Jugendliche und Kinder haben eine schwere Zeit während und nach der Scheidung. Dies führt zu Verhaltensänderungen bei den Jugendlichen.
Nach einer Trennung der Eltern fühlen sich die Kinder emotional immer noch sehr verbunden mit beiden Elternteilen, auch wenn sie räumlich getrennt sind. Studien zeigen, dass auch bei nicht sorgeberechtigten Vätern, die kaum Kontakt zu ihren Kindern hatten, der Vater trotzdem psychisch präsent und bedeutungsvoll bleibt. Viele Scheidungskinder leiden sehr unter der emotionalen Belastung, wobei es jedoch Unterschiede bei den jeweiligen Altersstufen gibt. Im zweiten Jahr nach der Scheidung stabilisiert sich jedoch das Verhalten und Befinden der Kinder. Die Scheidung ist also ein Prozess der lange vor der gerichtlichen Scheidung und auch noch lange danach Auswirkungen auf die Betroffenen hat.
Scheidung: Jugendliche im Loyalitätskonflikt
Jugendliche sind kognitiv in der Lage die Entscheidungen der Eltern zu verstehen, wenn sie sich scheiden lassen. Es kann jedoch auch ein Risiko für die Jugendlichen sein, die Belange der Eltern in der Scheidungsphase zu verstehen, denn sie fühlen sich vielleicht unter Druck gesetzt, den Eltern beim Lösen ihrer Probleme zu helfen. Dies kann so weit gehen, dass sie die Rolle eines Ersatzpartners übernehmen. Die Jugendlichen geraten immer mehr in einen Loyalitätskonflikt, je mehr sie in Auseinandersetzungen mit den Eltern geraten. Durch die starken Verpflichtungen der Jugendlichen und das zu frühe Erwachsenwerden, bleibt den Jugendlichen möglicherweise zu wenig Zeit zum Erwachsenwerden und zur Erarbeitung einer Identität. Die Jungen zeigen eher ein aggressives und die Mädchen eher depressives Problemverhalten. Eine Krise verändert einen Menschen nicht völlig sondern es werden nur bestehende Verhaltensweisen verstärkt. Oft verstärken sich in einer Krisensituation Übellaunigkeit, Schüchternheit und Abhängigkeit. Kinder die schon vor der Scheidung schwierig und unausgeglichen waren, haben nach der Scheidung erhebliche Anpassungsschwierigkeiten. Im Falle einer Scheidung können schon Jahre vorher viele Konflikte entstanden sein, denn meistens trennen sich die Paare erst, wenn viele Konflikte zusammen-treffen.
Reaktionen auf die Vorscheidungsphase einer Scheidung
Jugendliche erleben ihre Eltern eher als weniger streng und weniger einengend. Dies ist positiv, wenn eine strenge Erziehung mit hoher Elternablehnung zusammenhängt. Es gibt Schwierigkeiten bei der Erziehung, den Noten und dem Selbstwert. Die Mädchen scheinen in dieser Phase am meisten zu Leiden, da sie außer diesen Schwierigkeiten auch noch das Gefühl haben, von den Eltern abgelehnt zu werden. Außerdem ziehen sich die Mädchen aus ihrer Freundesgruppen zurück. Dies resultiert aus der größeren Verwundbarkeit der Mädchen bei familiärem Stress, Mädchen sind sensibler, wenn es Spannungen zu Hause gibt. Bei Jugendlichen mit Scheidungshintergrund wird die Selbstabwertung oftmals verstärkt, im Vergleich zu Jugendlichen aus intakten Familienverhältnissen.
Schulprobleme während der akuten Krise der Trennung
Für das Jahr der Trennung entwickeln Jugendliche eine höhere Bereitschaft, Normen zu übertreten. Die Erziehung wird aber als weniger streng empfunden, was wiederum eher Vorteile für die Scheidungskinder bringt. Die Noten der Mädchen verbessern sich etwas, jedoch nicht bei den Deutschnoten, da haben auch die Jungen aus Scheidungsfamilien mehr Probleme als Gleichaltrige aus vollständigen Familien. Mädchen haben noch weitere Probleme, zum Beispiel fühlen sie sich mehr von den Eltern abgelehnt. Die Scheidung hinterlässt bei ihnen ein starkes Gefühl von Verlassenheit, dass sie auch auf weitere Sozialbeziehungen übertragen. Die Mädchen haben im Jahr nach der Scheidung ein geringeres Interesse an anderen Personen als Mädchen aus intakten Familien. Sie haben oft sogar Probleme bei ihren Sozialbeziehungen. Nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen zeigen in dieser Phase eine erhöhte Bereitschaft zu Normverletzungen. Auch der häufigere Zigarettenkonsum fällt in diese Phase.
Selbstwertgefühl der Jugendlichen während der Konsolidierungsphase
Im zweiten Jahr nach der Scheidung schneiden die Jugendlichen aus Scheidungsfamilien immer noch schlecht ab. Sie haben einen geringeren Selbstwert. Jungen aus Scheidungsfamilien wenden sich mehr ihren Peers zu, wohingegen die Mädchen sich meist komplett von den Freunden zurückziehen. Sowohl Jungen als auch Mädchen aus Scheidungsfamilien gehen früher Partnerbeziehungen ein als Gleichaltrige aus intakten Familien. Die höhere Ablehnung der Mädchen gegenüber Freunden geht mit einer größeren Selbstabwertung einher. Der Kontakt zu normverletzenden Freunden birgt eher die Gefahr von Regelverstößen. Dass die Jungen in der Konsolidierungsphase eher Zugehörigkeit zu Gleichaltrigen suchen, und die Mädchen Liebesbeziehungen anfangen, zeigt die verstärkte Abwendung von der Familie bei den Scheidungskindern.
Jugendliche reagieren anders als Kinder auf Scheidungen
Jugendliche reagieren nicht weniger stark auf eine Scheidung, aber anders als jüngere Kinder. Jugendliche streben stärker nach Autonomie, aber die Sicherheit und emotionale Bindung zu den Eltern ist dabei Voraussetzung. Weder zu strenge noch zu tolerante Eltern sind gut für die Jugendlichen. Dass sich die Mädchen von den Eltern abgelehnt fühlen, weist darauf hin, dass ihr Bedürfnis nach Nähe und Wertschätzung nicht erfüllt wird. Bei der Auseinandersetzung mit der Frauenrolle können Mädchen in Konflikt geraten über ihr Leistungsverhalten und die Berufskarriere. Die höhere allgemeine Belastung der Mädchen wirkt sich noch schlimmer bei Scheidungen aus. Mädchen neigen außerdem dazu negative Stimmungen zu verstärken und zu verallgemeinern. Weniger strenge Erziehung in Scheidungsfamilien geht mit stärkerem Engagement in eine Liebesbeziehung einher. Außerdem flüchten sich Scheidungskinder oft in eine enge Beziehung zu einem Partner, weil sie sich von den Eltern und den Gleichaltrigen abgelehnt fühlen. Viele Jugendliche aus Scheidungsfamilien sind früher selbständig und übernehmen Verantwortung und ziehen auch früher von zu Hause aus. Aber das frühe erwachsene Verhalten birgt die Gefahr einer schlecht erarbeitenden Identität.