Ein wichtiger Bestandteil der Achtsamkeits-basierten Stress-Reduktion sind die informellen Praktiken wie achtsames Essen, Auto fahren, Duschen und Zuhören.
Neben den formellen Techniken des MBSR (achtsames Atmen, Gehen und Yoga, Body Scan und Herzensgüte-Meditation) kann und sollte Achtsamkeit auch in den Alltag integriert werden. Gelegenheiten zum Üben gibt es viele. Während die formalen Übungen eine regelmäßige Praxis und Basis sicherstellen, können gerade die Übungen im Alltag in die Tiefe führen und Gewohnheiten sowie Haltungen transformieren helfen.
Einige mögliche Achtsamkeitsübungen im Alltag sind:
- Achtsam essen
- STOP-Methode
- In der Dusche
- Im Auto
- Ausruhen
- Achtsame Kommunikation – Zuhören
Achsam essen
Achtsam essen bedeutet, das Essen bewusst zu genießen aber auch, sich negativer Ess-Gewohnheiten bewusst zu werden: esse ich, weil ich Hunger habe oder eher, um Langeweile, Stress oder Unglücklichsein zu überdecken? Diese Übung kann zu erstaunlichen Ergebnissen führen – zuallererst mag einem dabei auffallen, wie wenig wir unser Essen tatsächlich bewusst schmecken und genießen. Die Aufmerksamkeit ist nämlich sehr oft auf andere Dinge (Unterhaltung, Tagträumereien, der nächste Bissen) gerichtet. Obwohl Essen im Leben der meisten Menschen eine große Rolle spielt und sogar das beherrschende Thema sein kann, sind wir beim Essen geistig eher abwesend.
Wie kann das konkret aussehen? Essen Sie zum Beispiel eine Orange, so fühlen Sie sie zunächst in Ihrer Hand liegen, betrachten ihre Farbe und denken an das Sonnenlicht, den Regen, die Arbeit und Sorgfalt die in Anbau, Ernte und Handel der Orange geflossen sind bis sie hier in Ihrer Hand liegen konnte. Dann schälen Sie sie langsam, riechen auch mal an der Orange und stecken Sie schließlich ein Stück in den Mund. Nehmen Sie bewusst den süß-säuerlichen Geschmack wahr und kauen sie langsam. Essen Sie so die ganze Orange, langsam kauend und den Geschmack und die Empfindungen des Kauens bewusst wahrnehmend.
STOP – eine kurze Achtsamkeits-Übung
Diese Übung kann immer wieder im Lauf des Tages geübt werden. STOP ist ein Akronym, welches für “Stop, Take a breath, observe, proceed“ steht – zu deutsch: Stopp, durchatmen, wahrnehmen, weiter machen. Es geht also darum, kurz innezuhalten, sich des Atems bewusst zu werden, seinen Körper, Gefühle und Gedanken bewusst wahrzunehmen und dann den Tag ein Stück weit bewusster und klarer weiter zu leben. Diese einfache Übung kann dabei helfen, aus dem unbewussten Alltagstrott („Autopilot”) auszubrechen und im gegenwärtigen Moment anzukommen.
Achtsam duschen und achtsam Autofahren
Alltagsaktivitäten wie Abspülen, Autofahren oder Duschen sind oft die unbewusstesten Handlungen. Dabei kann Duschen so angenehm sein: das warme oder erfrischend kühle Wasser auf der Haut zu spüren, die Muskeln sich entspannen zu fühlen oder den Duft und die schaumige Konsistenz von Seife und Shampoo wahrzunehmen ist eigentlich sehr angenehm. Durch die Übung der Achtsamkeit kann man sich dabei ertappen, wie man statt dessen aus echtem oder eingebildetem Zeitdruck innerlich gehetzt ist, über Probleme grübelt oder daran denkt, wie man die Kinder noch rechtzeitig zur Schule kriegt… Beim achtsamen Duschen geht es um nichts anderes als einfach zu duschen, wenn man duscht und nichts anderes zu denken, zu planen oder zu erinnern.
Achtsames Autofahren bedeutet das Gleiche: achtsam die Autotür öffnen, sich bewusst anschnallen und konzentriert zu fahren – vielleicht absichtlich ein bisschen langsamer als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Jede rote Ampel kann Gelegenheit zu einer kleinen STOP-Übung werden anstatt zu einem Ärgernis.
Achtsame Entspannung und Konversation
Achtsam erholen heißt im Grunde einfach, sich tatsächlich zu entspannen und nichts anderes zu tun. Tatsächlich verwechseln wir oft Entspannung mit Zerstreuung. Enspannen heißt, nichts zu tun – umzuschalten vom Tun-Modus zum Seins-Modus. Lesen, Fernsehen, Internet surfen, Computerspiele und Telefonate gehören nicht dazu – sie stellen keine echte Erholung dar. Natürlich sind auch derlei Aktivitäten manchmal wohltuend, weil sie von den eigenen Problemen ablenken können. Nichts tun sieht aber anders aus. Hilfsmittel und Methoden sind aber erlaubt – dazu gehören Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelrelaxation und Yoga-Entspannung (Shavasana), aber auch beruhigende Hintergrundmusik kann beim Loslassen hilfreich sein.
Achtsame Kommunikation bedeutet, dem Gegenüber wirklich zuzuhören. Es gibt einen großen Unterschied zwischen wirklichem Zuhören und bloßem Hören, was jemand sagt. Beim achtsamen Zuhören denkt man nicht ständig an das, was man selbst als nächstes loswerden will und legt sich auch nicht sein nächstes Argument zurecht, während der andere noch redet. Es geht darum wahrzunehmen: was sagt mein Gegenüber, wie geht es ihm oder ihr? Es mag erstaunen, wie wenig wir im Alltag tatsächlich bewusst zuhören, wie wenig wir die Mimik und Körpersprache des Gegenüber wahrnehmen und wie reichhaltig ein bewusstes Gespräch sein kann.