Ob Müllbeutel, Einweggeschirr, Flaschen oder Windelfolien – Biokunststoffe sind in unzähligen Einsatzbereichen eine umweltschonende Alternative zu Plastik.
Auch wenn das Interesse der Industrie an Biokunststoffen in Deutschland erst noch geweckt werden muss, halten Experten die ökologisch wertvollen Plastik-Alternativen durchaus für lukrativ. Kein Wunder, denn die Vorteile von Biokunststoffen liegen klar auf der Hand: Sie sind biologisch abbaubar (CO2-neutral), werden aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und können in den unterschiedlichsten Bereichen Anwendung finden – und übertreffen dabei teilweise sogar ihre allgegenwärtigen Plastik-Gegenstücke durch vorteilhafte Eigenschaften.
Was sind Biokunststoffe und wie werden sie hergestellt?
Laut Definition sind Biokunststoffe ebenso Kunststoffe wie Plastik oder Gummi, bestehen im Gegensatz zu diesen allerdings ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen. 80 Prozent der Biokunststoffe – auch Bioplastik genannt – werden aus Stärke, einem Polymer aus Zucker hergestellt. Dabei wird in der Regel Mais- oder Kartoffelstärke verwendet. Außerdem sind Zellulose und Polymilchsäure (PLA) gute Rohstoffe zur Herstellung von Biokunststoff. Weitere potenzielle Ausgangsstoffe bilden Polyhydroxybuttersäure (PHB), Chitin, Chitosan, Lignin, Casein, Gelatine, Getreideproteine und Pflanzenöle.
Bei der Herstellung von Bioplastik wird der jeweilige Ausgangsstoff zunächst durch das chemische Verfahren des Crackens und erneute Polymerisation in Molekülketten umgewandelt, die ähnliche Eigenschaften besitzen wie Molekülketten zur Herstellung von Plastik auf Erdölbasis. Der klare Vorteil der Kunststoffe auf Stärkebasis liegt darin, dass sie unter bestimmten Bedingungen innerhalb von acht bis zwölf Wochen biologisch abgebaut werden können, weshalb sie der Reduzierung von Abfallbergen dienen. Zudem können diese Kunststoffe durch verschiedene Modifikationen bei Bedarf auch beständiger gemacht werden.
Mit einem weltweiten Anteil am Gesamtkunststoffverbrauch von 0,1 Prozent [1] nehmen Biokunststoffe einen sehr geringen Stellenwert ein. Doch das soll sich bald ändern, sagen Experten. Die steigenden Erdölpreise lassen auch die Herstellungskosten von Plastik in die Höhe schießen, wohingegen Biokunststoffe mit geringen Rohstoffpreisen glänzen. Auch die Bevorzugung nachhaltiger Entwicklungen und Recycling-Verpflichtungen sorgt für gute Prognosen. In Deutschland wird ein Marktvolumen für Biokunststoffe von zwei Milliarden Euro [2] als realistisch eingeschätzt.
Welche Einsatzgebiete für Biokunststoffe gibt es?
Die Verwendungsmöglichkeiten von Biokunststoffen sind äußerst vielfältig. Besonders beliebt sind kompostierbare Verpackungen in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie. Diese reichen von Tragetaschen, Mülltüten und Beuteln aller Art über Klarsicht- und Fast-Food-Verpackungen bis hin zu Netzsäcken für Obst. Weiterhin finden Biokunststoffe in der Medizin in Form von Nähten Anwendung, die vom Körper selbst abgebaut werden können. Auch Hygieneartikel wie Windelfolie und Damenbinden können aus Biokunststoffen hergestellt werden, ebenso wie Versandverpackungen aller Art.
Flaschen und Becher aus Polylactid (PLA) sind rein äußerlich von gewöhnlichen Plastikflaschen (PET-Flaschen) kaum zu unterscheiden und besitzen vergleichbare Eigenschaften. Sie sind pfandfrei auf dem europäischen Markt zu erhalten und wie die meisten Biokunststoffe kompostierbar. Auch Einweggeschirr aus Stärke ist bereits im Handel erhältlich. Besonders beliebt sind dabei die essbaren Teller aus verschiedenen Teigarten und die Edel-Einweggeschirr-Varianten aus Palmenblättern. Diese Produkte sind mit gängigen Techniken und herkömmlichen Maschinen herstellbar.
Ein Beispiel für Biokunststoffprodukte, die mit verbesserten Eigenschaften und ökologischen Vorteilen aufwarten können, sind die Bio-Gewebesäcke für Obst- oder Gemüsenetze des österreichischen Verpackungszentrums Graz. Dieses nutzt eine selbst entwickelte Double-Twist-Technologie zum Weben, die laut eigener Aussage grundsätzlich zur Herstellung jeder Art von Geweben geeignet ist.
Die Bio-Gewebesäcke besitzen eine erhöhte Reißfestigkeit und sind mit geringerem Materialaufwand herstellbar, was zu einer Verringerung der Produktionsabfälle führt. Die Säcke bilden keine Laufmaschen, was den Warenverlust stark reduziert. Verschiedene Webearten in Form von Netzen und auch blickdichten Stoffen sind möglich. Nicht zuletzt bestehen die Bio-Gewebesäcke aus nachwachsenden Rohstoffen, die dem Gewebe auf natürliche Weise Feuchtigkeit regulierende und atmungsaktive Eigenschaften bescheren.
Forschung zu Biokunststoffen – Worauf kann gehofft werden?
Die Ressoucenknappheit macht erfinderisch. Auch wenn Biokunststoffe aus nachwachsenden Ressourcen bestehen, sind diese oftmals nicht in gewünschten Mengen verfügbar. Aus diesem Grund wird weltweit nach weiteren Rohstoffquellen für Biokunststoffe geforscht. Oftmals zielt diese Forschung auf Kunststoffe aus landwirtschaftlichen Abfallprodukten und Überschüssen wie Schweineurin und Gänsefedern. Auch Abfälle wie Molke aus der Käseproduktion, Zuckerrübenschnitzel, Abfälle aus der Saftproduktion und Überproduktion von Zitrusfrüchten werden als alternative Ausgangsstoffe zur Kunststoffherstellung erprobt, um Rohstoffkosten zu sparen.
Ein weiteres Forschungsprojekt stellt die Herstellung von Schaumstoff auf Algenbasis dar. Die Vorteile dieses Verfahrens: Algen liegen weltweit im Überschuss vor und können selbstregulierend geerntet werden. Während des Verfahrens werden des Weiteren keine Schadstoffe gebildet und die erhaltenen Produkte sind nach dem Gebrauch wahlweise kompostierbar oder im Altpapier zu entsorgen. Anwendung würde der Algenschaumstoff vor allem im Verpackungsbereich und als Dämmstoff für den Baubereich finden, wobei seine natürlichen Flammen hemmenden Eigenschaften einen zusätzlichen Pluspunkt darstellen.