Diese Situation kennt wohl jeder. An einem nasskalten Tag kommt man völlig durchfroren nach Hause. Die Füße sind Eisklumpen und der Bauch tut weh. Nicht immer besteht die Möglichkeit, ein wohltuendes heißes Bad zu nehmen. Doch es gibt andere Möglichkeiten, Wärme als Entspannungsquelle zu nutzen. Warum ausgerechnet Wärme so schnell und tief in die Entspannung führt, hat mit einem ganz besonderen Nervengeflecht zu tun, dem Sonnengeflecht. Die fernöstlichen Entspannungsverfahren wie Tai Chi, Qigong und Yoga wissen um diesen Zusammenhang. Doch auch das Autogene Training widmet dem Solarplexus eine eigene Übung.
Zur Funktionsweise des Sonnengeflechts
Das Sonnengeflecht liegt zwischen Magen und Wirbelsäule. Hier treffen sich zahlreiche Nerven und Nervenknoten. Daher zählt der Solarplexus zu den wichtigsten Nervengeflechten im menschlichen Körper. Sein Nervengewebe ist fein verästelt wie ein Spinnennetz. Vom Sonnengeflecht führen Nervenbahnen zu allen Brust- und Bauchorganen:
- Schilddrüse
- Lunge
- Herz
- Magen
- Leber
- Gallenblase
- Bauchspeicheldrüse
- Milz
- Blase
- Nieren
- Darm
- Fortpflanzungsorgane
Das Sonnengeflecht besteht aus grauen Nervenzellen. Sie gehören zu den höchstentwickelten Zellen im menschlichen Körper und übernehmen Denkfunktionen. Die Begründer der Traditionellen Chinesischen Medizin wussten also sehr wohl, warum sie den Solarplexus als „Gehirn des Bauches“ bezeichneten. In der Chakrenlehre wird dem Sonnengeflecht ebenfalls zentrale Bedeutung zugeschrieben. Hier – und nicht im Kopf – nehmen wir Wohlbefinden, Ausgeglichenheit, Lampenfieber, Unbehagen, Angst, Furcht, Ärger, Wut und Zorn wahr, aber auch die berühmten Schmetterlinge im Bauch.
Funktionsstörungen und deren Behandlung
Vom Solarplexus aus werden Impulse an die einzelnen Organe abgegeben. In Zeiten hoher körperlicher und seelischer Belastung kann diese Reizübermittlung gestört sein. Denn bei Stress zieht sich das feine Nervengewebe zusammen. Diesen „Klumpen“ spüren empfindliche Menschen als Druck oder das berühmte flaue Gefühl im Magen. Auch bei aufsteigender Kälte, wie etwa durch kalte Füße, kommt es zu Missempfindungen. Hält die Blockade des Sonnengeflechts an, gerät die Funktion der Organe aus ihrem natürlichen Rhythmus. Langfristig kann dies zu Magenschmerzen führen, zu Verdauungsstörungen wie Verstopfung und Durchfall oder zu Unterleibskrämpfen. Andere Menschen reagieren mit Atembeschwerden oder spüren Beklemmungen in der Herzgegend. Bevor man sich nun selbst behandelt, muss natürlich erst ärztlich abgeklärt werden, ob diese Störungen keinen organischen Befund haben.
Halten die Beschwerden an und lassen sich keine organischen Ursachen dafür finden, spricht man von „Vegetativer Dystonie“. Pech für die Betroffenen, denn unser Vegetatives Nervensystem entzieht sich bekanntlich unserem Willen. Zudem gibt es kein Medikament, das direkt auf das Sonnengeflecht Einfluss nehmen kann. Zwar wirken Beruhigungsmittel oder pflanzliche Arzneien wie Baldrian, Johanniskraut und Hopfen insgesamt beruhigend, doch nicht gezielt auf den Solarplexus. Zudem können chemische Wirkstoffe Nachteile wie Müdigkeit und verlangsamte Reaktionszeiten mit sich bringen und langfristig zur Abhängigkeit führen. Völlig nebenwirkungsfrei ist dagegen ein Hilfsmittel, das fast immer und überall zur Verfügung steht und dazu meist kostenlos: Wärme!
Wärme löst Verspannungen schnell und nebenwirkungsfrei
Durch Wärmeanwendungen weiten sich die Blutgefäße. Dabei ist es eigentlich egal, ob man die Wärme innerlich oder äußerlich zuführt. Ein Tasse Tee oder ein Teller heißer Suppe kann wahre Wunder wirken. Alkohol hilft dagegen nur scheinbar. Denn nach der ersten angenehmen Entspannung ziehen sich die Blutgefäße schnell wieder zusammen, was das Frösteln und sich Verkrampfen nur noch verstärkt. Wem die Zeit für ein heißes Bad fehlt oder wer nur über eine Dusche verfügt, sollte es mal mit einem ansteigenden Fußbad versuchen. Denn sind die Füße und Beine erst wieder gut durchblutet, verschwinden Magenkrämpfe und andere Bauchschmerzen oftmals wie durch Zauberhand. Ist man unterwegs, sind solche Hilfsmittel meist nicht verfügbar. Zur Not zieht man sich auf die nächste Toilette zurück und versucht es mit einer sanften Bauchmassage. Dafür die Handflächen vorher intensiv aneinander reiben, bis die Hände gut durchwärmt sind. Nun mit Fingern sanft über den nackten Bauch streichen. Diese Übung lässt sich durch gezielte Bauchatmung noch verstärken.
Wer viel unterwegs ist, kann sich einen oder mehrere „Taschenöfen“ zulegen. Es gibt diese Wärmflaschen im Miniformat in Herzform oder als Kissen. Im gebrauchsfähigen Zustand ist die Füllung flüssig und man erkennt ein Stäbchen. Das muss geknickt werden, um den Aggregatzustand zu verändern. Dabei wird die Füllung fest und setzt Wärme frei. Zuhause macht man den kleinen Helfer erneut einsatzbereit, indem man ihn in kochendem Wasser wieder verflüssigt. Manchmal jedoch ist Wärme völlig fehl am Platz. Bei unklaren Beschwerden im rechten Unterbauch sollte man weder etwas essen, noch eine Wärmflasche auflegen, bevor der Verdacht auf Blinddarmentzündung nicht ausgeräumt ist. Besonders bei Kindern kann das Ganze sehr schnell akut werden. Auch bei einer Gallenkolik wäre Wärme Gift, da sie die Schmerzen eher verstärken würde.
Wärmeübung für den Solarplexus
Die Wärme-Formel für das Sonnengeflecht steht an zentraler Stelle im Autogenen Training. Notfalls kann man sie jedoch auch aus dem Zusammenhang lösen und als eigene Entspannungsübung gestalten. Dann empfiehlt es sich, die Formulierung in der unten beschriebenen Weise auszuweiten und durch entsprechende visuelle Vorstellung zu vertiefen. Dabei stellt man sich zum Beispiel vor, im warmen Sand zu liegen und den Bauch von der Sonne bescheinen zu lassen. Wer noch mehr tun möchte, kann zur Einleitung der Übung eine sanfte Bauchmassage durchführen. Das Ganze geht am Besten im Liegen, weil der Bauch im Sitzen meist schon durch die Haltung verspannt ist. Beim Üben sollten zumindest die Füße zugedeckt werden. Ansonsten würde die Wärme zu schnell wieder an die Umgebung abgestrahlt. Und wie oben beschrieben, führen kalte Füße leicht zu Verspannungen im Bauchraum. Für die Übung macht man es sich im Liegen bequem und legt die warmen Hände auf den Bauch. Beim Einatmen hebt sich der Bauch, die Finger geben Raum für die einströmende Luft. Beim Ausatmen den Bauch leicht einziehen. Die Fingerspitzen unterstützen die Ausatmung durch eine sanfte Massage. Nun Wärme visualisieren und die Übung durch folgende Formelsätze vertiefen:
„Mein Sonnengeflecht wird strömend warm, mein Sonnengeflecht wird strömend warm, wohltuende Wärme durchströmt mein Sonnengeflecht. Wohlige Wärme strömt zu Magen, Leber, Gallenblase, Dünndarm und Dickdarm. Wohlige Wärme strömt zu den Fortpflanzungsorganen und in den Unterleib. Der Bauch und alle Bauchorgane sind gut durchblutet, wohlig warm und angenehm entspannt. Wärme umgibt mich, Wärme durchströmt mich, wohlige Wärme erfüllt meinen ganzen Körper. Ich genieße noch für einige Atemzüge ganz bewusst diese wohltuende Wärme und Ruhe. Dann beende ich meine Übung durch intensives Dehnen und Strecken.“