Internetsucht – wenn die Online-Suche zur Sucht wird

Die Internetsucht ist eine recht neue Form der Abhängigkeit. Mögliche Hinweise auf eine Internetsucht und Hilfsmöglichkeiten im Überblick.

Schätzungen besagen, dass es in Deutschland etwa 2 Millionen Internetabhängige gibt. Schnell kann die virtuelle Welt zum Ersatz für die reale Welt werden. Dort gibt es leichtere Erfolgserlebnisse und schnellere Kicks. Alarmzeichen sind, wenn ein Betroffener über einen längeren Zeitraum die meiste Zeit des Tages im Internet surft und darüber Freunde, Familie und Verein aber auch die eigenen Wohnung oder Körperhygiene vernachlässigt.

Hinweise auf eine Internetsucht

Man findet die Internetsucht unter verschiedenen Begriffen wie Internet-Abhängigkeit, Internet-Abhängigkeitssyndrom (IAS) oder Pathologischer Internetgebrauch. Wer darunter leidet, hat ein ausgeprägtes Verlangen, seine Zeit am PC zu verbringen und vernachlässigt dafür andere Interessen. Selbst die Schul- oder Arbeitspflicht wird der Internetsucht untergeordnet, auch wenn dies negative Konsequenzen nach sich zieht. Wenn das Internet-Surfen einmal nicht möglich ist, kommt es in der Folge zu unangenehmen Zuständen, wie Ruhelosigkeit, Nervosität, leichte Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit aber auch Ängste und Zwangsgedanken können die Folge sein. Die Internetsucht kann ähnliche Entzugssymptome hervorrufen, wie sie Alkoholiker oder Drogenabhängige erleben.

Wer ist gefährdet?

Wissenschaftlich betrachtet ist die Internetsucht noch wenig erforscht, so dass genaue Zusammenhänge erst hergestellt und belegt werden müssen. Doch wird sie von vielen Experten als Ausdruck weiterer Probleme der Betroffenen betrachtet. Bei vielen scheint bereits vor der Internetsucht eine psychische Erkrankung bestanden zu haben, wie eine Persönlichkeitsstörung, eine Angsterkrankung oder eine Depression.

Häufig bietet das Internet den Betroffenen eine scheinbare Möglichkeit, den Problemen des realen Lebens zu entkommen. Viele Internetabhängige können nur unzureichend entspannen und haben ein geringes Selbstwertgefühl. Der Einsamkeit im realen Leben werden die Internetkontakte entgegengestellt und nicht selten haben sich die Betroffenen aus dem wirklichen Leben weitgehend ausgeklinkt.

Das Suchtpotential im Internet

Die Sucht nach Computerspielen, Sex-Websites, Musikbörsen oder Chatrooms ist nicht leicht in den Griff zu bekommen. Obwohl die Betroffenen sich vielleicht sogar wünschen, nicht online zu gehen, schaffen sie es nicht, ihren Internetkonsum zu reduzieren.

Das hohe Suchtpotential lässt sich durch die Befriedigung des Spieltriebs und des Kommunikationsbedürfnisses erklären. Neben dem Einsamkeitsfaktor, den die Kommunikation im Internet überdeckt, werden die Internet-Spieler durch aufsteigende Levels und die Verbesserung des Protagonisten gebunden, wie z.B. bei „World of Warcraft“ und ähnlichen Spielen. Mit jeder gelösten Aufgabe steigt zwar der Schwierigkeitsgrad, doch damit gleichzeitig auch die Anerkennung durch andere User. Der kommunikative Gruppendruck der Internetgemeinschaft ist ein nicht zu unterschätzender Faktor und kann so weit gehen, dass Spieler sich nicht vom Computer wegtrauen, weil sie befürchten, in der Zwischenzeit etwas zu versäumen.

Erklärungsversuche

Während meist Frauen die Kommunikation in Chaträumen suchen, tummeln sich viele Männer in Online-Sex-Chats. Im Internet scheint vieles möglich, was im realen Leben nicht gelebt werden kann.

Jugendlichen bietet das Internet eine Orientierung. Sie erfahren Lob und Anerkennung über Spielerfolge oder die Internetgemeinde, die sie im wirklichen Leben offenbar nicht oder zu wenig bekommen. Zudem können sie in andere Identitäten schlüpfen und diese gefahrlos ausprobieren, ohne dass es Folgen für sie hat. Außerdem dient ihnen das Internet als Abgrenzungsmittel zur Erwachsenenwelt, weil Eltern und Lehrer in der Regel nicht den gleichen Zugang dazu haben.

Auch viele Erwachsene haben allen Grund, sich aus der realen Welt lieber in eine Fantasiewelt im Internet zu flüchten. Bestes Beispiel dafür ist der Erfolg von „Second Life“, in dem laut Wikipedia bereits über 7 Millionen Nutzer aktiv sind.

Nicht jeder exzessive Online-Spieler ist gleich süchtig

Nicht jeder Jugendliche, der eine Zeit lang exzessiv dem Internet-Spiel verfällt, ist gleich suchtgefährdet. Viele von ihnen müssen einfach erst lernen, mit dem Medium Internet vernünftig umzugehen. Da hilft es manchmal schon, von Seiten der Eltern das Gespräch zu suchen und gemeinsame Regelungen über Onlinezeiten zu finden.

Wird ein Betroffener auf den exzessiven Internetgebrauch angesprochen, reagiert er ähnlich wie andere Suchtbetroffene. Das eigene Verhalten wird geleugnet und die Problematik heruntergespielt.

Wer Hilfe sucht, gesteht sich selbst ein, dass er ein gravierendes Problem hat. Das ist ein wichtiger erster Schritt auf dem weiten Weg aus der Abhängigkeit. Nur wer sich selbst eingesteht, dass er ein Problem hat, sich vom Internet zu lösen, wird die Notwendigkeit erkennen, etwas dagegen zu tun.

Der richtige Therapeut und die richtige Therapie

Zunehmend etabliert sich eine spezielle Therapie für Internetabhängige, die auf die speziellen Bedürfnisse der Betroffenen zugeschnitten ist. Einer Vielzahl behandlungsbedürftiger Betroffener steht allerdings noch eine geringe Anzahl von Experten gegenüber. Ein Behandler sollte mit diesem speziellen Gebiet der Onlinesucht vertraut sein und sich zudem in den fiktiven Welten auskennen, damit er weiß, wovon sein Klient redet. In der Psychotherapie muss für jeden einzelnen Betroffenen geklärt werden, inwieweit die Internetsucht ein Lösungs- oder Fluchtversuch ist und inwieweit andere psychische oder körperliche Schwierigkeiten die Internetsucht begünstigen. Da bei vielen Internetsüchtigen weitere psychische Krankheiten vorliegen, müssen auch diese mitbehandelt werden.

Dazu ist eine gründliche Diagnostik notwendig.

Gruppentherapie motiviert und stärktEin Ziel der Behandlung ist die Reduktion der Online-Zeiten und der Wiederaufbau vernachlässigter Interessen oder neuer anderer Aktivitäten, besonders sozialer Kontakte. Für manche Betroffene führt dieser Weg über einen Arzt oder eine psychiatrische Ambulanz. Für die schwereren Fälle ist ein Aufenthalt in einer Klinik über einige Wochen fast schon unvermeidlich. Der stationäre Aufenthalt beinhaltet meist Gruppentherapien, Einzelgespräche und ergänzende Therapieformen.

Der Vorteil einer Gruppentherapie besteht in erster Linie in der Kommunikation und im Austausch der Betroffenen untereinander. Auch die ergänzenden Therapieformen, wie Kunst-, Musik- oder die Reittherapie werden eingesetzt, um die kommunikativen Fähigkeiten der Betroffenen über den Klinikaufenthalt hinaus zu stärken. In der Regel gibt es auch die Möglichkeit, ein Entspannungsverfahren zu erlernen.

Hilfe über das Internet

Betroffene sollen letztendlich weniger Zeit im Internet verbringen. Um die Schwelle auf diesem Weg so gering wie möglich zu halten, gibt es mittlerweile auch im Internet Hilfsangebote für Onlinesüchtige.

In der Anonymität des Internets scheint die Zielgruppe leichter ansprechbar und auch hier kann Rat und Hilfe eingeholt werden. So bietet das Portal onlinesucht.de etwa einen guten Überblick, professionelle Ansprechpartner sowie Hinweise auf Studien zur Onlinesucht aus aller Welt. Auch rollenspielsucht.de, eine Initiative betroffener Eltern, hat jede Menge Informationen zusammengetragen und bietet sogar ein Austauschforum für Spieler.

Hilfsangebote gibt es sowohl online als auch im wirklichen Leben. Die Helfer können jedoch nur die Hände greifen, die ihnen gereicht werden.

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