Stilisierte Schilderung eines siebenbürgisch-sächsischen Brauchs. „Die“ richtige Verlobungsfeier hat es auch in dem rumänischen Dorf Marpod nicht gegeben, das bis 1990 hauptsächlich von deutschsprachigen Menschen bewohnt war.
Viele Menschen suchen heute im Internet und in mehr oder weniger werbenden Veröffentlichungen nach „der“ richtigen Art, Verlobung und/oder Hochzeit zu feiern. Doch wirklich fündig werden können sie gar nicht, denn jede derartige Feier ist und war immer schon ein individuelles Fest, auch wenn es je nach Ort und Zeit mehr oder weniger gemeinsame Elemente mit ähnlichen Festen hatte. Solche Ähnlichkeiten stellt Georg E. Schuster in seinem Buch „Marpod – ein deutsches Dorf in Siebenbürgen“ heraus, wenn er exemplarisch „die“ Verlobungsfeier in diesem Dorf schildert. (Das Buch ist 1998 im Verlag Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung, München erschienen).
Heiratsantrag und Terminfestsetzung
„Nachdem das verliebte Paar sich entschlossen hatte zu heiraten“, schreibt Schuster, „hielt der junge Mann bei den Eltern der Freundin um deren Hand an.“ Unausgesprochen unterstellt der Autor also, dass der Entschluss zur Eheschließung von den künftigen Brautleuten ausging und nicht etwa von deren Eltern, dass aber andererseits die Eltern der Braut noch eine betreuende Rolle innehatten. Der eigentliche Heiratsantrag des Bräutigams (oder der Braut?) ging dem rituellen Um-die-Hand-der-Tochter-Bitten zeitlich vor, denn das Paar hatte zu diesem Zeitpunkt den Entschluss zur Eheschließung ja schon gefasst.
Anlässlich des rituellen Antrags bei den Eltern der Braut wurde auch der Termin der Verlobungsfeier angesetzt. Idealerweise – Schuster schreibt „immer“ – fand das Verlobungsfest „an einem Samstagabend im Hause der Braut“ (vermutlich eher im Haus ihrer Eltern?) statt.
Bekanntgabe der Verlobung und Einladungsbräuche
Im Anschluss an den offiziellen Heiratsantrag müssen wohl die Gäste eingeladen worden sein; wie das vor sich ging, beschreibt Schuster nicht, vielleicht hat es dafür keine eigenen Vorschriften und Rituale gegeben. Die Schilderung fährt mit dem Verlobungstag fort: „Die geladenen Gäste des Bräutigams versammelten sich in seinem Elternhaus und, angeführt von Musikanten, marschierten sie durch das Dorf zum Haus der Braut, wo die geladenen Gäste der Braut schon warteten.“ Daraus lässt sich schließen, dass die Gäste der Braut sich weniger auffällig und weniger hörbar durchs Dorf begeben haben dürften, vielleicht einzeln, vielleicht in kleineren Grüppchen.
Die Gäste des männlichen Partners aber machten sich auch weiterhin lautstark bemerkbar: „Vor dem Tor der Braut wurden drei Schüsse abgegeben“, schreibt Schuster. „Damit erfuhr das ganze Dorf, da findet eine Verlobungsfeier statt.“ In welchem Zeitalter dieses Vorgehen ein Bestandteil von Verlobungsfeiern war, wird nicht angegeben, historisch lässt sich dieser Brauch also nur ungenau einordnen. Zu vermuten ist, dass es sich nicht um die leisen Schüsse von Bogenschützen handelte, weil sonst kaum „das ganze Dorf“ es mitbekommen hätte; der Brauch datiert also wohl irgendwann nach der Erfindung des Schießpulvers. Andererseits wählt Schuster die Vergangenheitsform, das heißt, es wird heute vermutlich nicht mehr auf diese Art gefeiert. Anzunehmen ist, dass der Autor eine Vorgehensweise beschreibt, die er als Zeitgenosse miterlebt hat, er bezieht sich also sehr wahrscheinlich auf das zwanzigste Jahrhundert .
Verlobungsbräuche
Auch weiterhin waren die Männer der aktivere Teil der Verlobungsgesellschaft: „Ein Freund oder Verwandter des Bräutigams, der so genannte ‚Hischmun‘ (…), fragte im Namen des Bräutigams, ob in diesem Hause die Auserwählte wohne“, heißt es bei Schuster. „Spaßeshalber musste nun der Bräutigam aus zwei verkleideten Mädchen seine Braut erkennen.“ Diese Mädchen, die beide als „falsche Bräute“ vom Bräutigam erkannt werden mussten, hatten eine eher passive Rolle zu spielen – sie sollten sich eben nur „erkennen lassen“.
Nach diesem Spielchen erschien „die richtige Braut in ihrer wunderschönen sächsischen Tracht“, einem ärmellosen, langen Hängerkleid über einer bestickten weißen Bluse, geschmückt mit einem bunten Gürtel und bunten Haarbändern, „und stellte sich neben den Bräutigam. Diese Sonntagstracht war im 20. Jahrhundert in vielen siebenbürgischen Gemeinden ein Symbol dafür, dass ein Mädchen konfirmiert und damit kirchlich erwachsen war.
Laut Schuster überreichte bei den Verlobungsfeiern in Marpod der „Hischmun“ (also der Hochzeitsbitter) die Eheringe mit den Worten „So wie sich die Ringe um eure Finger drehen, so soll sich auch eure Liebe und Freundschaft stets um euch drehen.“ Dazu kamen, ebenfalls vom Hischmun überreicht, „symbolisch zwei Tücher, mit denen sich das junge Paar Zeit ihres Lebens den Schweiß nach getaner Arbeit und in schweren Stunden auch ihre Tränen trocknen sollten.“Anschließend wurde das Brautpaar beglückwünscht, bevor das Verlobungsfestessen begann. Dieses festliche Essen bestand nach Schusters Schilderung üblicherweise aus „Hühnersuppe mit Grießknödeln, Braten, Gebäck und gutem Wein.“
Interessanterweise berichtet der Autor erst an dieser Stelle, dass die Freundinnen der Braut offensichtlich nicht vor Mitternacht erschienen: „Um Mitternacht während des Verlobungsfestes (…) erschienen auch die Freundinnen der Braut, die sich mit dem Lied ‚Et schallt, et kloingt durch as Gemien!‘ von der Braut verabschiedeten.“ Nach dem Singen wurden „Tonkrüge und alte Porzellanteller zerschlagen“, bevor die Glückwünsche ausgesprochen und die Freundinnen mit „Hanklich“, einem speziellen Hefegebäck, und Wein bewirtet wurden.
Am darauf folgenden Sonntag verkündete der Pfarrer in der Kirche der Gemeinde die Verlobung. Die Verlobungszeit dauerte mindestens vier Wochen, während derer das Brautpaar Schuster zufolge an jedem Sonntag in der Kirchentracht den Gottesdienst zu besuchen hatte. Schließlich, am letzten Sonntag vor der Hochzeit, „ging das Brautpaar nach der Kirche in Begleitung der ‚Biddermäd‘ (Brautjungfern) durch das Dorf und lud zur Hochzeit ein.“