Lücken oder Widersprüche mit der Lebenserfahrung der Menschen wurden durch Elemente eines anderen Glaubens ersetzt. In der Ostkirche gab es quasi keine Sorge darum, was nach der Beerdigung mit dem Verstorbenen passierte. Dies lässt sich auch an den Grabbeigaben erkennen, die nicht Teil des orthodoxen Trauerzeremoniells waren. Sie dienten allerdings auch nicht grundsätzlich zur Abwehr eines mutmaßlichen Vampirs, sondern konnten genauso für die Reise ins Jenseits und das Leben nach dem Tode bestimmt sein. Die Bräuche füllten somit die offensichtlichen Lücken im Weltdeutungsmuster der orthodoxen Kirche. Wie Kreuter sehr treffend ausdrückt sprechen „die starke Ritualisierung und der dauernde Bezug auf den Toten (…) für einen Sakramentersatz, der den Tod und das Hinscheiden eines Menschen zumindest ansatzweise verstehbar werden lässt.“ (Kreuter, Seite 149)

Begräbniszeremonie als Übergangsritus

Die Begräbniszeremonien können auch als Übergangsriten interpretiert werden, fasst man die Definition von Arnold van Genneps „rites de passage“ etwas weiter. Denn eben diese ritualisierten Übergänge helfen den Menschen, Veränderungen wie den Tod in ihr Leben einzugliedern. Ein Übergangsritus soll einer Veränderung innerhalb eines Systems einen Rahmen geben. Ein Mensch, der sich in einem Übergang von einem Zustand zu einem anderen befindet, ist immer in Gefahr und bedeutet auch Gefahr für andere. Das Ritual, das diesen Rahmen gibt, ist eine verbindliche „Markierung“ und lenkt den Übergang. So kann man sich vom alten Zustand lösen und in geordneten Bahnen nach einer Zeit der Absonderung in einen neuen Zustand übergehen. Übergangsriten finden bei Geburt, Hochzeit, Tod und anderen Anlässen Anwendung, bei denen ein Mensch oder die Gemeinschaft von einem Zustand in einen andern übergeht. Der Tod ist hierbei als ein besonders Ereignis zu betrachten, da er wesentlich einschneidender und endgültig ist. Somit ist es nachvollziehbar, dass eine Todesfolklore für die Hinterbliebenen notwendig ist.

Totenwache

Eine Möglichkeit ist die Totenwache. Nach Kreuter ersetzt sie das in der orthodoxen Kirche fehlende Fegefeuer. Nach der Bestattung haben die Angehörigen keine Möglichkeit mehr, etwas für das Seelenheil des Verstorbenen zu tun. Somit konzentriert sich die Hilfestellung der Totenwache auf den Zeitraum zwischen Sterben und Begräbnis. Ganz pragmatisch sollte die Totenwache verhindern, dass Katzen oder Hunde den Leichnam überspringen, da dies als ein schlechtes Zeichen und auch als eine Ursache angesehen wurde, dass der Verstorbene zum Vampir wurde.

Rituale am Grab

Ist der Tote beerdigt, ist das diesseitige Leben endgültig beendet und er hat keinerlei Anteil mehr am irdischen Leben. Mit der Beerdigung bricht aber der Kontakt zum Verstorbenen nicht wirklich ab, man Gedenkt seiner weiterhin bei Grabbesuchen und an bestimmten Festtagen. Einige Rituale am Grab erinnern an Abwehrmaßnahmen gegen noch unbekannte Vampire. Auf jeden Fall sollen sie dem Toten auch deutlich machen, dass sein Platz nun in der jenseitigen Welt ist – denn jede Abweichung davon könnte zur Gefahr werden.

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