Gemeinsam kommen statt Kompromisse schließen? Heraus aus der Harmoniefalle. Ohne Kompromisse geht es zwar im Schlafzimmer nicht, aber wie kommt jeder Partner auf seine Kosten, ohne sich für den anderen zu verbiegen?
Sex zwischen Mann und Frau ist ja schon von haus aus eine komplizierte Sache. Weil Mann/Frau gänzlich anders gestrickt sind. Aber mit der evolutionären Seite des Themas wollen wir uns hier nicht aufhalten. Es geht vielmehr um gegenwärtigen Sex. Wie können Partner in einer funktionierenden Beziehung sowohl als auch auf ihre Kosten kommen?
Standardsex
Dass zwei Menschen vom ersten Moment an die gleichen sexuellen Vorlieben haben ist fast so wie ein Lottogewinn. Fast ausgeschlossen. Aber auch in einer durchaus liebevoll wachsenden Beziehung bleibt manchmal die körperliche Befriedigung auf der Strecke. Ulrich Clement, Sexualforscher an der Universität Heidelberg glaubt den Grund zu wissen: „Die meisten Paare verhandeln nicht, sondern einigen sich in den ersten Beziehungsjahren auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Danach herrscht Stillschweigen über sexuelle Wünsche und Bedürfnisse aus Angst zurückgewiesen zu werden. Damit schmälern die Liebenden ihre sexuellen Möglichkeiten. Am Ende bleibt nur noch Kuschelstandardsex. Luft und Lust sind so im Durchschnitt nach vier Jahren raus.“
Let’s Talk About Sex
Wie kommt man also zu einem Win-Win Erlebnis im Bett? Man muss versuchen, die eigenen Bedürfnisse und die Wünsche des Partners unter einen Hut zu bringen im Sinne „Mein Sex und dein Sex ist unsere Befriedigung“. Die amerikanische Sexpertin Lou Paget aus ihrer Sicht: „Lehnen sie die Wünsche ihres Partners nicht vorschnell ab. Machen sie ihm/ihr ein Angebot mit dem sie l(i)eben können.“ Niemand sollte dabei seine sexuellen Grenzen überschreiten. „Aber der eigene Verhandlungsspielraum ist oft größer, als man glaubt.“ Gute Deals im Bett sorgen dafür, dass beide auf ihre Kosten kommen. Jeder bekommt, was er/sie will – und das macht glücklich. „Es geht dabei nicht so sehr um den Inhalt des Kompromisses, als vielmehr um das Gefühl, den anderen „erreicht“ zu haben. Wichtig ist, dass man sich ernstgenommen fühlt“, sieht es Psychologin Anita Bauer. Das würde eventuell auch erklären warum Paare, die länger zusammen sind, auch im Bett „besser zusammen kommen“. Sie kreieren neue Lusterlebnisse anstatt sich gegenseitig einzuschränken, sie bauen damit ihren gemeinsamen Nenner aus.
Tabuthema Sexualität
Eigentlich sollte es in der „aufgeklärten“ Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ein leichtes sein, zwischenmenschlich über sexuelle Bedürfnisse und Wünsche zu sprechen. Immerhin hat bereits Dr. Georg Fischhof 1965 in dem Buch „Neue Lebensformen – Neue Liebesformen“ beschrieben :“(…) weniger gut bekannt sind die Methoden, mit Hilfe derer man den Partner sexuell stimuliert. Meist schließt hier jeder von sich auf den Partner, was jedoch häufig zu Fehlurteilen führt. Es sollen deshalb die wichtigsten sexuell erregenden Methoden kurz miteinander besprochen werden, wobei zuerst die seelischen und dann die körperlichen näher erläutert werden.“ Sex zu haben und über Sex zu sprechen sind scheinbar auch heutzutage noch zwei Paar Schuhe.