Anders als in vielen anderen Ländern gehört in Deutschland ein professionelles Bewerbungsbild immer noch zum Standard bei schriftlichen Bewerbungen.
Während die Bewerbung ohne Foto in vielen anderen Ländern, wie beispielsweise Großbritannien, USA und im skandinavischen Raum, bereits zum festen Standard gehört, ist es in Deutschland immer noch gang und gäbe ein Bild anzuheften. Dabei kann es für den Bewerber ein erstes, gefährliches Kriterium für die Aussortierung sein und zu Ungleichbehandlung führen. Auch gesetzlich ist man nicht mehr verpflichtet, dem künftigen Arbeitgeber ein Bild mitzuschicken. – Aber bringt es Vorteile für den Bewerber kein Bild anzuhängen?
Sind Bewerbungsfotos freiwillig
In Deutschland das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in Kraft. Seither ist es für Bewerber unter anderem nicht mehr verpflichtend, die eigene Bewerbung mit einen vom potentiellen Arbeitgeber geforderten Bewerbungsfoto zu versehen. Auch eher private Angaben zur eigenen Person (Familienstand, Glaube, Hobbys, etc.) sind freiwillig. Viele Unternehmen verzichten inzwischen, beispielsweise in Online-Bewerbungsformularen, auf einen Upload-Link für Bewerbungsbilder. Allerdings haben sich die neuen Standards in Deutschland immer noch nicht flächendeckend durchsetzten können. Viele Bewerber hängen weiterhin Bewerbungsfotos an und viele Arbeitgeber erwarten immer noch diesen früheren Standardteil einer Bewerbung.
Wem bringt ein Bewerbungsfoto Vorteile?
Fast alle deutschen Bewerbungsratgeber empfehlen, der Bewerbung ein Lichtbild beizuhängen. In einer Bewerbung nach deutschem Standard fügt man dem Lebenslauf oben rechts ein etwa 4,5 mal 6,5 cm großes fixiertes Foto bei. Dies sei ein ausgezeichnetes Mittel zur Selbstdarstellung. Über ein gelungenes Bewerbungsfoto könne man Soft Skills wie Freundlichkeit, Offenheit und Motivation zum Ausdruck bringen. Dazu kommt, dass bei einer Flut von hunderten eingehenden Bewerbungen die verschiedenen Schreiben oft nur grob überflogen werden können. Bilder – ähnlich wie Zwischenüberschriften – stellen hierbei einen Blickfang dar und werden zuerst betrachtet. Verschiedene ausländische Studien deuten allerdings darauf hin, dass selbst das gelungenste Foto dem Bewerber nicht immer nur Vorteile einbringen muss. Unmöglich kann man wissen, wer in einem Unternehmen nach welchem Kriterium potentielle Beschäftigte auswählt. Das Ziel einer Bewerbung ist es, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden – und ein Bewerbungsfoto kann dafür förderlich sein, aber auch ein erstes Ausschlusskriterium darstellen.
Zu dick, zu schön, zu klein
Besonders schöne Frauen sollten lieber auf Bewerbungsfotos verzichten, wenn sie eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten wollen. – Das ist das Ergebnis eines israelischen Forschungsprojektes, für das 5.300 Lebensläufe für 2.650 offene Stellen verschickt wurden – zwei für jedes Stellenangebot. Einmal klebten sie das Foto eines gut aussehenden Mannes oder einer schönen Frau auf den Lebenslauf, ein anderes Mal die Bilder von Personen mit durchschnittlichem Aussehen. Während die attraktiven Männer öfter als ihre durchschnittlichen männlichen Konkurrenten zum Gespräch vorgeladen wurden, erging es den hübschen Frauen genau umgekehrt – sie erhielten seltener eine Einladung. Die Forscher vermuten, dass es eine Rolle spielt, ob Frauen oder Männer die Wahl treffen. In Israel seien es häufig Frauen, die Kandidaten für das Bewerbungsgespräch auswählten, und die bevorzugten attraktive Männer und weniger gut aussehende Frauen. Eine ähnliche Ungleichbehandlung dokumentierten zwei Universitätsstudien in München und Florida. Studenten sollten hier fiktive Kandidaten für Stipendien wählen. Dabei wurde deutlich, dass attraktive Menschen insgesamt bessere Chancen als der Durchschnitt haben, schöne Frauen aber vor allem von weniger hübschen Geschlechtsgenossinnen deutlich benachteiligt wurden.
Weitere Studien belegen, dass attraktive Menschen, haben sie den Job einmal bekommen, bessere Chancen auf ein höheres Gehalt als ihre weniger gut aussehenden Kollegen haben. Andere Forschungsarbeiten zeigen dagegen, dass übergewichtige Menschen oft weniger verdienen als ihre Kollegen. Darüber hinaus gibt es Statistiken, die zeigen, dass große Menschen häufiger in Chefpositionen landen. Der amerikanische Journalist Malcolm Gladwell fand 2017 beispielsweise heraus, dass die Bosse der 500 umsatzstärksten amerikanischen Firmen im Schnitt 7,5 cm größer waren als der Durchschnitt.
Der Bewerber hat demnach die Qual der Wahl, ob er ein Bild beilegt oder nicht. Verzichtet man darauf, kann man hoffen, dass fachliche Kompetenzen bei der Auswahl verstärkt ins Zentrum rücken. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass bildlose Schreiben in der Flut der Bewerbungen schneller übersehen werden.