Bewerberbeurteilung und Reaktionen auf Bewerbungen. Zu erfolgreicher Personalarbeit gehören neben dem fachlichen Know-how auch einige Soft Skills, um den Auswahlprozess erfolgreich zu gestalten.
In größeren Unternehmen sind meist Personalreferenten, Personalsachbearbeiter, Personalfachkaufleute et cetera mit der Sichtung und Beurteilung von Bewerbungsunterlagen sowie der Durchführung und späteren Auswertung von Vorstellungsgesprächen betraut. Oft ist bei Vorstellungsgesprächen mindestens noch eine Führungskraft, der der zukünftige Mitarbeiter später unterstellt ist, dabei.
Qualifikationen von Personalverantwortlichen
Die Bandbreite ist enorm: Bevorzugt werden Diplom-Betriebswirte mit dem Studienschwerpunkt Personalwesen eingestellt, aber auch Personalfachkaufleute, die einen IHK-Abschluss erworben haben, sind häufig für Personalentscheidungen verantwortlich. Dennoch finden sich häufig ebenso Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler (Pädagogen, Sozialwissenschaftler, Psychologen und so weiter) in den Personalabteilungen. Personalsachbearbeiter sind meist eher für Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie für Rückfragen der Mitarbeiter zuständig, erhalten jedoch gerade in kleineren Betrieben häufig auch Personalverantwortung.
Formale Kriterien bei der Erstsichtung von eingegangenen Bewerbungen
Die rein formale Beurteilung von Bewerbungsunterlagen erfolgt hauptsächlich nach den folgenden Gesichtspunkten:
- Ist die Bewerbung auf gutem, weißem, nicht zu dünnen Papier erstellt?
- Sind die Unterlagen fehlerfrei im Sinne von Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikfehlern? Sind die Unterlagen ordentlich und ohne Flecken, Knicke und ähnliches?
- Ist das Bewerbungsfoto ansprechend und professionell oder erkennbar ein Automaten-, Privat- oder gar Handy-Foto?
- ist der Lebenslauf in sich stimmig? Finden sich dort größere Lücken, die sich nicht aus den Bewerbungsunterlagen erklären lassen?
- Lässt das Anschreiben nicht nur Interesse an der Position und am Unternehmen erkennen, sondern auch die fachliche Eignung des Bewerbers für die ausgeschriebene Stelle? Verfügt der Kandidat über einen guten, flüssigen Schreibstil? Ist das Anschreiben aussagekräftig oder lediglich eine Aneinanderreihung von Floskeln und Selbstverständlichkeiten?
- Wenn in der Stellenanzeige nach Gehaltsvorstellungen gefragt wurde: Sind die Gehaltsvorstellungen der Position und der geforderten Qualifikation angemessen oder viel zu hoch beziehungsweise viel zu niedrig angesetzt? Ist der Bewerber überhaupt auf die Frage nach der Gehaltsvorstellung eingegangen?
- Ist ein Eintritt zum vom Unternehmen gewünschten Termin möglich?
- Lassen die beigefügten Zeugnisse Lernbereitschaft, Interesse, Engagement und eine gute Arbeitsleistung erkennen?
Fachwissen ist die eine Seite – Menschenkenntnis und Intuition die andere
Sie können über ein Prädikatsexamen verfügen, sämtliche theoretische Grundlagen der Personalarbeit beherrschen, versiert sein in psychologischen Theorien (Transaktionsanalyse, Psychoanalyse et cetera) und die Auswertung von gängigen Psycho- und Verhaltenstests beherrschen, dennoch sagt ein fundierter theoretischer Background nicht immer etwas über die Fähigkeit eines Personalverantwortlichen aus, auch den richtigen Mitarbeiter einzustellen, da neben dem Fachwissen auch so genannte Soft Skills wie Menschenkenntnis und Intuition gefragt sind.
Vielen Personalern ist es schon passiert: Sie haben eine Bewerbung in den Händen gehalten, die formal gut war – ansprechendes Anschreiben, scheinbar lückenloser Lebenslauf, gute Zeugnisse und so weiter und dennoch hat Sie das ungute Gefühl beschlichen, dass trotz allem irgendwas nicht mit dem Bewerber stimmt. Wie in anderen Lebensbereichen gilt auch hier: Hören Sie auf Ihre Intuition! In den meisten Fällen leitet diese Sie richtig. Oft genug ist es passiert, dass der Personalchef Bewerber trotz eines schlechten Bauchgefühls eingeladen hat und dass sich spätestens beim Vorstellungsgespräch die schlimmen Befürchtungen bewahrheitet haben: Der Bewerber ist ohne Angabe von Gründen gar nicht erst zum Gespräch erschienen und ist fortan für Sie weder telefonisch noch per Mail erreichbar gewesen, während des Gesprächs hat sich herausgestellt, dass der Bewerber an der einen oder anderen Stelle geflunkert oder gar massiv manipuliert hat. Diese und ähnliche Situationen kommen gar nicht so selten vor.
Häufig lassen sich Personalverantwortliche auch in Vorstellungsgesprächen vom schauspielerischen Talent des Kandidaten blenden, der rein äußerlich alle Anforderungen an Styling, Kleidung, Höflichkeit, Fachwissen und so weiter zu erfüllen scheint. Hören Sie auch hier auf Ihre Intuition, ob der Bewerber authentisch ist oder vielmehr nur eine Rolle spielt.
Umgekehrt gibt es natürlich auch den Fall, dass Bewerbungsunterlagen Sie auf den ersten Moment gar nicht so sehr ansprechen – beispielsweise aufgrund mittelmäßiger Zeugnisse oder weil der Bewerber sich auf den ersten Blick in seinen schriftlichen Unterlagen nicht so gut verkaufen kann wie andere – Sie aber trotzdem das Gefühl haben, derjenige könnte der oder die Richtige für Ihr Unternehmen sein. Die Personalberaterin Ursula Thieme weist in ihrem Bewerbungsratgeber darauf hin, dass das Potential vieler Arbeitnehmer erst im Vorstellungsgespräch sichtbar wird, nicht aber auf den ersten Blick in den Unterlagen.
Fehlentscheidungen kosten Geld, Nerven und vielleicht auch einen Arbeitsplatz
Kaum jemand kann sich davon freisprechen, einmal eine falsche Entscheidung in Personalfragen getroffen zu haben. Häuft sich dies jedoch, das heißt, von zehn Mitarbeitern, die ein Personaler eingestellt hat, müssen mindestens acht wieder entlassen werden aus unterschiedlichsten Gründen (gefälschte Unterlagen, Beleidigung, Verprellung oder Belästigung von Kunden und/oder Kollegen, Unzuverlässigkeit et cetera), kommen bei der Geschäftsleitung unter Umständen Zweifel an der Eignung des Personalers für seinen Posten auf. Bei einer Vielzahl von nacheinander getroffenen Fehlentscheidungen kommen neben Kosten für die Fehlentscheidung (Schaltung neuer Stellenanzeigen, erneutes Bewerberauswahlverfahren und so weiter) eventuell auch arbeitsrechtliche Konsequenzen auf den verantwortlichen Personaler zu, das heißt, durch ständige Fehlbesetzungen seinerseits wird auch sein Arbeitsplatz gefährdet.
Die Bewerber von heute sind vielleicht die Kunden von morgen
Gerade seit dem Jahr 2009 ist das Phänomen zu beobachten, dass Bewerber überhaupt keine Reaktion auf Ihre Bewerbung erhalten oder dass das Unternehmen nach einer kurzen Eingangsbestätigung nichts mehr von sich hören lässt, nach dem Motto „Derjenige wertet unsere Nichtreaktion spätestens nach vier Monaten schon als Absage“. Manche Unternehmen weisen wenigstens in ihren Stellenausschreibungen darauf hin, dass eingesandte Unterlagen nicht zurückgeschickt werden. Auch unfreundliche, unhöfliche Absagen, die allerdings erst nach Monaten versendet werden, sind häufig zu finden.
Durch solch einen Umgang eines Unternehmens mit seinen Bewerbern kann ein nachhaltiger Image-Schaden entstehen. Wer empfiehlt schon an einen arbeitssuchenden Freund oder Bekannten eine Firma weiter, die es noch nicht einmal für nötig befindet, auf eine Bewerbung adäquat oder überhaupt zu reagieren? Oft wird von dem Umgang des Unternehmens mit seinen Bewerbern auch auf den Umgang mit Kunden geschlossen, sodass der Firma hierdurch ebenfalls eine Reihe potentieller Kunden verloren gehen. Aus dem Image-Schaden resultiert nach und nach eventuell auch ein Umsatzrückgang.