Mit einem einfachen Versuchsaufbau gehen Wissenschaftler der verblüffenden Ähnlichkeit zwischen Kuckuck und einer Greifvogelart auf den Grund.
Den allermeisten Menschen ist der Kuckuck (Cuculus canorus) durch seinen Brutparasitismus bekannt. Weniger geläufig ist dagegen die Tatsache, dass der Vogel mit dem namengebenden Ruf die Naturbeobachter und Gelehrten schon seit ewigen Zeiten durch sein Aussehen vor ein Rätsel stellt.
Die Ähnlichkeit zwischen Kuckuck und Sperber – ein Jahrtausende altes Rätsel
Der Kuckuck weist eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem Sperber (Accipiter nisus) auf, einem kleinen Greifvogel, der wie der Kuckuck ein dünn gebändertes Brustgefieder trägt. Auch hinsichtlich Größe und Flugeigenschaften zeigen sich deutliche Parallelen zwischen den beiden Arten. Warum ist dies so? Schon Plinius der Ältere versuchte sich vor annähernd 2000 Jahren an einer Antwort und behauptete, dass Kuckucke sich im Spätsommer in Sperber verwandeln würden. Damit sei auch die Abwesenheit von Kuckucken im Winter zu erklären. Von den alljährlichen Wanderungen dieser Vogelart in die südafrikanischen Überwinterungsquartiere wusste Plinius noch nicht.
Sind die Gemeinsamkeiten zwischen Kuckuck und Sperber nun rein zufälliger Natur, etwa eine Anpassung an einen ähnlichen Lebensraum (Konvergenz)? Oder ahmt der Kuckuck einen Greifvogel nach und profitiert von dessen Gefährlichkeit (Mimikry)? Das Verscheuchen von brütenden Vögeln von ihren Nestern könnte einer der Vorteile sein, die der Kuckuck daraus ziehen würde.
Mimikry oder Konvergenz? Wissenschaft versucht Gemeinsamkeiten der Vogelarten zu klären
Wissenschaftler der Universität Cambridge haben ein Experiment zur Lösung des Rätsels durchgeführt. Um zu prüfen, ob sich andere Vögel vom Aussehen des Kuckucks täuschen lassen und bei Sichtkontakt mit ihm wie bei einem Sperber die Flucht ergreifen, positionierten Nick Davies und Justin Welbergen ausgestopfte Kuckucke verdeckt neben Vogelfutterstellen. Nach dem Enthüllen der ausgestopften Vögel notierten die Wissenschaftler, wie zahlreich und wie lange sich Blau- und Kohlmeisen (Parus caeruleus und Parus major) an den Futterstellen aufhielten. Dies wurde ebenfalls mit Präparaten von Sperbern und Tauben durchgeführt. Um auszuschließen, dass die Reaktion der Meisen auf die ausgestopften Kuckucke einzig darauf beruhen könnte, dass sie noch nie einen Kuckuck zu Gesicht bekommen haben, kamen auch ausgestopfte Enten zum Einsatz. Die Wasservögel am Futterplatz dürften für die Meisen ebenfalls ein unbekannter Anblick gewesen sein.
Meisen halten Kuckucke für Greifvögel
Nach der Auswertung der Beobachtungsergebnisse zeigte sich ein deutliches Bild: Waren Sperber oder Kuckucke aufgestellt, näherten sich so gut wie keine Meisen den Futterplätzen sondern hielten Abstand und gaben Warnrufe von sich. Tauben und Enten dagegen blieben fast völlig unbeachtet.
Davies und Welbergen untersuchten auch, welche der gemeinsamen Merkmale von Kuckuck und Sperber für die Angstreaktion der Meisen verantwortlich sind. Dazu verdeckten sie den Brustbereich der ausgestopften Vögel mit Seidenstoff, der entweder rein weiß war oder ein aufgemaltes Streifenmuster aufwies. Während die Meisen gestreifte und ungestreifte Sperber gleichermaßen mieden, zeigte sich, dass die kleinen Vögel weniger Angst vor ungestreiften Kuckucken hatten als vor gestreiften und öfter Angstreaktionen bei gestreiften Tauben zeigten, als bei solchen, die ungestreift waren.
Das Streifenmuster ist also ein wichtiger Bestandteil der Maskerade des Kuckucks.
Mit dem Experiment konnte gezeigt werden, dass es sich bei der Art der Gefiedermusterung des Kuckucks um einen Fall der Mimikry handelt, da einige Vogelarten den Kuckuck mit einem Greifvogel verwechseln. Diese Beantwortung des Rätsels hätte wohl auch Plinius zufrieden gestellt.