Das Projekt „Gemeinsame Zukunft“ stellt sich Schülern vor. Wie sieht die praktische Seite einer Talentförderung für Fachkräfte aus? Welche Grundvoraussetzungen für die Zusammenarbeit sind für Schulen und Unternehmen erforderlich?
In Deutschland werden laut einer Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft jedes Jahr mehr Naturwissenschaftler pensioniert als in den Beruf eintreten. Es wird geschlussfolgert, dass, um Deutschland bis zum Jahr 2015 wieder zum führenden Innovationsstandort weltweit zu machen, gut ausgebildete Fachkräfte benötigt werden. Um die Innovationsfähigkeit des Landes zu sichern, dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, muss, so der Verband, eine gemeinsame Talentförderung von Unternehmen und Bildungsinstituten erfolgen. Mit dem geförderten Projekt „Gemeinsame Zukunft“ werden nach dem Modell des Lissaboner Programms Schüler in ihrer Ausbildung bis zum Hochschulstudium begleitet.
Wirtschaftsbelebung durch das Projekt „Gemeinsame Zukunft“
Damit das Bildungswesen wieder eine aktivere Rolle in der unternehmerisch geprägten Kultur in Europa übernehmen kann, brauchen, nach Empfehlung der Europäischen Kommission, nicht nur Schulen, sondern auch Universitäten eine finanzielle Förderung. Im Rahmen des Lissabon-Programms sollen Universitäten diese erhalten und gemeinschaftlich mit Schulen und Unternehmen besser bei der Ausbildung zusammenarbeiten.
Das Ziel einer solchen Ausbildung ist eine Erziehung der Schüler zu unternehmerischem Denken und Handeln von der Grundschule bis zur Universität. Im Rahmen des Lissabon-Programms sollen vor allem Zusatzqualifikationen wie Ideenreichtum, Innovationsfähigkeit, Initiative und Risikobereitschaft der Schüler gefördert werden. Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass die Schüler erfahren, dass sie, als zukünftige Manager, ihren Mitarbeitern und Kunden, aber auch gegenüber dem Unternehmen und den nachfolgenden Generationen von Arbeitnehmern gegenüber eine Verantwortung haben.
Welche Grundlage muss diese Zusammenarbeit haben?
In Deutschland wird eine Förderung und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Schulen von vielen Netzwerken und Vereinigungen unterstützt. Eine Zusammenarbeit hat für Unternehmen den Vorteil, die zukünftigen Angestellten schon frühzeitig und umfassend in der praktischen Arbeit kennen zu lernen. Universitäten und Schulen können Projekte gemeinsam mit Unternehmen verwirklichen und so ihren reellen Wert herausfinden.
Vollkommen zufrieden können beide Seiten sein, wenn eine Projektidee gemeinsam weitergeführt oder weitere Kooperationsmöglichkeiten geplant sind. In diesem Zusammenhang weisen Praktiker immer wieder darauf hin, dass es wichtig ist, regelmäßige und systematische Reflexionen einzuplanen, Feedback von allen Beteiligten einzuholen und im Sinne der Nachhaltigkeit die Fortführung der Kooperation zu besprechen. Damit die Zusammenarbeit fruchtet, sollten von vorneherein Ansprechpartner und Zuständigkeiten festgelegt werden. Da Unternehmen und Schulen völlig unterschiedliche Systeme darstellen, schützt eine klare Abstimmung vor unnötigen Missverständnissen.
Hartmut Hopf, seit 35 Jahren Direktor der Modefachschule Sigmaringen, betont, dass Talent eine Gabe ist, die gepflegt sein will, aber nur mit Motivation und Fleiß gepaart zum Erfolg führt. „Schon Albert Einstein stellte fest, das Genie zu einem geringen Prozentsatz aus Inspiration und zum größten Teil aus Transpiration besteht.“ Hartmut Hopf favorisiert die praxisbezogene Ausbildung, weil sich herausstellte, dass bei den Studenten seiner Modefachschule eine Einstellungsquote von über 90 Prozent erreicht wird. Er begründet: „Unsere Absolventen haben gelernt hart zu arbeiten und sind interdisziplinär ausgebildet. Andere (leider auch viele Talente) wurden (ohne ihr Wissen) zu theoretisch und zu einseitig (quasi zu Stardesignern) ausgebildet und warten verzweifelt auf ihre Entdeckung. In den industriell ausgerichteten Labels können sie häufig den Ansprüchen nicht genügen und werden zu einer zu frühen und häufig auch zu einer chancenlosen Selbstständigkeit gezwungen.“ Er bedauert, dass viele Talente in den bekannten Metropolen hängen bleiben, statt sich einer zwar sehr anstrengenden aber fundierten interdisziplinären Ausbildung zu unterziehen.
Praxisnahe-Ausbildung, ein wichtiger Vorteil bei der Auswahl von Bewerbern
Berufseinsteiger haben vielfach ungenügende oder unrealistische Erwartungen an ihren Beruf. Sie qualifizieren sich falsch ein und folgen manchmal einem Traum, der sich mit ihren Voraussetzungen und Wünschen (Schulzeugnis, Beruf in Wohnortnähe) nicht erfüllen lässt.
Durch eine praxisnahe Ausbildung erhalten Schüler einen realistischen Einblick in Berufe, Branchen und Systeme. Im ingenieurswissenschaftlichen Bereich werden beispielsweise von spezialisierten Firmen, im Rahmen eines Projekts, spezielle Geräte zum Arbeiten zur Verfügung gestellt.
Ein Beispiel für eine Talentförderung: Die die ifm electronic GmbH, Herstellerfirma für Automatisierungstechnik, die in über 70 Ländern mit 90.000 Kunden aus Maschinenbau und Industrie, ein Marktführer auf dem Gebiet der Automatisierung ist, hat die KoBI (Kooperation mit Bildungsinstituten) ins Leben gerufen. Aus einigen dieser Partnerschaften haben sich spannende Projekte entwickelt. Beispielsweise baute die 13. Klasse der Werner-von-Siemens-Schule in Wetzlar mit Sensoren und Zubehör von ifm eine Carrera-Bahn um.
Die Autos fahren nun mit einer höchstmöglichen Geschwindigkeit und ohne bei der Kurvendrift von der Bahn zu fliegen, von selbst. Dieses Projekt ist ein positives Beispiel für eine produktive Schülermotivation, denn durch den Praxisbezug finden vermeintlich trockene Themen den Weg in die Köpfe der Schüler.
Fachkräfte in Schulen und Universitäten finden
Der Standort eines Betriebes und seine Zukunft sind, so die praktische Erfahrung, stark von den Schulen und Universitäten die die Fachkräfte für diesen Industriezweig ausbilden, geprägt. Dort werden Talente frühzeitig gefunden und in die Ausbildung gebracht. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert auch die Einstiegsqualifizierung mit Industrie und Handelskammer (IHK)-Zertifikat. Ausbildungswillige und ausbildungsfähige junge Menschen erhalten, wenn sie nach den bundesweiten Nachvermittlungsaktionen im Herbst keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, ein Angebot dieser Betriebe zu einem Praktikum. Hierdurch haben Jugendliche die Möglichkeit, in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten Teile eines Ausbildungsberufes, einen Betrieb und das Berufsleben kennen zu lernen.