Valentinstag im Land der aufgehenden Sonne: Jahr für Jahr verschenken Japanerinnen zum Tag der Liebe tonnenweise Schokolade.
„Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann“ sang Trude Herr bereits 1960 – ob ähnliche Gedanken hinter dem japanischen Brauch zum Valentinstag stecken? Wie so viele westliche Errungenschaften wurde der Valentinstag übernommen und „japanifiziert“. Nun schon seit den 1950er Jahren ist das fröhliche Schokoladeverteilen als alljährliche Tradition nicht mehr wegzudenken. Jährlich nutzen Millionen japanische Frauen – und nur Frauen! – diesen einen Tag im Jahr, um die Männerwelt mit Schokolade zu überhäufen. Es ist der Tag, um seinem Schwarm mit selbst gemachten oder teuer gekauften Pralinen seine Liebe zu gestehen. Oder Chef, Vorgesetzten und Kollegen aus Höflichkeit eine kleinere Packung Pralinen zukommen zu lassen, die sogenannte giri choko, Schokolade aus Pflichtgefühl. An Freunde verteilt man neuerdings auch Freundschaftsschokolade, tomo choko. Bei den vielen Gründen, warum frau Schokolade verschenkt, fragt man sich, woran ein Mann dann noch merken soll, ob er ernst gemeinte Schokolade, honmei choko, bekommt – aber das ist der Schokoladen- und Verpackungsindustrie egal. Sie freut sich über steigende Umsätze und dekoriert schon Wochen vorher die Geschäfte mit bunten, glitzernden Valentinskitsch.
Die Rolle des japanischen Manns am Valentinstag
Und was genau macht der japanische Mann an Valentinstag? Die richtige Antwort lautet: abwarten und Tee trinken. Natürlich nicht im ganz wörtlichen Sinne. Er verbringt den Tag damit, die schokoladigen Geschenke entgegen zu nehmen, sich höflich zu bedanken und, wenn er ganz Gentleman ist, genussvoll eine der Pralinen vor Augen der Schenkenden zu naschen. Am Ende des Tages vergleicht man seine Ausbeute mit Freunden – oder stellt resigniert fest, dass man dieses Jahr wieder übergangen wurde. Selber Geschenke verteilen? Fehlanzeige – die japanische Frau geht am Valentinstag leer aus. Eine erfreuliche Lösung für den Mann, dem es erspart bleibt, krampfhaft nach einem originellen Geschenk für seine Liebste zu suchen, mag man meinen. Aber ganz so einfach kommt er aus der Sache auch nicht heraus.
Teure Geschenke am White Day in Japan
Da die Geschenkindustrie auch gerne von der Kaufkraft der Männer profitieren wollte, wurde ab Ende der 1970er Jahre kräftig der White Day propagiert. Einen Monat nach dem Valentinstag, am 14.3., hat der Mann seine Antwort auf das Liebesgeständnis abzugeben – Japaner sind wahrhaft geduldige Menschen! Als Faustregel gilt: Erwidert er die Gefühle, gibt er ein Geschenk zurück – nichts zurückzugeben, ist die dezente Form einer Abfuhr. Dieses Geschenk war ursprünglich einfache weiße Schokolade, wie der Name noch vermuten lässt, aber so billig kommt er inzwischen nicht mehr davon. In einem Monat sind kräftig Zinsen angefallen und als Ausgleich für die Schokolade darf es da auch mal teurer Schmuck oder eine Designerhandtasche sein.
Aber als kleine Entwarnung hat man einmal dieses aufwändige Ritual überstanden und darf sich ein Paar nennen, dann verliert der Valentinstag seinen Schrecken. Von nun an darf er jedes Jahr vergessen werden. Denn es ist kein Tag für Pärchen, nur für solche, die es noch werden wollen. Aber natürlich gibt es auch in Japan einen Tag, an dem Mann Frau teuer beschenkt und zum Essen ausführt. Nur ist das aus mangelnder Kenntnis des Christentums nicht am Valentinstag, sondern jedes Jahr zu Weihnachten.