„Vor vielen Jahren ist meine Cousine als Kleinkind an Lungenkrebs gestorben“, berichtet Mariana Schmidt. „Schon damals war für mich klar: Wenn ich je die Gelegenheit bekomme, für Menschen mit einer solch schweren Krankheit etwas zu tun, dann mache ich es!“ Vor diesem Hintergrund ließ sich die in Frammersbach (Landkreis Main-Spessart) lebende Diplomsozialpädagogin im Jahr 2002 im Rahmen einer Typisierungsaktion bei NETZWERK HOFFNUNG registrieren. NETZWERK HOFFNUNG ist die Stammzellspender-Datei des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) und arbeitet eng mit dem Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD) zusammen. Dieses vermittelt Stammzellspenden sowohl innerhalb Deutschlands, als auch in nahezu alle Länder der Welt. „Für viele Patienten, die an Leukämie oder einer vergleichbaren Krankheit leiden, ist die Transplantation von Stammzellen gesunder Spender die einzige Überlebenschance“, betont Dr. Erdwine Klinker. Als Oberärztin des Instituts für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie des UKW leitet sie die hiesige Stammzellspenderdatei.
HLA-Übereinstimmung sehr selten
Voraussetzung für die Durchführung einer Stammzelltransplantation ist die weitgehende Übereinstimmung der HLA-Gewebemerkmale (HLA = Humane Leukozyten Antigene) von Empfänger und Spender, da ansonsten Abstoßungsreaktionen ausgelöst werden können. Bei der großen Vielfalt der Gewebemerkmale in der Bevölkerung ? es gibt theoretisch mehr als 50 Millionen Kombinationsmöglichkeiten ? ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Merkmale bei zwei nicht verwandten Personen übereinstimmen, nicht sehr groß. Sie variiert je nach Merkmalskombination von 1:1000 bis 1:mehreren Millionen.
Dennoch wurde Mariana Schmidts Merkmalskombination im Jahr 2004 für einen ausländischen Patienten als passend erkannt. Nachdem eine nochmalige Feinanalyse und ein Gesundheitscheck bestätigten, dass sie als Spenderin tatsächlich geeignet ist, gab es für Frau Schmidt, Mutter einer damals acht Monate alten Tochter, kein Zögern. „Dies ist eine freiwillige Hilfe, die man sich nicht mit Geld kaufen oder durch Beziehungen verschaffen kann“, betont die heute 37-Jährige.
Stammzellsammlung mit dem Zellseparator
Wie in Deutschland üblich, kam bei ihr die Methode der peripheren Stammzellsammlung zum Einsatz. Dabei werden die Stammzellen ? ähnlich wie bei einer Spende von Blutplättchen ? aus dem Venenblut entnommen. Das Blut der Spenderin oder des Spenders wird aus einer Armvene entnommen, in einem Kreislauf durch einen Zellseparator geleitet und über einer andere Armvene wieder in den Körper zurückgeführt.
Im Zellseparator werden die Stammzellen angereichert und in einem speziellen Beutel gesammelt. „Da die Zahl der Stammzellen im Blut jedoch sehr gering ist, müssen wir sie vorher medikamentös erhöhen“, erläutert Dr. Klinker. „Hierfür ist eine mehrtägige Vorbehandlung des Spenders mit einem Medikament, einem so genannten Wachstumsfaktor, erforderlich.“ Der Wachstumsfaktor muss zweimal täglich unter die Haut gespritzt wird – vergleichbar einer Diabetes- oder Thrombose-Spritze. Um dazu nicht immer zum Arzt gehen zu müssen, setzte sich Mariana Schmidt diese Spritzen zuhause selbst.
Grippeähnliche Nebenwirkungen
Das Medikament bewirkt, dass die Stammzellproduktion im Knochenmark angeregt wird und die Stammzellen ins Blut übertreten, so dass sie dort gesammelt werden können. „Als Nebenwirkungen des Wachstumsfaktors können Knochen- und Kopfschmerzen sowie allgemeine Abgeschlagenheit auftreten“, berichtet Dr. Klinker. Auch Mariana Schmidt hatte unter den grippeähnlichen Symptomen merklich zu leiden, so dass sie sich während dieser viertägigen Vorbereitungsphase krankschreiben lassen musste. „Wie bei Frau Schmidt sind die Arbeitgeber unserer Spender in aller Regel sehr kooperativ“, weiß Dr. Klinker, „Zumal die Möglichkeit besteht, dass wir einen durch die Stammzellenspende verursachten, eventuellen Verdienstausfall finanziell ausgleichen.“
Stammzellenverlust unproblematisch
Am Spendetag war Mariana Schmidt von etwa 9:00 bis 16:00 Uhr an den Zellseparator angeschlossen. Nach dieser schmerzfreien Prozedur waren auch die Grippesymptome innerhalb eines Tages weg. „Ein gesundheitlicher Nachteil durch den Verlust der Stammzellen ist für den Spender nicht zu erwarten“, betont Dr. Klinker. Die periphere Spende hat in den letzen Jahren in Deutschland die alternative Methode der Knochenmarkentnahme aus dem Beckenkamm weitgehend ersetzt.
Erneute Spende im Jahr 2011
Mit ihrer ersten Spende vor acht Jahren erlebte Mariana Schmidt das, wozu nur etwa ein Prozent aller registrierten Spender überhaupt jemals aufgefordert werden. Dass ihre Gewebemerkmale im Herbst vergangenen Jahres für einen anderen Patienten erneut als passend erkannt wurden, gilt als absolute medizinische Rarität. „In der 20-jährigen Geschichte des ZKRD sind nur drei Fälle bekannt, in denen ein Spender für zwei Patienten gespendet hat“, verdeutlicht Dr. Klinker. Für Frau Schmidt war es auch in diesem Fall selbstverständlich, erneut zu helfen und die Spendeprozedur nochmals auf sich zu nehmen.
Bislang kein Kontakt zwischen Spenderin und Empfängern
Wem allerdings konkret mit ihren Stammzellen geholfen wurde, weiß Mariana Schmidt nicht. „Es gehört zu den Regeln des Patienten- und Spenderschutzes, dass der gesamte Vorgang streng anonym abläuft und zwei Jahre lang eine beiderseitige Kontaktsperre besteht“, berichtet Dr. Klinker. Danach könnten auf gegenseitigen Wunsch die Adressen über das Spenderregister ausgetauscht werden.
Obwohl mittlerweile fast sechs Jahre seit der ersten Spende vergangenen sind, hat Marianna Schmidt erst vor kurzem einen Antrag auf Kontaktaufnahme gestellt. „Ich weiß, dass bei diesen Krankheiten innerhalb der ersten Jahre durchaus Rückfälle auftreten können“ sagt die Sozialpädagogin. „Deshalb wollte ich zunächst keine direkte Verbindung aufbauen, die es mir sicher schwerer gemacht hätte, eine erneute Anfrage nach einer Spende aus persönlichen Gründen abzulehnen.“ Bislang weiß sie nur, dass beide Patienten oder Patientinnen im Ausland behandelt wurden und dass es beiden gut geht. Nun ist sie gespannt, ob sie erfahren wird, wem sie mit ihren Stammzellen das Leben gerettet hat.
Wer sich selbst typisieren lassen möchte, findet NETZWERK HOFFNUNG am Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie im Zentrum für Innere Medizin an der Oberdürrbacher Str. 6 in Würzburg. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.netzwerk-hoffnung.de oder telefonisch unter 09 31/20 1-3 13 25