Besonderheiten und mögliche Fehlerquellen. Für eine Beratung im Bewerbungsprozess gelten die gleichen Grundsätze wie für psychosoziale Beratungen, dennoch sind einige Besonderheiten zu beachten.
Beratungen zu Berufswahl und Bewerbungen finden in unterschiedlichen Settings statt und werden unter anderem von privaten Bildungsträgern, der örtlichen Agentur für Arbeit, Transfergesellschaften und Outplacement-Unternehmen angeboten. Bei Schulabgängern steht eher die Frage nach der Berufswahl im Vordergrund, die Bewerbungsberatung schließt sich in der Regel unmittelbar daran an.
Bei Arbeitnehmern, insbesondere denjenigen, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind, geht es zwar auch um die Gestaltung der Bewerbungsunterlagen an sich, oft aber auch um Fragen wie: Möchte sich der Bewerber beruflich verändern oder im bisher ausgeübten Beruf weiterarbeiten? Möchte er in der gleichen Branche bleiben wie bisher oder in einer anderen Branche Fuß fassen? Sind eventuell Fortbildungen (Fremdsprachen, spezielle EDV-Programme) oder sogar Umschulungen notwendig, um wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können? Welche Berufsbildungsanbieter sind seriös? Wie hoch sind die Kosten für eine Fortbildungs- oder Trainingsmaßnahme und wer übernimmt diese gegebenenfalls?
Grundsätze der Beratung im Bewerbungsprozess
Analog gelten die gleichen Grundsätze wie für psychosoziale Beratungsgespräche. Hierzu zählen:
- Aktives Zuhören, ohne das vom Klienten Gesagte papageienartig zu wiederholen.
- Keine Moralisierungen oder Herabwertungen, auch wenn der Ratsuchende in bestimmten Punkten unter Umständen ein anderes Weltbild vertritt als der Berater selbst.
- Keine Pauschalierungen und Vorurteile.
- Sorgen und Nöte des Klienten nicht bagatellisieren oder gar ins Lächerliche ziehen.
- Nicht die eigenen Probleme und Erfahrungen mit denen des Klienten vermischen.
- Authentisch bleiben, das heißt, der Berater soll pauschal nicht alles gut finden, was der Ratsuchende sagt und tut. Umgekehrt soll er jedoch auch nicht alles schlecht reden, was der Klient eventuell an möglichen Lösungen entwickelt hat.
- Dem Klienten nicht die eigene Sichtweise aufdrängen, sich aber auch umgekehrt nicht die Sichtweise des Klienten zu Eigen machen.
Bei einem Ratsuchenden im Bewerbungsprozess sind zudem noch Faktoren wie Vorbildung, eventuelle Behinderungen oder Einschränkungen für eine bestimmte Tätigkeit, bisherige berufliche Tätigkeit und Wünsche nach beruflicher Veränderung zu berücksichtigen.
Fehler, die der Berater vermeiden sollte
Die nachfolgend aufgeführten Punkte führen beim Ratsuchenden häufig zu Unmut, Aggression und Demotivation:
- Abwertung von entwickelten beruflichen Ideen. Selbstverständlich muss der Berater einen Hilfsarbeiter ohne abgeschlossene Berufsausbildung darauf aufmerksam machen, dass er nicht ohne Weiteres die technische Leitung einer Abteilung in einem Produktionsbetrieb übernehmen könnte, aber es ist sehr kurz gedacht, grundsätzlich alle selbst entwickelten Ideen des Klienten schlecht zu reden, etwa wenn dieser sein Hobby zum Beruf machen möchte und über entsprechende Erfahrungen und Referenzen in dem Bereich verfügt bei gleichzeitiger entsprechender Bildung. Häufig kommen dann seitens des Beraters Argumente wie „Da gibt es ohnehin keine Stellen“, „Ach, das wollen doch alle“, „Da verdienen Sie doch nichts“ und Ähnliches. Es wäre wesentlich produktiver, gemeinsam mit dem Ratsuchenden zu überlegen, wie man sein berufliches Ziel in die Tat umsetzen könnte.
- Wenn der Berater nicht alle Klienten gleich behandelt, sondern sozusagen hoch qualifizierte Arbeitskräfte mit Führungsverantwortung geradezu hofiert, während er wiederum Klienten, die eine in seinen Augen „niedere“ Ausbildung (= Ausbildung ohne Hochschulabschluss) haben, in eine bestimmte Schiene zu drängen versucht und ihnen zu verstehen gibt, dass er nicht viel von ihnen hält und sie auch keinen Anspruch auf ein gesundes Selbstbewusstsein haben. Diese Denkungsweise sagt über den Berater als Mensch eine Menge aus, denn neben hochqualifizierten Denkern mit akademischer Vorbildung muss es auch Arbeitskräfte geben, die handwerklich oder technisch tätig sind und somit ebenso ihren Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft und der Arbeitswelt leisten, wie etwa Friseure, Bürokaufleute, Straßenkehrer, Lageristen oder Briefzusteller.
- Wenn der Berater seine Inkompetenz dadurch untermauert, dass er die Begriffe „ungelernt“, „angelernt“ und „branchenfremd“ nicht voneinander unterscheiden kann. Die meisten branchenfremden Arbeitskräfte verfügen über eine abgeschlossene Berufsausbildung, sind nur eben nicht in dem Bereich tätig, in dem sie ihre Lehre absolviert haben.
- Wenn der Berater auf Teufel komm raus vermitteln will, ohne dabei die Wünsche des Kunden zu berücksichtigen oder aber auch die Frage nach der Entlohnung. Berater, die ihren Klienten raten, eine noch so schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen („Hauptsache, Sie haben erst mal Arbeit!“) haben weniger ihre Klienten im Auge als ihren eigenen vermeintlichen Vermittlungserfolg.
- Keine Rücksicht auf die individuellen Befindlichkeiten des Klienten wie Krankheiten, persönliche Sorgen, psychische Verfassung und Ähnliches. Die meisten Ratsuchenden werten dies als ignorant und fühlen sich dementsprechend nicht für voll genommen.
- Wenn Bewerbungsanschreiben – egal, ob für einen Industriekaufmann, Buchhalter oder Mitarbeiter der Hausdruckerei – ewig die gleichen Phrasen enthalten wie etwa „Ich bin flexibel und belastbar“, „Ich bin bereit, mich mit Engagement und positiver Neugier in neue Bereiche einzuarbeiten“, „… hiermit bewerbe ich mich …“, „… mit großer Aufmerksamkeit habe ich Ihre Stellenanzeige gelesen“ und Ähnliches. Diese Standard-Sätze sind zum einen in vielen (veralteten) Bewerbungsratgebern zu finden und könnten sich die Ratsuchenden zum anderen auch noch selbst ausdenken, ohne dafür professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.