Immer wieder kommen Zweifel auf, wenn es um die Bewertung der Immobilien in Offenen Immobilienfonds geht. Aber wie geht das Bewertungsverfahren überhaupt vonstatten? So ermitteln Offene Immobilienfonds den Wert ihrer Objekte.
Das Verfahren zur Bewertung der Objekte Offener Immobilienfonds ist im Investmentgesetz geregelt. Jeder Anbieter von Offenen Immobilienfonds muss muss gemäß § 77 des Gesetzes einen oder mehrere Sachverständigenausschüsse zur Bewertung der Fondsimmobilien bilden. Die Ausschüsse bestehen aus drei Mitgliedern und bewerten jedes Objekt mindestens einmal im Jahr, in Ausnahmesituationen – etwa bei starken Preisschwankungen auf dem Immobilienmarkt – auch öfter.
In der Praxis unterhalten größere Anbieter Offener Immobilienfonds gleich mehrere Sachverständigenausschüsse. Die Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds (DEGI) etwa, die mit dem DEGI Europa und dem DEGI International zwei Fonds mit einem Gesamtvolumen von gut vier Milliarden Euro anbietet, verfügt über drei solcher Ausschüsse. „Die Zuordnung der Objekte zu den Ausschüssen erfolgt bei uns länderbezogen“, erklärt Reimund Braun, Head of Valuation bei der DEGI. „Die Sachverständigen, die sich in bestimmten Ländern besonders gut auskennen, bewerten auch die Immobilien in diesen Ländern.“
Die Anforderungen an die Sachverständigen, die Wertgutachten erstellen
Um die Unabhängigkeit von den Fondsgesellschaften zu ermöglichen, sind die Sachverständigen nicht bei den Gesellschaften angestellt. Laut Gesetz dürfen Sachverständige höchstens für fünf Jahre bestellt werden. Einzelne Fondsgesellschaften setzen aber strengere Maßstäbe an. So bestellt die DEGI ihre Sachverständigen jeweils für zwei Jahre. Allerdings ist es zulässig, die Gutachter nach Ablauf der Frist erneut zu bestellen. Sachverständige dürfen außerdem innerhalb eines Vierjahres-Zeitraums nicht mehr als 30 Prozent ihrer Einnahmen von einer Kapitalanlagegesellschaft beziehen. Als weiterer Kontrollmechanismus dient die Meldung der Sachverständigen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).
Darüber hinaus fordert das Investmentgesetz auch, dass ein Sachverständiger „angemessene Fachkenntnisse und ausreichende praktische Erfahrungen“ besitzt. Einen formalen Nachweis müssen die Gutachter zwar nicht erbringen. Aber: „Unsere Sachverständigen sind allesamt mindestens öffentlich bestellt und verfügen über langjährige Erfahrung“, erläutert Reimund Braun. Die Anforderungen bei anderen Fondsgesellschaften seien in der Regel ähnlich.
Das Verfahren zur Bewertung der Immobilien
Die Sachverständigen ermitteln in Gutachten den so genannten Verkehrswert der Immobilien. Dieser wird in § 194 des Baugesetzbuches definiert: „Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks (…) ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“
Zur Ermittlung des Verkehrswertes kommen grundsätzlich vor allem drei Verfahren in Betracht, deren Anwendung in der Wertermittlungsverordnung und der dazugehörigen Wertermittlungsrichtlinie detailliert festgelegt und beschrieben ist: das Vergleichswertverfahren, das Sachwertverfahren und das Ertragswertverfahren. Ersteres dient zur Ermittlung des Verkehrswertes anhand tatsächlicher Kaufpreise von Immobilien, die dem zu bewertenden Objekt ähneln. Gerade auf größere Gewerbeimmobilien ist dieses Verfahren aber in der Praxis kaum anwendbar: „Man hat fast nie eine ausreichend breite Basis an Vergleichswerten“, sagt Braun. Im Sachwertverfahren ergibt sich der Wert aus der Summe der Werte des Bodens, der baulichen und der sonstigen Anlagen. Nach diesem Verfahren werden allerdings hauptsächlich eigengenutzte Immobilien wie Einfamilienhäuser bewertet.
Geht es um die Bewertung gewerblicher Immobilien, hat sich – nicht nur bei der DEGI – das Ertragswertverfahren durchgesetzt. Bei diesem Verfahren leiten die Sachverständigen den Verkehrswert eines Objektes aus dem Barwert aller künftigen Erträge ab.
Die Faktoren, die den Wert einer Immobilie beeinflussen
Der Wert wird eines Objektes wird bestimmt durch eine Vielzahl von Faktoren. Dazu zählen die Bedingungen des örtlichen Grundstücksmarktes, die zulässige Nutzung der Objekte, die nachhaltig erzielbare Miete, die gegenwärtige Mieterstruktur, eventuelle Leerstände, Bewirtschaftungskosten, der Bodenwert und die wirtschaftliche Restnutzungsdauer.
Um all diese Faktoren beurteilen zu können, nutzen die Sachverständigen zunächst Unterlagen zu den Objekten, die ihnen die Fondsgesellschaft zur Verfügung stellt. Dazu kommen Informationen und Marktberichte aus verschiedenen Quellen, die die Sachverständigen selbst recherchieren. Zusätzlich besichtigen sie die zu bewertende Immobilie aber auch.
Trotzdem gilt: „Die Bewertung von Immobilien ist keine exakte Wissenschaft. Es gibt immer Ermessensspielräume – und Annahmen über zukünftige Entwicklungen“, so Braun.
Der Liegenschaftszinssatz als wesentlicher Einflussfaktor auf den Verkehrswert
Dies gilt umso mehr, als eine weitere Größe den Verkehrswert beeinflusst: der Liegenschaftszinssatz. Das komplizierte Wort steht für die Renditeansprüche potenzieller Käufer, vereinfacht also für das Verhältnis des Kaufpreises zum jährlichen Reinertrag. Je nach Marktlage und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen steigt und fällt der Liegenschaftszinssatz. Sinkt etwa das allgemeine Zinsniveau, dann sollten theoretisch auch die Renditeansprüche von Immobilienkäufern und damit der Liegenschaftszins sinken. Schließlich ist es schwieriger, durch eine andere Investition eine höhere Rendite zu erzielen.
Dagegen steigt der Liegenschaftszinssatz, wenn Investoren den Kauf einer Immobilie als riskanter einschätzen als zuvor – etwa, weil sie fürchten, die Marktpreise könnten künftig sinken. Oder weil die Finanzierung von Immobilienkäufen durch Kredite schwieriger geworden ist. Beide Faktoren kommen in der derzeitigen Wirtschaftskrise zum Tragen – und führen tendenziell zu niedrigeren Verkehrswerten.
Weil das aber nicht für jedes Objekt in jeder Lage gelten muss, lassen sich daraus nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Wertentwicklung eines konkreten Offenen Immobilienfonds ziehen. Außerdem führt der Fokus auf nachhaltige, also längerfristige Mieteinnahmen dazu, dass die Offenen Immobilienfonds Übertreibungen des Marktes nach oben (in Boomphasen) oder nach unten (in Krisen) nicht vollständig mitmachen.