Viele Vögel gelten als monogam, gehen aber hinter dem Rücken ihres Partners fleißig fremd. Aus evolutionsbiologischer Sicht haben sie gute Gründe dafür.
Schwäne sind ein Symbol der Treue. Früher versuchten Männer sogar, sich die Treue ihrer Angebeteten zu sichern, indem sie den für sie bestimmten Ring eine Weile in ein Schwanengelege legten und bebrüten ließen. Über den Erfolg dieser Maßnahme kann man nur munkeln, vor allem da man inzwischen weiß, dass Schwäne zwar oft ein Leben lang zusammen bleiben, deshalb aber noch lange nicht treu sind.
Schwäne sind nicht die einzigen Tiere, die als monogam gelten. Auch Störche brüten gewöhnlich jedes Jahr mit dem gleichen Partner, und viele Singvögel leben zumindest für die jeweilige Brutsaison in einer festen Partnerschaft. Die Tiere leben zwar fest als Paar zusammen, bauen das Nest gemeinsam und kümmern sich miteinander um die Nachkommen, von Treue kann aber kaum die Rede sein. Oft stammt jedes Vögelchen, das im Nest liegt, von einem anderen Vater, und auch der Vater hat noch Kinder in fremden Nestern. Was sind die Gründe für das Fremdgehen der eigentlich als monogam geltenden Vögel?
Fremdgehen erhöht die genetische Vielfalt
Bei den Männchen liegt der Vorteil des Fremdgehens auf der Hand: die Anzahl der Nachkommen erhöht sich und somit werden die eigenen Gene weiter verbreitet als wenn sie nur ein Weibchen begatten würden. Bei den Weibchen erhöht das Fremdgehen die Anzahl der Nachkommen nicht, aber die genetische Vielfalt wird erhöht. Als genetische Vielfalt oder auch genetische Variabilität wird die Unterschiedlichkeit von Individuen einer Art bezeichnet, die sich auf Unterschiede in den Erbanlagen bezieht; vererbbare Merkmale also.
Die genetische Vielfalt hat eine große Bedeutung für die Evolution. Je größer sie ist, desto schneller kann sich eine Art an Veränderungen der Umgebungsbedingungen anpassen. Evolutionäre Anpassungsprozesse laufen also schneller ab und die Art ist somit stabiler. Die sexuelle Rekombination (Kombination der Gene zweier Elternteile) leistet den größten Beitrag zur genetischen Vielfalt.
Seitensprünge reduzieren das Risiko für Inzucht
Individuen wählen oft einen Partner aus der näheren Umgebung für die Familiengründung aus; dadurch erhöht sich aber das Risiko, dass die Partner miteinander verwandt sind. Weibchen gehen meist mit Männchen fremd, die etwas weiter entfernt leben. Diese sind gleichzeitig in der Regel entfernter oder gar nicht verwandt mit dem Weibchen. Somit reduzieren sich das Inzucht-Risiko für diese Nachkommen; gleichzeitig wird die Fitness (Angepasstheit / Tauglichkeit) der Nachkommen gesteigert. Von den geschlüpften Jungvögeln überleben nur wenige das erste Jahr. Die Fitness ist entscheidend dafür, ob ein Jungvogel alt genug wird, um selbst einmal Nachkommen zu zeugen.